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Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft

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Das entschiedene Gegenteil von Legionärswesen und<br />

Söldnertum hat im deutschen Sport einen Namen:<br />

Sven Felski heißt der Mann, der trotz seiner 32 Jahre<br />

noch nie bei einem anderen als seinem Berliner Heimatverein<br />

auf Torjagd ging. Der Eishockeyspieler hat für das Profiteam<br />

des EHC Eisbären gerade seine 15. Saison absolviert und noch<br />

einen laufenden Vertrag bis 2008. Die Beständigkeit des<br />

"ewigen Eisbären" sucht hier zu Lande ihresgleichen und ist<br />

im modernen Berufssport gleichermaßen mustergültig und<br />

anachronistisch. "Es ist ein komisches Gefühl, dass pausenlos<br />

neue Spieler kommen und man selber immer noch da ist.<br />

Manchmal fühlt man sich richtig blöd", beschreibt Felski den<br />

Zwiespalt. "Das Geschäft ist so schnelllebig, da ist es fast<br />

unmöglich, dass es so etwas noch gibt. Ich staune manchmal<br />

selber darüber. Andererseits finde ich es schade, dass so<br />

etwas ausstirbt. Wenn die Profis ihren Vereinen, in denen sie<br />

ausgebildet und groß geworden sind, etwas zurückgeben,<br />

dann ist das doch gut. Wir haben zwar einige junge deutsche<br />

Spieler im DEL-Team, aber von ihnen kommt kein einziger aus<br />

Berlin. Das finde ich sehr schade. Wenn ich bedenke, dass die<br />

Jungen gleich am Beginn ihrer Karriere zwei Mal Meister<br />

geworden sind und ich über 15 Jahre darauf warten musste…"<br />

Der Kufencrack, der für die Eisbären und den Vorgänger-Club<br />

EHC Dynamo schon 710 Partien in der Bundesliga bzw. in der<br />

<strong>Deutsche</strong>n Eishockey-Liga (DEL) absolvierte und damit einen<br />

einsamen Klubrekord hält, staunt in ruhigen Stunden manchmal<br />

selbst über sich. "Wahnsinn", spricht es dann in ihm.<br />

"Wahnsinn, wie viele Spieler ich in meiner Zeit hier kennen<br />

gelernt habe! Ich könnte heute nicht mehr sagen, wer vor<br />

drei oder vier Jahren in unserer Mannschaft gewesen ist. Das<br />

ist eigentlich noch nicht lange her, aber ich könnte es nicht<br />

sagen und die Fans wissen es bestimmt auch nicht." Während<br />

Kritiker meinen, das Wechselkarussell im bezahlten Sport<br />

dreht sich heute so schnell, dass die Fans kaum mehr die<br />

Namen der Spieler auf Rasen, Eis oder Parkett unfallfrei<br />

aussprechen können, verhält es sich beim Eisbären-Anhang<br />

mit der Personalie Felski komplett anders. Der Berliner Junge<br />

wird vom Publikum geradezu als Kultfigur verehrt. "Meinen<br />

Namen können die Eisbären-Fans ganz gut aussprechen, das<br />

ist schön. Vor allem die Fans wissen es zu würdigen, wenn ein<br />

Spieler an einem Verein hängt", weiß das "Urgestein". "Andererseits<br />

ist es eine Herausforderung für mich, jedes Jahr mit<br />

neuen Jungs zu arbeiten. Ich glaube nicht, dass ich hier einen<br />

Bonus habe und muss mich in der Mannschaft jedes Jahr neu<br />

durchsetzen."<br />

Wie oft Felski zu Beginn jeder Saison die Neuankömmlinge<br />

aus Kanada, den USA, Schweden, Finnland oder Tschechien in<br />

die örtlichen Bedingungen im und am Stadion in Berlin-<br />

Hohenschönhausen eingeweiht hat und wie oft er sich für<br />

die Arbeitskollegen als uneigennütziger Berlin-Führer verdient<br />

gemacht hat, weiß er nicht zu sagen. In jedem Fall ist<br />

es ein großer Vorteil für die "Wandervögel" in der Branche,<br />

dass sie mit Felski einen wirklichen Insider in ihren Reihen<br />

haben, wenngleich der besondere Status innerhalb der<br />

Mannschaft kaum Würdigung erfährt. "Die Neuen fragen am<br />

Anfang der Saison meistens danach, wo man gut essen<br />

gehen oder wo man bestimmte Sachen einkaufen kann, oder<br />

sie erkundigen sich nach den Sehenswürdigkeiten in der<br />

Stadt. Woher man kommt und welche sportlichen Stationen<br />

man hinter sich hat, das interessiert normalerweise kaum",<br />

berichtet Felski, der mit Frau Manuela und Töchterchen Laura<br />

(7) im Stadtteil Pankow zuhause ist und einst noch vor dem<br />

Mauerfall von der Eiskunstlauf-Abteilung des SC Dynamo<br />

Berlin zu den Puckjägern wechselte.<br />

Bei besonders wichtigen Siegen zeigt er nach der Schlusssirene<br />

hin und wieder trotz Montur noch einen kleinen Drehsprung<br />

und facht damit den Jubel der Fans zusätzlich an.<br />

Einer der Team-Kollegen, der sich ausnahmsweise stark für<br />

Felskis spezielle Sportler-Vita interessierte, ist der Schwede<br />

Thomas Steen gewesen. In der nordamerikanischen Profiliga<br />

NHL selbst viele Jahre und beinahe eintausend Matches lang<br />

bei den Winnipeg Jets unter Vertrag und dort selbst eine<br />

lebende Legende, hatte Steen seinen jüngeren Berliner Kollegen<br />

wohl auch wegen dieser Parallelen besonders geschätzt.<br />

"Er wollte von mir sehr genau wissen, wie es hier früher im<br />

Verein war. Meistens interessieren sich Profis für solche<br />

Dinge, die es von ihrem Format her gar nicht nötig hätten,<br />

sich intensiver damit zu beschäftigen."<br />

Für Spezies von Mitspielern vom Schlage eines Steen hat<br />

Felski inzwischen eine ebenso feine Nase entwickelt wie für<br />

die besonderen Einzelheiten von Berufsauffassungen innerhalb<br />

der Mannschaft. "Es gibt Profis, die sich mit dem Verein,<br />

für den sie spielen, identifizieren wollen, und es gibt andere,<br />

die hier nur jeden Monat ihr Geld abholen wollen. Denen ist<br />

es egal, ob sie ein rotes oder ein blaues Trikot anhaben.<br />

Söldner eben", schildert Felski seine jahrelangen Beobachtungen.<br />

In Bezug auf die Fußball-Bundesliga hatte Franz Beckenbauer<br />

die "Söldner-Mentalität" Ende vergangenen Jahres<br />

scharf kritisiert. "Bei vielen Profis herrscht inzwischen eine<br />

Söldner-Mentalität. Klappt's beim einen nicht, gehe ich halt<br />

zum nächsten. Ich weiß nicht, wie lange sich die Vereine eine<br />

solche Einstellung gefallen lassen", hatte die Lichtgestalt des<br />

deutschen Fußballs in einer Kolumne gefragt und zugleich<br />

für Ausländerbeschränkungen plädiert, wie sie zum Beispiel<br />

in der DEL schon lange Praxis sind. In jeder Bundesliga-Elf<br />

sollten laut Beckenbauer mindestens sechs Spieler stehen, die<br />

für die deutsche Nationalmannschaft spielberechtigt sind.<br />

"Die interessieren sich für gar nichts und sind meistens schon<br />

daran zu erkennen, dass sie jede Saison für ein anderes Team<br />

spielen. Bei denen kann ich Vieles nicht nachvollziehen", gibt<br />

der 103-malige deutsche Eishockey-Nationalspieler Felski<br />

seine persönlichen Eindrücke wider. "Genau so wenig können<br />

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