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Von Steffen Haffner - Deutsche Olympische Gesellschaft

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Prozent der 15-Jährigen beklagen sich über die Sprachlosigkeit<br />

- dass sich Väter und Mütter zu wenig Zeit nehmen, um<br />

mit ihnen zu reden. Also auch nicht mitbekommen, dass sie<br />

Liebeskummer haben, oder Essstörungen, dass sie in der<br />

Klasse, mit Lehrern oder Ausbildern Probleme haben.<br />

Ganz zu schweigen vom regelmäßigen Trinken und davon,<br />

dass manche Kids schon mit elf Jahren Kettenraucher sind.<br />

Nirgends, so belegt UNICEF, gibt es unter den 11-, 13- und<br />

15-Jährigen so viele Raucher wie in Deutschland. Auch beim<br />

Alkohol greifen deutsche Jugendliche gerne zu - nur britische<br />

Kids sehen noch öfter zu tief ins Glas. Bei gesunder<br />

Ernährung halten sich Kinder und Jugendliche dagegen eher<br />

zurück. Und in Deutschland kommt zum Beispiel rund ein<br />

Drittel der Befragten ohne Frühstück zur Schule. Auch Sport<br />

treibt - da ähneln sich wie in den Ernährungsfragen die<br />

Ergebnisse aller Länder - nur ein Drittel der Befragten an<br />

fünf Tagen in der Woche. Eltern sind auch da Meister des<br />

Verdrängens und Wegguckens: Kritik von außen wird oft<br />

sofort als "falsch und ungerechtfertigt" zurückgewiesen:<br />

denn Fehler zugeben würde ja auch bedeuten, mal selbst zu<br />

reflektieren, wie das mit der Erziehung der eigenen Sprösslinge<br />

eigentlich so läuft. Ursachenforschung? Nein, die<br />

anderen sind schuld.<br />

Egoismus ist alles. Über die Stränge schlagen wird sogar<br />

noch belohnt: Mit den Worten: "Ist ja alles nicht so schlimm.<br />

Hier hast Du 20 Euro - mach Dir einen schönen Nachmittag",<br />

reagierte eine Mutter auf Schmierereien ihres Filius an der<br />

Eingangstür der Schule. Und schon brauste Mama vom Hof.<br />

Das ist eine Gewissen beruhigende Erziehungsstrategie<br />

mancher Eltern. Und so braucht man sich nicht zu wundern,<br />

wenn schon im Kindergarten kleine Zicken und kleine<br />

Machos die "Bestimmer" sind und diese Rolle auch nicht<br />

mehr abgeben werden. Eltern als Vorbild? Häufig taugen sie<br />

nicht dafür.<br />

Wenn niemand von der Familie oder kein Lehrer da ist, mit<br />

dem das Kind oder der Teenie sich unterhalten können, dann<br />

suchen sie sich jemanden anderen: Das mag die beste Freundin<br />

sein oder die Gang. Oder sie bleiben allein, vertreiben<br />

sich die Zeit am Computer oder Fernsehen, an Spielautomaten<br />

oder sie hängen einfach rum. Manchmal sind Jugendzentrum<br />

oder Sportverein eine Art Zufluchtsort, wo sie im<br />

Übungsleiter einen Zuhörer finden und in den Mitspielern so<br />

etwas wie Leidensgenossen sehen. "Hier sind Leute, die sich<br />

für mich interessieren. Wir reden nicht nur über Basketball,<br />

sondern auch über Schule, Freundin und so", antwortet Felix<br />

auf die Frage, warum er nahezu jeden Tag im Vereinsheim<br />

aufläuft, obwohl er kein Training hat. Und ist sich da mit den<br />

Probanden der UNICEF-Studie einig: 70 Prozent bejahten die<br />

Frage, ob sie ihre Altersgenossen freundlich und hilfsbereit<br />

finden. Hier schneidet Deutschland überdurchschnittlich gut<br />

ab. Der 14-jährige Felix hat zu Hause alles - nur niemanden,<br />

46<br />

der auf ihn wartet. "Meine Eltern kommen meist nicht vor<br />

20.00 Uhr. Da bin ich halt lieber hier", sagt der Gymnasiast.<br />

Und da haben die Eltern Glück. Manche landen auch bei<br />

rechten Rattenfängern. Elf-, Zwölfjährige aus Felix' Schule<br />

treffen sich auf einem Spielplatz, wo die Flasche kreist. "Da<br />

merken die Eltern nicht einmal, dass die erst gegen 22.00<br />

Uhr zu Hause sind - mit einer Fahne." Bis zu dem Moment,<br />

wo Fremde dann nicht wegschauen und mal die Polizei zu<br />

dem "Treffpunkt" rufen. "Da war dann was los", sagt Felix.<br />

"Die Eltern standen Kopf."<br />

Natürlich bleiben auch nicht immer vor dem Klubhaus die<br />

Probleme draußen. "Bier trinken habe ich beim Rudern<br />

gelernt. Da haben<br />

uns die Alten<br />

Herrn immer zu<br />

einer Runde<br />

eingeladen", sagt<br />

Mark, aber bei<br />

ihm blieb alles im<br />

Rahmen. Andere<br />

haben dagegen im<br />

Sportverein auch<br />

schon mal eine<br />

Saufkarriere<br />

begonnen. "Die<br />

sind dann irgendwie<br />

schon anfällig,<br />

labil", sagt<br />

Übungsleiter Jan,<br />

der sich in den<br />

letzten Jahren<br />

öfter "als<br />

Gesprächstherapeut<br />

und Sozialarbeiter,<br />

Tröster und<br />

Ratgeber" gefordert<br />

sieht, denn<br />

als Tennis-Trainer.<br />

Der Verein als<br />

Wohnzimmer,<br />

Sozialstation,<br />

Gesundbrunnen<br />

und Kommunikationszentrum.<br />

Über ihn sind<br />

gesellschaftliche<br />

Probleme und<br />

Verweigerungshaltung<br />

besonders<br />

im Kinder- und<br />

Jugendbereich<br />

hereingebrochen.

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