75 Jahre Sozialdemokraten in Paderborn - SPD Paderborn

demokraten den Wind aus den
Segeln nehmen zu können. Aber
das Rad der Geschichte drehte sich
zugunsten der Sozialdemokratie
weiter.
Um 1900, nachdem die Prosperität
der „Gründerjähre" endgültig ausgelaufen
war, tat sich auch in
Paderborn etwas. Da wird in den
Polizeiakten der Lohgerber Johann
Modic aus Brundorf, Bezirk Laibach,
Land Krain (dem heutigen
jugoslawischen Ljubljana),
genannt. Ein Paderborner Gerber
petzt bei der Polizei, dieser Johann
Modic wiegele in der Gerberei
Sandhage die Leute auf und halte
Reden mit dem Ziel, höheren
Lohn zu fordern. Die Nachforschungen
verliefen im Sand, da
Modic bald darauf aus Paderborn
verzog. Eine fragende Randbemerkung
auf der Meldung sagt aber
deutlich, wohin man den Modic
gerne piaziert hätte: „Sozialdemokratischer
Agitator?"
Der erste Paukenschlag
Dann aber, am 26. November 1900,
kommt der erste wirkliche „Paukenschlag".
Mit aufgeregter Sachlichkeit
berichtet der Polizeiwachtmeister
Garisch: „Wie ich in
Erfahrung gebracht habe, soll auch
gestern nachmittag gegen 3 Uhr im
Ritterschen Lokal eine kleine Versammlung,
die mehr den Charakter
einer Besprechung trug, stattgefunden
haben. An dieser haben ca. 8
Personen teilgenommen, darunter
Stadtverordneter Schuhmann aus
Bielefeld, welcher auch der Verleger
der sozialdemokratischen
,Volkswacht' sein soll, ferner der
Redakteur der ,Volkswacht', Hoffmann,
aus Bielefeld, der Kunsttischler
Schulte von hier usw. Es
soll von Stimmzetteln und Flugblättern
gesprochen worden sein.
Offenbar handelte es sich um eine
Agitation zur bevorstehenden
Reichstagswahl."
Sofortige Untersuchung auf Grund
des Versammlungsgesetzes von
1850. Lag ein Verstoß dagegen
vor, da die Versammlung nicht
gemeldet war?
Tischler Konrad Schulte, Westernmauer
76, wird vernommen. Tenor
der Vernehmung: „Ich weiß nicht
mehr, was gesprochen worden ist. "
Frl. Anna Honervogt sagt aus:
„Am 25. November waren mehrere
fremde Gäste im Lokal. Sie gingen
ins Zimmer und ich habe das Bier
hingebracht. Als ich das Bier auftrug,
wurde von Flugblättern und
Stimmzetteln gesprochen."
Endgültiger Aktenvermerk: „Strafbare
Handlung liegt nicht vor."
Dann scheint wieder einige Zeit
Ruhe gewesen zu sein. Auf Grund
des „Dreiklassenwahlrechts", nach
dem die Bürger in drei Wahlgrup-
pen gemäß ihrem Steueraufkommen
eingeteilt worden waren, hatten
die Sozialdemokraten auch in
Paderborn keine Aussicht, jemals
einen Vertreter für den preußischen
Staat durchzubringen. Dies war in
den kommenden Jahren Hauptangriffspunkt
der sozialdemokratischen
Agitationsarbeit, verstieß es
doch gegen eine wesentliche demokratische
Forderung, die Gleichheit
der Wahl.
Inzwischen hatten sich strukturelle
Wandlungen in der Paderborner
Wirtschaft vollzogen. Es waren
Industriebetriebe entstanden, Neugründungen
standen kurz bevor.
Der Bogen reichte von den Werkstätten
der Eisenbahn bis zu holzverarbeitenden
Betrieben. Der
festere Zusammenschluß der
SPD-Parteifreunde stand an,
zumal die Freien Gewerkschaften
vorgearbeitet hatten. Besonders
aktiv muß in Paderborn der Zentralverband
der Zimmerer Deutschlands
gewesen sein, der sich bei
Bobbert in der Grube seßhaft
gemacht hatte. Zu einer solchen
Versammlung sagt der Gewerkschaftssekretär
Friedrich Werner,
Ludwigstraße, von den „Christlichen"
am 5. 1. 1910 folgendes
aus: „Soweit ich informiert bin,
verkehren in der Wirtschaft Bobbert
schon seit Jahren Mitglieder
sozialdemokratischer Vereine, so
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