Stefan f l Gergely - stefan m. gergely
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len in Sandkästen seien zu vermeiden. Als Vorsichtsmaßnahmen solle<br />
man die Schuhe abwischen und sich die Hände gut waschen.<br />
Generalsekretär Gorbatschow bedankt sich unterdessen bei US-Präsident<br />
Reagan für ein US-amerikanisches Hilfsangebot, ohne es jedoch<br />
anzunehmen. Er teilt mit, das Niveau der radioaktiven Verseuchung im<br />
weiteren Umkreis von Tschernobyl liege etwas über der erlaubten<br />
Norm, aber nicht soviel, daß man zum Schütze der Bevölkerung besondere<br />
Maßnahmen ergreifen müsse. Rund um Kiew geht das Leben tatsächlich<br />
seinen.normalen Gang weiter.<br />
Auch die Internationale Atomenergiebehörde in Wien und westeuropäische<br />
Regierungen werden jetzt erst von dem Reaktorunglück offiziell<br />
unterrichtet: Die Lage sei bereits stabilisiert. Alles unter Kontrolle. Ein<br />
Photo in der Prawda will beweisen, daß der Reaktor nicht mehr brennt<br />
Amerikanische und schwedisch-französische Satellitenaufnahmen belegen<br />
das Gegenteil. Jedenfalls dürfen wesdiche Auslandskorrespondenten<br />
nicht mehr nach Kiew reisen. Das sowjetische Reisebüro Intourist<br />
nimmt für Fahrten in die Ukraine keine Anmeldungen mehr an.<br />
In den Abendstunden beginnt man im österreichischen Gesundheitsministerium<br />
in Permanenz zu tagen. Die kritischste Phase sei die Nacht<br />
zum 1. Mai gewesen, berichtet Minister Franz Kreuzer später. Es sei die<br />
Befürchtung laut geworden, daß auch ein zweiter Reaktor des Atomkomplexes<br />
von Tschernobyl in Mitleidenschaft geraten wäre. Es habe<br />
daher nicht ausgeschlossen werden können, daß ein neuerlicher Ausstoß<br />
radioaktiver Nuklide erfolge. Außerdem habe der Ostwind ständig neue<br />
Luftmassen aus dem Raum von Kiew nach Österreich gebracht.<br />
Wieweit die weitere Entwicklung der radioaktiven Belastung in Österreich<br />
zu diesem Zeitpunkt vorauszusehen war, darüber gehen die Meinungen<br />
heute auseinander. Offenbar war man knapp daran, die Aufmärsche<br />
zu untersagen. Dies sei dann aber doch nicht geschehen, so<br />
Kreuzer, da in den frühen Morgenstunden des 1. Mai sowjetische Stellen<br />
versichert hätten, der zweite Kernreaktor sei unbeschädigt. Zudem<br />
hätten die Meteorologen vorausgesagt, der Wind würde wieder drehen<br />
und keine weitere Radioaktivität herantragen. Zweifellos hat allerdings<br />
auch das Argument eine Rolle gespielt, ein Verbot der Maiaufmärsche<br />
löste wahrscheinlich in ganz Österreich echte Panik aus.<br />
Unzutreffend ist allerdings die später immer wieder geäußerte Kritik,<br />
die Öffentlichkeit sei vor dem 1. Mai über die Entwicklung im unklaren<br />
gelassen worden. »Die zuständigen Abteilungen des Bundesministerium<br />
für Gesundheit und Umweltschutz und des Umweltbundesamtes«, so<br />
heißt es in einer Aussendung vom 30. Mai, »setzen die permanente<br />
Überprüfung der Umweltradioaktivität durch das Strahlenfrühwarnsystem<br />
mit Nachdruck fort. Insbesondere verstärkt wird dieses Überprüfungssystem<br />
für die nächsten zwei Tage, da die Zentralanstalt für Meteorologie<br />
eine Fortdauer der Luftströmung aus dem Osten angekündigt<br />
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