75 Jahre Sozialdemokraten in Paderborn - SPD Paderborn
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Setzungen mit den Nazis gehabt.<br />
Man war gegen die Nazis, aber<br />
gleichzeitig versuchte man zu<br />
sehen, „wie das Leben weitergehen<br />
konnte".<br />
<strong>Paderborn</strong> sah derweil, wie das<br />
übrige „Reich", Festumzüge und<br />
andere Propagandaveranstaltungen<br />
der Nazis, an denen sich mehr<br />
oder weniger auch die erst noch<br />
weiterexistierenden bürgerlichen<br />
Parteien oder die Stadt selbst<br />
beteiligten. So beim sogenannten<br />
„Tag von Potsdam", am 21. März<br />
1933, der zum Nationalfeiertag<br />
erklärt worden war. In e<strong>in</strong>em Pressebericht<br />
über die Feiern <strong>in</strong> <strong>Paderborn</strong><br />
heißt es dazu: „Noch lange<br />
bewegte sich e<strong>in</strong>e festlich gestimmte<br />
Menschenmenge durch die Straßen<br />
der Stadt. Überall sah und<br />
hörte man kle<strong>in</strong>ere Gruppen unter<br />
dem Gesang des Deutschlandliedes<br />
und des Horst- Wessel-Liedes den<br />
heimatlichen Penaten zustreben.<br />
Besonders die Schuljugend tat sich<br />
dabei hervor ...So wurde der<br />
historische Tag <strong>in</strong> <strong>Paderborn</strong> mit<br />
e<strong>in</strong>er — man kann wohl behaupten<br />
— seltenen Begeisterung begangen.<br />
Möge es e<strong>in</strong> Auftakt se<strong>in</strong> zu friedlicheren,<br />
besseren Zeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
gee<strong>in</strong>ten neuen Deutschland."<br />
Daß es nicht friedlich werden<br />
sollte, zeigte sich im ganzen erst<br />
später und doch für viele schon<br />
gleich zu Anfang des Dritten Rei-<br />
36<br />
ches. Die Verfolgungen, Verhaftungen,<br />
Verhöre und Folterungen und<br />
oft der Tod gehörten gleich zum<br />
Auftakt der Naziherrschaft, und,<br />
so war zu hören, die Kommunisten<br />
seien gleich verhaftet worden und<br />
„nicht wiedergekommen".<br />
Schon am 28. März war es <strong>in</strong><br />
<strong>Paderborn</strong> zum Boykott jüdischer<br />
Geschäfte gekommen. Manche versuchten<br />
wohl noch, diesen Boykott<br />
nicht wahrzunehmen, aber weiteres<br />
geschah nicht. Dafür aber ernannte<br />
die Stadt am 20. April Adolf Hitler<br />
e<strong>in</strong>stimmig zum Ehrenbürger<br />
von <strong>Paderborn</strong> — und das mit den<br />
Stimmen der <strong>Sozialdemokraten</strong>.<br />
Das Protokollbuch des Rates der<br />
Stadt weist es aus.<br />
Wieso? Warum? Aus den Interviews<br />
ergab sich ke<strong>in</strong>e Antwort auf<br />
die Frage. Unumstritten sche<strong>in</strong>t die<br />
Zustimmung der sozialdemokratischen<br />
Ratsherren nicht gewesen zu<br />
se<strong>in</strong>, wie die Interviewten berichteten.<br />
Was kann die <strong>Sozialdemokraten</strong><br />
im Rat veranlaßt haben, zuzustimmen?<br />
Man kann nur Vermutungen<br />
anstellen. Vielleicht ist dieses<br />
Verhalten e<strong>in</strong>e Folge des sozialdemokratischen<br />
Legalismus<br />
(Respekt vor Gesetzen, gewählten<br />
Gremien und Personen).<br />
Hitler war nicht e<strong>in</strong>fach nur der<br />
Führer der Nazipartei, ne<strong>in</strong>, er war<br />
Reichskanzler und damit e<strong>in</strong>e<br />
höchste Autorität. Die Ehrenbür-<br />
gerschaft für den Reichskanzler,<br />
wer hätte sie verweigern mögen?<br />
Autoritätsglaube auch der sozialdemokratischen<br />
Politik. Die E<strong>in</strong>mütigkeit<br />
der <strong>Paderborn</strong>er <strong>in</strong> den großen<br />
nationalen Fragen: vielleicht<br />
gehörte auch das dazu?<br />
Am 12. März hatte es noch e<strong>in</strong>mal<br />
Kommunalwahlen gegeben. Das<br />
Zentrum hatte immer noch 50,4 %<br />
(1929: 60,3 %) erhalten, die<br />
NSDAP, die 1929 nicht kandidiert<br />
hatte, bekam 23,4%, aber die<br />
Stimmen der <strong>SPD</strong> hatten sich halbiert<br />
von 16,8% auf 8,6%. Das<br />
waren statt 6 nur noch 3 Mandate.<br />
Die KPD erhielt e<strong>in</strong> wenig mehr:<br />
statt 1,2 (1929) jetzt 1,8%. Die<br />
letzten sozialdemokratischen Stadtverordneten<br />
waren He<strong>in</strong>rich<br />
Lück<strong>in</strong>g, Karl Denkner und Georg<br />
Gruber.<br />
Dazu noch e<strong>in</strong>e merkwürdig stimmende<br />
Anekdote, die man sich<br />
unter <strong>Sozialdemokraten</strong> erzählt:<br />
Die SA, heißt es, hätte vorgehabt,<br />
beim E<strong>in</strong>zug der neuen Stadtverordneten<br />
<strong>in</strong>s Rathaus die <strong>Sozialdemokraten</strong><br />
„anzurempeln". Als<br />
diese dann kamen, habe man von<br />
Seiten des SA-Trupps e<strong>in</strong> großes<br />
„Hallo" und Geschrei angestimmt<br />
und hätte auf die Stadtverordneten<br />
losgehen wollen. Da aber hätten<br />
sie gesehen, daß Georg Gruber<br />
se<strong>in</strong>e Kriegsauszeichnung, den<br />
Pour le merite, den höchsten