Stefan f l Gergely - stefan m. gergely
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sehen Felder fehlen nach wie vor. Wesdiche Experten in Moskau halten<br />
allerdings Horrormeldungen von Rieseneinbußen für übertrieben. Der<br />
Verlust von Getreide im Sperrgebiet wird derzeit auf rund 300.000 Tonnen<br />
im Jahr geschätzt Auch nach dem Unglück von Tschernobyl gibt es<br />
aber im sowjetischen Energieprogramm, das den Bau von weiteren<br />
30 Kernkraftwerken vorsieht, offensichdich keine Abstriche. Für die Sowjetführung<br />
scheint »das Atom« trotz Tschernobyl unverzichtbar. Dafür<br />
wird der wesdiche Film »Das China-Syndrom« aus dem Verkehr gezogen.<br />
Am Mittwoch, den 15. Mai, äußert sich der sowjetische Parteichef Michael<br />
Gorbatschow in einer halbstündigen Femsehrede zum ersten Mal<br />
öffendich zum Thema Tschernobyl. Gorbatschow nennt die ersten zwei<br />
Opfer, die beim Unfall ums Leben gekommen seien, beim Namen und<br />
fügt hinzu, 199 Personen seien wegen Strahlenschäden in Spitäler eingeliefert<br />
worden. Von ihnen seien sieben verstorben. Der Parteichef drückt<br />
den betroffenen Familien das Beileid der Führung aus und zollt allen<br />
Anerkennung, die sich an den Rettungs- und Aufräumarbeiten beteiligt<br />
hatten. Über Ursachen und Ablauf der »Havarie« sagt Gorbatschow<br />
nichts Neues und gar nichts über ihr Vertuschen. Auch nichts über den<br />
Grad der Verseuchung Rußlands und des übrigen Europa. Gorbatschow<br />
dankt lediglich für die von den »Bruderländern« bewiesene Solidarität<br />
und auch für die Sympathieerklärungen anderer Staaten. Die<br />
NATO-Staaten und die USA hätten allerdings das Unglück zu politischen<br />
Zwecken ausgenützt Eine zügellose antisowjetische Kampagne<br />
sei durch massive Lügen entfesselt worden. Die wesdiche Haltung habe<br />
das Ziel, von den sowjetischen Abrüstungsvorschlägen zur Liquidierung<br />
der Atomwaffen abzulenken.<br />
Gorbatschows Auftritt im Femsehen löst in Washington zurückhaltende<br />
Reaktionen aus. Offenbar verfolgt man dort die Linie, kein Salz in die<br />
Wunden von Tschernobyl zu streuen. Der Sprecher des Weißen Hauses,<br />
Larry Speakes, stellt allerdings fest, daß Gorbatschow »unbegründete<br />
Beschuldigungen« erhoben habe und meint, wenn einige der wesdichen<br />
Berichte nicht zutreffend gewesen sein sollten, so gehe dies auf das<br />
.Konto der sowjetischen Geheimniskrämerei. Jeder Versuch, legitimes<br />
ausländisches Interesse an einer größeren Katastrophe hinterlistigen politischen<br />
Motiven zuzuschreiben, sei bedauerlich.<br />
In Österreich zeigt Bundeskanzler Sinowatz vor dem Nationalrat die<br />
Konsequenzen auf, die die Regierung aus dem Reaktorunglück von<br />
Tschernobyl zu ziehen plant. Er betont jetzt einen »moralischen Anspruch<br />
Österreichs« auf Schutz vor Reaktorstörfällen. Er sehe nun die<br />
friedliche Nutzung der Kernenergie in einem anderen Lichte als vorher,<br />
warnt jedoch vor undifferenzierter Technikfeindlichkeit Als unmittelbare<br />
innenpolitische Konsequenz der Reaktorkatastrophe verkündet Sinowatz,<br />
daß die Bundesregierung ohne neuerliche Volksabstimmung<br />
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