Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Spiele in Deutschland:<br />
Realität <strong>Von</strong> Ommo Grupe<br />
Friedlichkeit, Amateurismus sollten auch für die Spiele in<br />
Berlin Leitprinzipien sein, die es zu achten und umzusetzen<br />
galt. Diem hatte wohl gehofft, dass dies auch unter der Nazi-<br />
Diktatur möglich sei - was den sportlichen Teil der Spiele<br />
betraf, war dies sicherlich der Fall; was jedoch ihre "Ideologie"<br />
und ihren "Festcharakter" angeht, also ihre Verbindung mit<br />
Kultur, Kunst und Musik, war dies wesentlich schwieriger.<br />
Denn auch wenn Diem und Lewald geglaubt haben sollten,<br />
den politischen Missbrauch der Spiele durch die Nationalsozialisten<br />
vermeiden zu können, solche Erwartungen zerschellten<br />
letztendlich an der politischen Realität - wenn wohl auch<br />
nicht ganz. Die Urteile über die Berliner Spiele fallen deshalb<br />
unterschiedlich aus. Manche Sporthistoriker sprechen von der<br />
Nazi-Olympiade und von den Spielen unter dem Hakenkreuz;<br />
Philip Noel-Baker - langjähriger Minister in englischen Kabinetten,<br />
Friedensnobelpreisträger, Olympiateilnehmer und<br />
großer Freund des olympischen Sports - hingegen bedauerte<br />
sein Leben lang, dass er die Spiele 1936 wegen der Rassenpolitik<br />
Hitlers und der Nationalsozialisten<br />
boykottiert habe. Er bedauerte dies<br />
wegen der großen Athleten, die in Berlin<br />
starteten und deren Start er verpasste,<br />
und wegen der Kraft des Sports, die für<br />
ihn selbst im politischen Missbrauch<br />
noch sichtbar blieb. Sir Philip und später<br />
Lord schrieb dazu, dass die Spiele vor<br />
aller Welt sichtbar gemacht hätten, wie<br />
falsch, stupide und obszön der Rassismus<br />
Hitlers war, wie man in einem Brief<br />
von ihm an den "Guardian" vom März<br />
1980 lesen kann. Zur eigentlichen<br />
Botschaft der Spiele wurde: "that the<br />
greatest athletes in the world were black<br />
men". Und weiter: dass die Sportler in<br />
Berlin über die Grenzen von Rasse und<br />
Nation hinaus dem gleichen Ideal von<br />
Sportkameradschaft und Freundschaft<br />
verbunden waren. Diese Botschaft, die<br />
von den Spielen ausging, widerlegte<br />
nach Ansicht von Noel-Baker die Nazi-<br />
Ideologie und die Nazi-Politik - "to<br />
anyone with eyes to see". Christiane Eisenberg, die bekannte<br />
Historikerin und Sportgeschichtsexpertin, teilt offensichtlich<br />
diese Auffassung.<br />
Man kann Diem und Lewald sicherlich nicht vorwerfen, dass<br />
sie die Möglichkeit des olympischen Sports, zu Fairness,<br />
Friedlichkeit, Freundschaft und Kameradschaft beizutragen,<br />
überschätzt haben; überschätzt haben sie aber offensichtlich<br />
die Widerstands- und Abwehrkräfte des Sports gegen politischen<br />
Missbrauch. Im Nachhinein kann man solche Einschätzungen<br />
allerdings auch leichter als Fehleinschätzungen<br />
erkennen als in den Jahren bis 1936. Nur hat man dabei zu<br />
bedenken, dass die Erkenntnis, dass auch der olympische<br />
Sport ein politisches Phänomen ist, eine vergleichsweise neue<br />
Erkenntnis ist und dass diese Einsicht nicht zuletzt aus den<br />
bitteren Erfahrungen der nationalsozialistischen Ära erwuchs.<br />
Dies schließt zweierlei ein: einmal, dass die Umsetzung olympischer<br />
Ideale auch von politischen Voraussetzungen abhängig<br />
ist, und dann, wie gering die Möglichkeit einzuschätzen<br />
ist, umgekehrt diese Voraussetzungen mit Hilfe der olympischen<br />
Ideale zu verändern. Aber dies heißt nicht, dass sie<br />
überflüssig sind. Ideale liefern Kriterien zur Beurteilung der<br />
Realität, und sie stärken zumindest das Wissen darum, dass<br />
es auch anders und besser sein könnte und dass die Verletzung<br />
von Menschenrechten, dass Unfriedlichkeit und Unterdrückung<br />
zur <strong>Olympische</strong>n Idee in eindeutigem Widerspruch<br />
stehen.<br />
Die Spiele in München<br />
Es war Willi Daume, der sich in seinem Wirken von dem Ziel<br />
leiten ließ, das Coubertinsche Gedankenerbe "zeitgerecht" zu<br />
interpretieren und es praktisch und organisatorisch angemessen<br />
und konsequent umzusetzen. In der zu einer Demokratie<br />
geläuterten Bundesrepublik war dies für ihn allerdings auch<br />
leichter als in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur.<br />
Er wollte zeigen, dass <strong>Olympische</strong> Spiele "anders" aussehen<br />
können und doch "authentisch" bleiben. Mit viel Gespür<br />
dafür, wie <strong>Olympische</strong> Spiele gestaltet werden müssen, um in<br />
einer modernen Medienwelt Bestand haben zu können, ohne<br />
dabei ihren ideellen Gehalt preiszugeben, und auch über-<br />
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