Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Meer. Seit der radikalen Öffnung der Grenzen für Spieler<br />
jeder Nationalität ist der Lebensstandard für die Nowitzkis<br />
der zweiten und dritten Kategorie hier zu Lande deutlich<br />
gesunken. Man spielt nicht unbedingt schlechter in der<br />
Bundesliga, aber mehr für weniger Geld. Gute Ausländer<br />
greifen für rund 35.000 bis 85.000 Euro (netto) nebst Wohnung<br />
und Auto pro Jahr zu. Und sind so stark, dass sie <strong>Deutsche</strong><br />
mehrfach aufwiegen: "Ich bekomme für einen Nationalspieler<br />
zwei bis drei Amerikaner von gleicher Qualität", sagt<br />
der Leverkusener Manager Otto Reintjes. Und so hat eine<br />
Landflucht eingesetzt. Das Gros der Nationalspieler wirft und<br />
dribbelt im Ausland. "Es geht sicher nicht nur ums Geld", sagt<br />
der frühere Frankfurter Aufbauspieler Pascal Roller, "aber in<br />
Italien oder Spanien kann man das Dreifache verdienen."<br />
Einen Spieler vom Format Demond Greene, der geschätzte<br />
250.000 Euro brutto erhalten soll, leisten sich allenfalls<br />
Bundesligagrößen wie Alba Berlin. Der Rest des deutschen<br />
Nachwuchses zwischen den Körben schaut sich die Bundesligapartien<br />
überwiegend von der Bank aus an: Die zehn<br />
Begabtesten im Alter bis zu 24 Jahren kommen auf Einsatzzeiten<br />
von durchschnittlich zehn Minuten, also auf ein Viertel<br />
der Spielzeit. Selbst Johannes Herber gehört dazu, ein Nationalspieler<br />
und WM-Teilnehmer. Dessen Handballkollegen sind<br />
in diesem Alter schon deutlich weiter. Michael Kraus darf sich<br />
nicht nur Weltmeister nennen. Der 23 Jahre alte Spielmacher<br />
übernahm auf dem Weg zum Titel spielentscheidende Verantwortung.<br />
Und was haben Sie gemacht? Als Profi auf der Bank gesessen!<br />
Das Risiko, mit spätestens 18 Jahren ganztags auf den<br />
Sport zu setzen und nach ein paar Jahren mehr oder weniger<br />
mittellos in einem Bewerbungsgespräch zu stranden,<br />
erscheint immer höher. Zumal die jüngste Bildungsoffensive<br />
jüngere Hochschulabsolventen mit größeren Qualifikationen<br />
zum Ziel hat. Konzerne wie Bayer Leverkusen bieten jungen<br />
Basketballspielern mit einer parallelen Ausbildung etwa zum<br />
Bürokaufmann zwar Perspektiven für das Leben nach dem<br />
Sport. Doch Bayer ist nicht überall. In ganz Deutschland aber<br />
klopfen Profis aus allen Herren Ländern an, die notfalls bereit<br />
sind, das Trikot für eine Handvoll Dollars (2.500 Euro) überzustreifen.<br />
"Da kann ich meinem Jungen doch nicht zur Basketballkarriere<br />
raten", sagt der Vater eines Junioren-Nationalspielers.<br />
Man spielt das Prinzip Hoffnung: "Aber wenn er<br />
doch das Zeug für einen Spitzenspieler hat?"<br />
André Lange ist ein Spitzenpilot. Der Star des Bobsports in<br />
den vergangenen Jahren, Weltmeister, Olympiasieger mit<br />
beiden Schlitten, hoch dekoriert mit allen möglichen Medaillen.<br />
Ein Schumacher des Eiskanals. Für die Rente wird er<br />
dennoch nach der Karriere schuften müssen. Selbst die<br />
besten Bobfahrer oder Rodler kommen pro Saison mit ihren<br />
Einkünften aus "selbstständiger Tätigkeit", Prämien für die<br />
Erfolge, kaum über 20.000 Euro hinaus. "Ich bin als Pilot",<br />
sagt Lange zu seiner Berufsbezeichnung, "in der glücklichen<br />
Lage, mich nicht auf andere Dinge konzentrieren zu müssen."<br />
Weil sein Lohn für die Erfolge im Namen der Bundesrepublik<br />
jeden Monat überwiesen wird: Lange steht im Sold der Bundeswehr.<br />
Wie die meisten deutschen Kollegen, wenn sie nicht<br />
bei der Bundespolizei eine Chance nutzen: ein geregeltes<br />
Einkommen trotz des Sonderauftrags fern der Truppe. In<br />
Oberhof oder auf allen Bahnen der nördlichen Hemisphäre<br />
wird zwar nicht unbedingt die Freiheit des Landes verteidigt,<br />
aber zur Freude der Regierung am Glanz des Vaterlandes<br />
poliert. Jedenfalls reicht dem Verteidigungs- und dem Innenminister<br />
der Image-Gewinn, die Finanzierung der Staats-<br />
Profis zur rechtfertigen. Zumal der Sport liefert: 65 Prozent<br />
aller Medaillen bei den Winterspielen in Turin wurden allein<br />
von Soldaten im Trainingsanzug gewonnen.<br />
Mit den Prämien, den Einnahmen durch persönliche Sponsoren,<br />
dem Gehalt des Dienstherren und der monatlichen<br />
Unterstützung durch die Stiftung <strong>Deutsche</strong> Sporthilfe lässt<br />
sich leben. Sparsame Zeitgenossen wie Lange bringen es mit<br />
30 zum Bau eines Häuschens. Zumal die Ausgaben im Winter<br />
überschaubar bleiben: Für Kost und Logis bei den Wettkämpfen,<br />
für den Transport zahlt der Verband, für Kleidung mitunter<br />
ein Sponsor. "Natürlich müssen unsere Athleten Spitzenleistungen<br />
bieten, immer wieder", sagt der Generalsekretär<br />
des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland, Stefan<br />
Krauß, "andernfalls fällt man relativ schnell aus der Förderung."<br />
Aber nicht wie aus heiterem Himmel in die Perspektivlosigkeit.<br />
Der junge Rodler, der es nie schaffte, der Ikone<br />
Georg Hackl oder Weltmeister David Möller im Eiskanal<br />
annähernd zu folgen, läuft inzwischen ganz zufrieden Streife<br />
in Dresden.<br />
Aber selbst ohne doppelten Boden und Netz muss man nicht<br />
untergehen. Ein erstklassiger deutscher Ruderer hat nach<br />
seiner Karriere laut Statistik einen Job als Steuermann in<br />
einem akademischen Beruf vor sich. Weil diese Amateure mit<br />
professioneller Einstellung ihre Wege wie wahre Lebenskünstler<br />
organisieren? Trainingslager zahlen die Vereine, wenn sie<br />
können. Andernfalls leiten die Sportler auch schon mal die<br />
"lebenswichtige" Elite-Förderung der Sporthilfe um. "Zeitmanagement"<br />
ist das Zauberwort, die erfolgreiche Bewältigung<br />
von Studium und Training die inoffizielle Reifeprüfung für<br />
höhere Aufgaben im wirklichen Leben. Der Sport als Schule.<br />
Denn auf größere Rücksicht sollte ein Ruderer nicht vertrauen,<br />
wenn er sich in die Riemen legen will. In Cambridge<br />
stehen deutsche Ruderer um 5.30 Uhr auf, um schon vor<br />
dem Studium das Training absolvieren und dem Unmut der<br />
Professoren entgehen zu können: Sie sollen Denker werden,<br />
nicht Ruderer, mahnen die Dozenten, falls die Leistung nachlässt.<br />
Handball-Spieler Immel setzt dagegen auf die Kombination<br />
von Körper und Geist zur Überwindung aller Hindernisse:<br />
"Ich mache mir keine Sorgen, wenn ich den Nachwuchs sehe.<br />
Da sind viele intelligente Kinder darunter. Die werden Spitzensport<br />
und Ausbildung gut verbinden."<br />
OF<br />
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