01.11.2012 Aufrufe

Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft

Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft

Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Spiele in Deutschland:<br />

Realität <strong>Von</strong> Ommo Grupe<br />

Friedlichkeit, Amateurismus sollten auch für die Spiele in<br />

Berlin Leitprinzipien sein, die es zu achten und umzusetzen<br />

galt. Diem hatte wohl gehofft, dass dies auch unter der Nazi-<br />

Diktatur möglich sei - was den sportlichen Teil der Spiele<br />

betraf, war dies sicherlich der Fall; was jedoch ihre "Ideologie"<br />

und ihren "Festcharakter" angeht, also ihre Verbindung mit<br />

Kultur, Kunst und Musik, war dies wesentlich schwieriger.<br />

Denn auch wenn Diem und Lewald geglaubt haben sollten,<br />

den politischen Missbrauch der Spiele durch die Nationalsozialisten<br />

vermeiden zu können, solche Erwartungen zerschellten<br />

letztendlich an der politischen Realität - wenn wohl auch<br />

nicht ganz. Die Urteile über die Berliner Spiele fallen deshalb<br />

unterschiedlich aus. Manche Sporthistoriker sprechen von der<br />

Nazi-Olympiade und von den Spielen unter dem Hakenkreuz;<br />

Philip Noel-Baker - langjähriger Minister in englischen Kabinetten,<br />

Friedensnobelpreisträger, Olympiateilnehmer und<br />

großer Freund des olympischen Sports - hingegen bedauerte<br />

sein Leben lang, dass er die Spiele 1936 wegen der Rassenpolitik<br />

Hitlers und der Nationalsozialisten<br />

boykottiert habe. Er bedauerte dies<br />

wegen der großen Athleten, die in Berlin<br />

starteten und deren Start er verpasste,<br />

und wegen der Kraft des Sports, die für<br />

ihn selbst im politischen Missbrauch<br />

noch sichtbar blieb. Sir Philip und später<br />

Lord schrieb dazu, dass die Spiele vor<br />

aller Welt sichtbar gemacht hätten, wie<br />

falsch, stupide und obszön der Rassismus<br />

Hitlers war, wie man in einem Brief<br />

von ihm an den "Guardian" vom März<br />

1980 lesen kann. Zur eigentlichen<br />

Botschaft der Spiele wurde: "that the<br />

greatest athletes in the world were black<br />

men". Und weiter: dass die Sportler in<br />

Berlin über die Grenzen von Rasse und<br />

Nation hinaus dem gleichen Ideal von<br />

Sportkameradschaft und Freundschaft<br />

verbunden waren. Diese Botschaft, die<br />

von den Spielen ausging, widerlegte<br />

nach Ansicht von Noel-Baker die Nazi-<br />

Ideologie und die Nazi-Politik - "to<br />

anyone with eyes to see". Christiane Eisenberg, die bekannte<br />

Historikerin und Sportgeschichtsexpertin, teilt offensichtlich<br />

diese Auffassung.<br />

Man kann Diem und Lewald sicherlich nicht vorwerfen, dass<br />

sie die Möglichkeit des olympischen Sports, zu Fairness,<br />

Friedlichkeit, Freundschaft und Kameradschaft beizutragen,<br />

überschätzt haben; überschätzt haben sie aber offensichtlich<br />

die Widerstands- und Abwehrkräfte des Sports gegen politischen<br />

Missbrauch. Im Nachhinein kann man solche Einschätzungen<br />

allerdings auch leichter als Fehleinschätzungen<br />

erkennen als in den Jahren bis 1936. Nur hat man dabei zu<br />

bedenken, dass die Erkenntnis, dass auch der olympische<br />

Sport ein politisches Phänomen ist, eine vergleichsweise neue<br />

Erkenntnis ist und dass diese Einsicht nicht zuletzt aus den<br />

bitteren Erfahrungen der nationalsozialistischen Ära erwuchs.<br />

Dies schließt zweierlei ein: einmal, dass die Umsetzung olympischer<br />

Ideale auch von politischen Voraussetzungen abhängig<br />

ist, und dann, wie gering die Möglichkeit einzuschätzen<br />

ist, umgekehrt diese Voraussetzungen mit Hilfe der olympischen<br />

Ideale zu verändern. Aber dies heißt nicht, dass sie<br />

überflüssig sind. Ideale liefern Kriterien zur Beurteilung der<br />

Realität, und sie stärken zumindest das Wissen darum, dass<br />

es auch anders und besser sein könnte und dass die Verletzung<br />

von Menschenrechten, dass Unfriedlichkeit und Unterdrückung<br />

zur <strong>Olympische</strong>n Idee in eindeutigem Widerspruch<br />

stehen.<br />

Die Spiele in München<br />

Es war Willi Daume, der sich in seinem Wirken von dem Ziel<br />

leiten ließ, das Coubertinsche Gedankenerbe "zeitgerecht" zu<br />

interpretieren und es praktisch und organisatorisch angemessen<br />

und konsequent umzusetzen. In der zu einer Demokratie<br />

geläuterten Bundesrepublik war dies für ihn allerdings auch<br />

leichter als in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur.<br />

Er wollte zeigen, dass <strong>Olympische</strong> Spiele "anders" aussehen<br />

können und doch "authentisch" bleiben. Mit viel Gespür<br />

dafür, wie <strong>Olympische</strong> Spiele gestaltet werden müssen, um in<br />

einer modernen Medienwelt Bestand haben zu können, ohne<br />

dabei ihren ideellen Gehalt preiszugeben, und auch über-<br />

53

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!