05.08.2014 Aufrufe

Stefan f l Gergely - stefan m. gergely

Stefan f l Gergely - stefan m. gergely

Stefan f l Gergely - stefan m. gergely

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

»Man hat uns belogen«, entrüstet sich nun, zwei Wochen nach dem Reaktorunglück,<br />

ein sonst betont zurückhaltender Präsentator einer aktuellen<br />

Sendung des französischen Femsehens. Der Zorn scheint berechtigt:<br />

Seit der Reaktorkatastrophe in der Ukraine hatten die mit der<br />

Überwachung der Radioaktivität beauftragten Amtsstellen den Franzosen<br />

einzureden versucht, die »Todeswolke« sei Dank einem (offenbar<br />

frankophilen) »Azorenhoch« präzise über dem Rhein, über dem Jura<br />

und den Alpen zum stehen gekommen und habe dort brav kehrt gemacht.<br />

Wer sich zur Frage erkühnte, warum zum Beispiel in Kehl der<br />

Genuß von Salat und Spinat verboten, im unmittelbar danebenliegenden<br />

Straßbuig aber erlaubt sei, erhielt als Antwort einen verächtlichen Hinweis<br />

auf die »typisch deutsche Hysterie«. Die Gründe für das wohl dirigierte<br />

Verdunklungsmanöver sind klar: Frankreich ist mit 40 Reaktoranlagen,<br />

gemessen an der Größe des Landes und seiner Bevölkerung, bei<br />

der Nutzung der Kernkraft am weitesten: 65 Prozent ihres Strombedarfes<br />

werden inzwischen aus Atomkraftwerken gedeckt. Kernenergie stellt<br />

seit langem in Frankreich ein Tabu-Thema dar; sie zu kritisieren, kommt<br />

einer Nestbeschmutzung gleich. Deshalb konnte der Leiter des Amtes<br />

für Strahlenschutz zunächst jegliche Gefahr ableugnen, ohne kritisiert<br />

zu werden. Plötzlich aber brechen die Dämme: Die alarmierenden Meldungen<br />

aus den Nachbarländern lassen sich nicht länger unterdrücken,<br />

Bauern aus der Provence erscheinen vor den Fernsehkameras mit ihrem<br />

verseuchten Gemüse und mit ihrer Milch, die man an der Grenze zur<br />

Schweiz und zu Deutschland zurückgewiesen hat Mit großer Verspätung<br />

stellt sich heraus, daß am 2. Mai über dem größten Teil Frankreichs<br />

eine radioaktive Belastung der Atmosphäre gegeben war, die bis<br />

zu 400 Mal über den normalen Werten lag. Umweltschutzminister Alain<br />

Carignon wäscht seine Hände in Unschuld: Für die Sicherheitsmaßnahmen<br />

sei der Industrieminister verantwortlich, für die Überwachung der<br />

Radioaktivität die ihm vorgesetzte Gesundheitsministerin (beide scheinen<br />

vom Erdboden verschluckt zu sein). Die verspätete Information der<br />

Bevölkerung sei im übrigen durchaus begreiflich und normal: Frankreich<br />

habe ja mit dem 1. und 8. Mai zwei verlängerte Wochenenden mit<br />

einigen Ruhetagen hinter sich.<br />

In den sowjetischen Medien wird zunehmend über das Reaktorunglück<br />

berichtet. Die Medien schildern heroische Attacken gegen die widerspenstigen<br />

Naturelemente und venbreiten dabei Gegensätzliches. So<br />

heißt es an einer Stelle, die Evakuierung sei Dank dem selbstlosen Einsatz<br />

vieler Helfer hervorragend organisiert gewesen. Dagegen meldet<br />

die Prawda Strafen für Genossen, die versagt hatten. Berichten, die<br />

knapp 100.000 Evakuierten aus der Sperrzone wären bei der Aktion ruhig<br />

geblieben, stehen Informationen gegenüber, es habe »auch einige<br />

Fälle von Panik« gegeben (Prawda).<br />

Daten über die Verseuchung der ukrainischen, baltischen und weißrussi-<br />

23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!