Stefan f l Gergely - stefan m. gergely
Stefan f l Gergely - stefan m. gergely
Stefan f l Gergely - stefan m. gergely
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
UdSSR eben nicht und soweit die Sowjetführung mit ihr rechnet, gilt sie<br />
nur als Manipulationsobjekt. Daß ein Reaktorunglück von diesem Ausmaß,<br />
gerade weil es der erste Fall dieser Art ist, im Westen Ängste und<br />
Leidenschaften entfesseln mußte, erscheint den sowjetischen Behörden<br />
schwer verständlich, da sie die energiepolitische Auseinandersetzung in<br />
jenen Ländern in ihrer Bedeutung und ihrem Wesen nie verstanden haben.<br />
Ihre Folgemng besagt jetzt entsprechend, Aufregung und Vehemenz<br />
seien künstlich und dienten antisowjetischen Zwecken.«<br />
Der US-Arzt Robert Gale ist mittlerweile in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt.<br />
Seiner Meinung nach wird Tschernobyl möglicherweise<br />
für bis zu 100.000 Sowjetbürger zu Spätfolgen durch Strahlungsschäden<br />
führen. 300 Sowjets seien einer akuten Strahlengefahr ausgesetzt gewesen,<br />
35 von ihnen einer lebensgefährlichen Dosis.<br />
Am Dienstag um 0 Uhr 37 tickt ein brisanter Text aus dem Femschreiber<br />
des österreichischen Gesundheitsministeriums. Nahrung für Säuglinge<br />
und Kleinkinder, teilt Minister Franz Kreuzer darin »an alle Herren<br />
Landeshauptmänner« mit, dürfe nicht mehr als 0,3 Nanocurie des<br />
radioaktiven Nuklids Cäsium-137 pro Liter oder Kilogramm enthalten.<br />
In einem zweiten Telex kündigt Kreuzer weiters einen Grenzwert von<br />
2 Nanocurie Cäsium-137 »für Vollmilch, Sauermilch, Joghurt und ähn-<br />
. liehe Milcherzeugnisse« zum allgemeinen Konsum an. Der Zeitpunkt,<br />
ab dem dieser Grenzwert strikte einzuhalten sei, werde gesondert bekanntgegeben.<br />
Mehr als ein Drittel der angelieferten Milch dürfte gegenwärtig mehr<br />
als 2 Nanocurie Cäsium-137 enthalten. Und baby-geeignete Milch mit<br />
weniger als 0,3 Nanocurie Cäsium-137 genießt zur Zeit in manchen Gebieten<br />
Österreichs Seltenheitswert.<br />
Wenn die neuesten Maßnahmen des Gesundheitsministers tatsächlich so<br />
strikt angewendet werden, wie er sie angekündigt hat, dann droht daher<br />
dem heimischen Milchmarkt ein Chaos. Bereits die rigorosen Kontrollen<br />
auf radioaktives Jod - rund 20 Prozent der in den letzten Wochen<br />
untersuchten Milchproben überschritten den Grenzwert für dieses Nuklid<br />
- störten die sorgsam austarierten Mechanismen der Marktordnung:<br />
die Molkereien sind normalerweise verpflichtet, die von den Bauern<br />
angelieferte Milch einzukaufen; strahlte diese zu stark nach Jod,<br />
dann durfte sie nicht als Frischmilch weitervermarktet, sondern mußte<br />
zu Trockenmilch verarbeitet und vorerst gelagert werden, um die Strahlung<br />
abklingen zu lassen. Niemand weiß derzeit, wieviel davon später<br />
vernichtet werden muß, weil die Radioaktivität doch über den Grenzwerten<br />
geblieben ist. Jedenfalls häufen sich bereits Berge an Trockenmilch.<br />
Je länger die Trockenwerke ihre Lagerware horten müssen, desto<br />
eher sitzen sie aber auch finanziell auf dem Trockenen und können die<br />
Molkereien nicht mehr bezahlen. In der Folge gähnen auch dort leere<br />
Kassen. Die Bauern wollen aber erst recht Geld für ihre Milch sehen.<br />
27