75 Jahre Sozialdemokraten in Paderborn - SPD Paderborn

Position für eine Organisation
tätig, die der SPD schon immer
eng verbunden war, nämlich für
den DGB.
Die Integration der jungen Leute
in die Partei ging nicht problemlos
vonstatten. Dies wird deutlich in
einer Rede, die der scheidende
Unterbezirksvorsitzende Aloys
Schwarze beim Unterbezirksparteitag
1971 hielt.
Aus einer Rede
von Aloys Schwarze
UB-Parteitag 1971
Vor dem Hintergrund des Sprichwortes,
daß Ruhe die erste Bürgerpflicht
sei, erscheint der Generationengegensatz
heute als ein negativer
Kontrast zu der angeblich so
guten, alten Zeit der Vergangenheit,
der so viele ahnungslos nachtrauern.
Einer allzu bürgerlichen,
etablierten Vergangenheit, gegen
die die Jugend aus berechtigten
Gründen heute rebelliert, weil sie
Neues will, weil sie die Verhältnisse
ändern will. Sozialdemokrat
sein heißt: für Frieden, Freiheit
und soziale Gerechtigkeit kämpfen.
Was heißt das anders als — die
Welt verändern wollen!
Daß die jungen Menschen, denen
die Zukunft wichtiger ist als die
Vergangenheit, überwiegend
„links" stehen, hat mit Weltan-
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schauung nichts zu tun, sondern
einfach mit der Erkenntnis, daß
die Geschichte gerade unseres Volkes
gezeigt hat, daß Bewegungen
von „rechts" nie den Blick vorwärts
richteten, sondern immer nur
Vergangenes zementieren wollten.
Der Faschismus ist dafür die am
deutlichsten ausgeprägte Form.
Demokratie aber verlangt mehr als
nur ruhig und brav und gehorsam
zu sein.
Wenn Gehorsam eine politische
Tugend sein soll, dann haben wir
in der Vergangenheit politisch allzusehr
darunter gelitten, daß zu
wenige Bürger ungehorsam waren.
Warum, liebe Freunde, so könnte
man fragen, waren wir nach 1945
beim Neuanfang nach der furchtbaren
Katastrophe zwar auch zeitentsprechend
radikal, aber doch
gewiß gehorsamer als die Jugend
heute? Nicht nur, weil wir nach
dem Niedergang des Staates aus
Ruinen neu anfangen mußten, wieder
aufbauen mußten, weil wir mit
uns selbst zu sehr beschäftigt
waren. Nein, einfach auch deswegen,
weil wir es nicht verstanden
haben, in unserem traditionellen
Erziehungs- und Bildungssystem
den Ungehorsam zu kultivieren!
Auf der einen Seite, nämlich der
konservativ-bürgerlichen, wurde
nach dem Motto „Lieb' Vaterland,
magst ruhig sein ", jede Opposi-
tion, auch als Auflehnung gegen
das Bestehende, als staatszersetzend
angesehen (und wird es auch
heute noch, das brauche ich wohl
nicht hinzuzufügen).
Und auch bei uns, in unserer Partei,
laßt uns das offen eingestehen,
wurde mit dem politischen Ziel der
Angleichung an das bürgerliche
Lager zur schnelleren Erreichung
der politischen Verantwortung in
diesem Staat („Keine Experimente",
die Wahlslogans von CDU
und SPD waren auch aus demselben
Holz geschnitzt) eine ähnliche
Gefühlslage entwickelt in der
Organisation und mehr noch in
der Öffentlichkeit. Damit wurde
schließlich allerdings auch über die
„große Koalition" das gesteckte
Ziel erreicht: Wir stehen heute in
diesem Staat in der Verantwortung.
Das Aufbegehren der jungen Generation
gegen die beiden großen
politischen Weißmacher „Ruhe
und Ordnung" war und ist nichts
anderes als nur folgerichtig. Und
diese Rebellion hat ein neues
gesellschaftliches Bewußtsein
erzeugt, nämlich, wie Günter Grass
es einmal ausgedrückt hat: Sie hat
gezeigt, daß Unruhe die erste Bürgerpflicht
ist.