Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Städtekurzreisen - komfortable Hotels bieten ihre an<br />
Wochenenden freien Kapazitäten günstig an - wird nicht<br />
mehr allein durch Musicals und Museen erfüllt, sondern<br />
immer mehr durch spektakuläre Sportevents. Bei den großen<br />
Stadtmarathons ist das seit längerem zu bilanzieren (beim<br />
Berlin-Marathon werden Umsatzsteigerungen von 50 Millionen<br />
Euro geschätzt), Olympia findet vor den Augen von einer<br />
Million ausländischer Touristen vor Ort statt, Länderspiele<br />
werden zunehmend mehr zu Bildungsurlauben. Und seinen<br />
vorläufigen Höhepunkt fand die Entwicklung bei der Fußball-<br />
WM 2006, als 2 Millionen ausländische Enthusiasten ohne<br />
Plan und Platz im Stadion nach Deutschland reisten, nur um<br />
bei der großen Party dabei zu sein und ihr schließlich das<br />
einzigartige internationale Flair zu verschaffen. Mit dem<br />
Public Viewing auf den großen Marktplätzen waren sie dann<br />
mehr dabei als manche teuren Ticketinhaber im hochgesicherten<br />
Stadion. Die Fußball-EM 2008 in Österreich und der<br />
Schweiz wird die Invasion der Fans und Flaneure bestätigen,<br />
wobei die kleineren Stadien den Drang auf die Plätze mit<br />
Video Walls noch erhöhen werden.<br />
Erfolgreiche Großveranstaltungen sind kein Naturereignis und<br />
keine Selbstverständlichkeit. Sie haben technische, soziale<br />
und kulturelle Gründe, die es jeweils originell organisatorisch<br />
aufzugreifen gilt. Nur dann wird der Sport seine führende<br />
Rolle im üppigen Eventangebot halten. Nicht zuletzt schläft<br />
die außersportliche Konkurrenz nicht: Rockkonzerte, Gesangsund<br />
Filmfesivals, Kirchentage, Papstbesuche, Motorradmeetings<br />
sind Beispiele für massenhafte Selbstverständigung.<br />
Was macht den Sport zum unumstrittenen Premiumprodukt<br />
im Eventangebot? Eine spannungsvolle Bewegungsanalyse,<br />
die vor rund 200 Jahren beginnt.<br />
Der moderne Wettkampfsport mit Reiten, Rudern, später<br />
Fußball, Rugby, Tennis ist zunächst keine Sache für Zuschauer<br />
gewesen bzw. nur dort, wo das Wetten um den Sieg eine<br />
große Rolle spielte. Beim Fußball dauerte es über 50 Jahre, bis<br />
eine fünfstellige Zuschauerzahl erreicht wurde - zunächst<br />
musste eine aus eigener Praxis geborene Expertenschaft und<br />
dann eine neuartige Stadionarchitektur erwachsen. Erst mit<br />
Fernsehübertragungen seit 1950 konnten Milliarden von<br />
Zuschauern bei Weltereignissen erreicht werden und verhalfen<br />
umgekehrt dem Sport zu seiner unglaublichen Popularität.<br />
Zuschauen zwischen Identifikation<br />
und Projektion<br />
Was aber macht den Sport so ansehnlich? Früher war es die<br />
Identifikation mit den Erfolgen von "unseren" Sportlern und<br />
Mannschaften - sie standen für die eigene Schule, den Verein,<br />
die Region oder Religion, den Betrieb oder die gesellschaftli-<br />
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che Klasse und schließlich - mit der Realisierung des Nationalstaatsgedankens<br />
- für die eigene Nation. Olympia, Weltmeisterschaften<br />
und Länderspiele geben dafür die sportliche Form.<br />
Das ist auch heute noch so, wenngleich eher symbolisch - die<br />
Identifizierung mit einer Bundesligamannschaft, die ganz<br />
überwiegend aus Fußballnomaden unterschiedlichster Erdteile<br />
besteht, hat keinen kommunalen oder klassenspezifischen<br />
Bezug. Und der Gedanke ist vielleicht nicht ganz abwegig,<br />
dass irgendwann einmal Global Player eigene Mannschaften<br />
aufs Spielfeld schicken werden. Brauchen Nike und Adidas auf<br />
ewig den DFB mit seiner Nationalmannschaft?<br />
In der hochentwickelten Mediengesellschaft, in der innovative<br />
Kommunikationstechnologien die Arbeit immer stärker<br />
intensivieren und die eigene körperliche Anstrengung zurückdrängen,<br />
wird der Wunsch nach Entspannung und Ausgleich<br />
drängender. Ansehnlicher Sport bietet - im Unterschied zu<br />
Musik und Theater - authentische Spannung mit leibhaftiger<br />
Präsentation. So kommt bei einem Fußballspiel, im Grunde<br />
bei jedem sportlichen Kampf der unvorhersehbare Ablauf, die