Stefan f l Gergely - stefan m. gergely
Stefan f l Gergely - stefan m. gergely
Stefan f l Gergely - stefan m. gergely
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
gelbert Washietl in der »Presse«; »Die Fernwirkungen, die vom geschmolzenen<br />
Reaktorkern in der Ukraine ausstrahlen, scheinen Gott sei<br />
Dank nicht apokalytisch zu sein. Aber allein das, was in Österreich in<br />
einer improvisierten Notmaßnahme durchgeführt wird, ist alarmierend<br />
genug, weil plötzlich für lähmende Augenblicke die absurden Aspekte<br />
der Industriegesellschaft sichtbar werden: Nicht die Eier der bodenscharrenden<br />
Naturhühner sind zu empfehlen, sondern die aus den Legebatterien;<br />
nicht der Salat aus dem Schrebergarten, sondern der Salat<br />
aus dem Glashaus; zum Glück auch kommt das meiste Fleisch von den<br />
in lebende Fleischfabriken umgewandelten Rindern, denen sich beim<br />
Anblick von Grünfutter sowieso schon der Magen umdreht«<br />
Mittlerweile hat sich auch die sowjetische Informationspolitik bezüglich<br />
des Reaktorunglücks geändert. Immerhin neun Tage hat die Sowjetführung<br />
offenbar für den Beschluß benötigt, die fast totale Nachrichtensperre<br />
aufzuheben. Nachdem am vergangenen Sonntagabend das sowjetische<br />
Fernsehen in einer Nachrichensendung erste knappe Luftaufnahmen<br />
vom zerstörten Reaktorblock und der Landwirtschaft um<br />
Tschernobyl ausgestrahlt hatte, drucken im Laufe der Woche die einzelnen<br />
sowjetischen Zeitungen erste Reportagen ihrer Korrespondenten<br />
aus dem Unglücksgebiet. Diese ermöglichen weitere Aufschlüsse über<br />
den Hergang der Katastrophe, lassen aber noch immer viele Fragen offen<br />
: Immerhin vier Stunden brauchte man, stellt sich nun heraus, um die<br />
25.000 Einwohner des Städtchens Pripjat, wo vor allem die Kraftwerksarbeiter<br />
wohnten, zu evakuieren. In diesen vier Stunden waren also tausende<br />
Menschen sehr wahrscheinlich höchster Radioaktivität ausgesetzt<br />
Die Komsomolskaja Prawda meint, die Evakuierung in Tschernobyl<br />
habe nur knapp drei Stunden gedauert, ein Großteil der Leute sei nach<br />
Kiew gebracht worden. In Kiew selbst gebe es keine Panik, das Leben<br />
laufe normal, die Wirtschaft funktioniere.<br />
In einer offiziellen Mitteilung des Ministerrates der UdSSR heißt es,<br />
man habe den Fluß Pripjat im Gebiete des beschädigten Kraftwerks eingedeicht,<br />
um eine mögliche »Verschmutzung« zu verhindern. Beobachter<br />
schließen nicht aus, daß radioaktives Flußwasser aus der Ukraine bereits<br />
ins Schwarze Meer gelangt ist, und damit das Umfeld der Krim,<br />
eines der beliebtesten Urlaubsgebiete der UdSSR, beeinträchtigt hat. Inzwischen<br />
trafen in Moskau mehrere westliche Spezialisten für Atomenergie,<br />
darunter auch der Leiter der Internationalen Atomenergieagentur<br />
in Wien, Hans Blix, ein. Seit vergangenem Wochenende arbeitet<br />
in Moskau der Knochenmarkspezialist Dr. Robert Gale; er behandelt<br />
aus Tschernobyl nach Moskau eingeflogene Strahlenkranke. Ihr<br />
Zustand, diagnostiziert Gale, sei ernst, aber er habe ähnliche Kranke bereits<br />
früher behandelt<br />
Die Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft verständigen sich<br />
auf einen generellen Einfuhrstopp für frische Lebensmittel aus östlichen<br />
18