75 Jahre Sozialdemokraten in Paderborn - SPD Paderborn
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spurlos an dem <strong>in</strong> sich ruhenden<br />
Wirtschaftsgefüge der Stadt vorübergegangen.<br />
Die Unruhe draußen<br />
schlug sich im wesentlichen nur <strong>in</strong><br />
Anordnungen der Obrigkeit und <strong>in</strong><br />
aufregenden Meldungen nieder.<br />
Verdächtige „sociale Frage"<br />
Während es <strong>in</strong> den Orten, <strong>in</strong><br />
denen sich starke arbeitsstrukturelle<br />
Umwandlungen vollzogen, zu<br />
mehr oder weniger spontanen<br />
Ansätzen der Arbeiterbewegung<br />
kam, zu „Wahlvere<strong>in</strong>en" der<br />
Sozialdemokratischen Partei oder<br />
Gewerkschaften, blieb es <strong>in</strong> <strong>Paderborn</strong><br />
ruhig. Nur e<strong>in</strong>e Institution<br />
erkannte <strong>in</strong> <strong>Paderborn</strong> die Situation<br />
und handelte danach: die<br />
katholische Kirche. In Zusammenhang<br />
mit den Ideen des Bischofs<br />
Ketteier oder Adolf Kolp<strong>in</strong>gs entwickelte<br />
sie e<strong>in</strong>e Aktivität, die<br />
darauf abgestellt war, die Interessierten<br />
mit der „socialen Frage"<br />
bekannt zu machen. Warum diese<br />
Vorträge auch gehalten wurden,<br />
ergibt sich aus e<strong>in</strong>em Briefwechsel<br />
zwischen der Stadtverwaltung<br />
<strong>Paderborn</strong> und der Königlichen<br />
Regierung <strong>in</strong> M<strong>in</strong>den. Domvikar<br />
Drepper veranstaltete im <strong>Jahre</strong><br />
1878, nach dem Verbot der Sozialdemokratie<br />
durch Initiative<br />
Bismarcks, im Bürgervere<strong>in</strong> Volksversammlungen<br />
zur Besprechung<br />
der sozialen Lage.<br />
12<br />
Die Königliche Regierung fragte <strong>in</strong><br />
<strong>Paderborn</strong> auf Grund e<strong>in</strong>es Berichtes<br />
an, „ob sich dort e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong><br />
zur Bekämpfung der Social-Demokraten<br />
gebildet hat, oder ob nur<br />
unter dem Vorsitz des Propstes<br />
Nacke regelmäßige Veranstaltungen<br />
stattf<strong>in</strong>den sollen, zu welcher jeder<br />
freien Zutritt hat".<br />
Antwort der Polizei-Verwaltung<br />
der Stadt vom 2. März 1878: „Bei<br />
jeder dieser Versammlungen wird<br />
e<strong>in</strong> Vorsitzender gewählt und<br />
haben diese Zusammenkünfte den<br />
Zweck, die von den Social-Demokraten<br />
ausgesprochenen Ansichten<br />
zu widerlegen."<br />
Diese Versammlungen waren also<br />
als e<strong>in</strong>e Art „Vorbeugungsmaßnahme"<br />
gedacht; es g<strong>in</strong>g darum, die<br />
sozialen Bedürfnisse der „Kle<strong>in</strong>en<br />
Leute" im Raum des Katholizismus<br />
zu organisieren und Engagement<br />
nicht der Sozialdemokratie<br />
zuströmen zu lassen. Es entwickelte<br />
sich damals e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives<br />
katholisches Vere<strong>in</strong>sleben, das auch<br />
Arbeiter e<strong>in</strong>schloß.<br />
Franz Hitze über Kapital<br />
und Arbeit<br />
Im <strong>Paderborn</strong>er Theologenkonvikt<br />
wurde Franz Hitze ausgebildet, der<br />
schon als Student mit sozialreformerischen<br />
Schriften hervortrat und<br />
1880 im Verlag der <strong>Paderborn</strong>er<br />
Bonifaciusdruckerei se<strong>in</strong> vielbeach-<br />
tetes Buch „Kapital und Arbeit<br />
und die Reorganisation der Gesellschaft"<br />
herausbrachte. Hitze, der<br />
später e<strong>in</strong>er der maßgeblichen<br />
katholischen Sozialpolitiker <strong>in</strong><br />
Deutschland wurde, hatte sich mit<br />
den gesellschaftskritischen Ideen<br />
der Wilhelm Hohoff und Carl von<br />
Vogelsang (als Theoretikern e<strong>in</strong>es<br />
„katholischen Antikapitalismus'')<br />
beschäftigt, aber auch mit den<br />
Analysen des Karl Marx. In se<strong>in</strong>em<br />
oben erwähnten Werk schrieb<br />
Hitze u.a.:<br />
„... Wie stehts denn jetzt mit<br />
unseren socialen Verhältnissen, wie<br />
s<strong>in</strong>d Kapital und Arbeit organisiert?<br />
Wer erhält den Löwenantheil?<br />
Um concret zu se<strong>in</strong>, müssen wir<br />
drei Kategorien <strong>in</strong> den Verhältnissen<br />
von Eigenthum und Arbeit<br />
unterscheiden: den Stand der<br />
Groß-Kapitalisten und -Grundbesitzer,<br />
den der Mittelstände (Handwerker-<br />
und Bauernstand) und<br />
endlich den Stand der Kle<strong>in</strong>besitzer<br />
und Besitzlosen (re<strong>in</strong>er Arbeitsstand).<br />
In der ersten Kategorie<br />
behauptet das Rentene<strong>in</strong>kommen<br />
das Übergewicht, <strong>in</strong> der zweiten<br />
Kategorie halten sie sich die Waage,<br />
<strong>in</strong> der dritten endlich existiert blos<br />
Arbeitse<strong>in</strong>kommen. Die Grenzen<br />
dieser Kategorien s<strong>in</strong>d sehr unbestimmt,<br />
im Großen und Ganzen<br />
trifft aber diese E<strong>in</strong>theilung zu.