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Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft

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zeugt, mit den Spielen nicht nur etwas von einem neuen<br />

politischen und kulturellen Selbstverständnis Deutschlands -<br />

friedlicher, entspannter, gelassener, farbiger, internationaler<br />

und weltoffener - sichtbar machen zu können, gelang es ihm,<br />

nicht nur die Spiele für 1972 nach München zu holen, sondern<br />

sie auch nach diesen Vorstellungen zu planen und zu<br />

organisieren. Dabei wusste er sehr wohl, dass der Weg dahin<br />

auch vor politischen Einflussnahmen nicht sicher war. Man<br />

musste dazu nicht an 1936 erinnern; auch nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg war es schwer, den olympischen Sport von den Ost-<br />

West-Konflikten frei zu halten.<br />

Daume stand wie Coubertin in der Tradition gebildeten und<br />

weltoffenen europäischen Denkens, der Kunst, Literatur und<br />

Musik der Welt, aber auch den aufklärerischen Vorstellungen<br />

des 19. Jahrhunderts: Dies wollte er alles (irgendwie) mit dem<br />

Sport verknüpfen und umgekehrt das von vielen als eigentlich<br />

unversöhnlich Angesehene so weit möglich in einem<br />

Neuen versöhnen, dies nicht nur theoretisch, sondern auch<br />

praktisch. Dies hieß für ihn, vor allem im Sport mehr zu sehen<br />

als nur Sport. Sport war für Daume Ausdruck und Teil des<br />

kulturellen Lebens mit engen Beziehungen zu Kunst, Musik,<br />

Theater und Literatur und zu gesellschaftlichen Institutionen<br />

wie Schule, Wissenschaft und Kirchen. So weit diese Beziehungen<br />

nicht oder noch nicht ernst genommen wurden,<br />

musste man dies korrigieren. Die <strong>Olympische</strong>n Spiele boten<br />

dazu in besonderer Weise Anlass und Gelegenheit.<br />

Daume nannte die ihn dabei leitende <strong>Olympische</strong> Idee eine<br />

"Menschheitsidee". Sie sei universal, hatte Avery Brundage in<br />

Tokio erklärt, als er den Olympismus als die "Religion des 20.<br />

Jahrhunderts" bezeichnete. Obwohl Daume dessen Prinzipientreue<br />

lobte - gegenüber einer solchen Vermischung des<br />

<strong>Olympische</strong>n mit dem Religiösen war er skeptisch.<br />

Olympisch: Das ist für Daume die Idee der Leistung. Sie steht<br />

aber für mehr als nur für das Messbare und Bewertbare. Sie<br />

soll Ausdruck der Arbeit an sich selbst sein, ein Medium der<br />

Selbsterprobung. Nicht das Ergebnis, der Weg ist das Wichtige,<br />

so formulierte er in Anlehnung an Erich Fromm.<br />

Olympisch: Das steht für die Bildung von Körper, Kopf und<br />

Herz, also für die Verbindung von Athletik, Klarheit der<br />

Gedanken und Fairness im Handeln. Die sportlich-olympische<br />

Hochleistung ist ihre schönste Ausdrucksform; aber das<br />

Prinzip, das sie leitet, soll möglichst für alle Leistungs- und<br />

Altersstufen gelten.<br />

Olympisch: Das ist die Idee der Fairness. Fairness unterscheidet<br />

den Sport von bloßem Körpertraining und folgenlosem<br />

Zeitvertreib. Die Einhaltung sportlicher Regeln, der Verzicht<br />

auf unberechtigte Vorteile, dies bedeutet, den Sport auf eine<br />

höhere kulturelle Stufe zu stellen. Die Zukunft des Sports<br />

hängt für Daume davon ab, ob er sich von dieser Idee der<br />

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Fairness leiten lässt. Aber Daume wusste auch, dass es ein<br />

langer Weg ist, der gegangen werden muss, dies zu erreichen.<br />

Er machte selbst seine bitteren Erfahrungen als Vorsitzender<br />

von nationalen und internationalen Fair Play-Initiativen, aber<br />

auch seine positiven, da sich immer wieder großartige Sportlerinnen<br />

und Sportler fanden, die mit dem von ihm initiierten<br />

Fairnesspreis ausgezeichnet werden konnten, übrigens einer<br />

der wenigen Sportpreise, die auch einen hohen künstlerischen<br />

Wert haben.<br />

Olympisch: Das ist auch für Daume eine Idee des Friedens.<br />

Der Olympismus löst Konflikte nicht, aber er kann ein Modell<br />

für den Umgang mit Konflikten sein. Er setzt die Akzeptanz<br />

des kulturellen Andersseins und die Toleranz für weltanschauliche<br />

und religiöse Unterschiede voraus. Man muss die kulturelle<br />

Vielfalt für eine Bereicherung der Menschheit halten; ihr<br />

Gegenteil hieße Eintönigkeit. Vor allem in diesem Sinne war<br />

der Sport für Daume politisch; für unpolitisch hat er ihn im<br />

Grunde nie gehalten. Gegen die politische Inanspruchnahme<br />

des Sports - für welche Zwecke auch immer - hat er sich<br />

entschieden gewandt, ist dabei manches Mal auch unterle-

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