Hochschulbildungsreport 2020 - Stifterverband für die Deutsche ...
Hochschulbildungsreport 2020 - Stifterverband für die Deutsche ...
Hochschulbildungsreport 2020 - Stifterverband für die Deutsche ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
37<br />
Chancengerechte Bildung<br />
typs von 66 Prozent. Ziel sollte es sein, den Anteil<br />
der Bildungsinländer, <strong>die</strong> mit der Betreuung<br />
durch <strong>die</strong> Lehrenden zufrieden sind, im<br />
Durchschnitt aller Hochschulen auf den Wert<br />
des Benchmarks zu heben.<br />
Zum Stu<strong>die</strong>nverhalten und Stu<strong>die</strong>nerfolg von<br />
Nichtakademikerkindern liegen keine Daten vor.<br />
Allerdings kommen zwei Drittel der Bildungsinländer<br />
nicht aus einem Akademikerhaushalt.<br />
Diese Schnittmenge lässt <strong>die</strong> Annahme zu, dass<br />
<strong>die</strong> Beobachtungen für Bildungsinländer tendenziell<br />
auch auf Kinder aus Nichtakademikerfamilien<br />
zutreffen. Mutmaßlich liegt deren Stu<strong>die</strong>nerfolg<br />
im Vergleich mit Akademikerkindern<br />
also aus ähnlichen Gründen zurück wie beim<br />
Vergleich von Bildungsinländern mit deutschen<br />
Stu<strong>die</strong>renden. Empfehlungen, <strong>die</strong> für Bildungsinländer<br />
hinsichtlich der Stu<strong>die</strong>neingangsphase<br />
und der -betreuung gelten, können demnach<br />
auch den Stu<strong>die</strong>nerfolg der Stu<strong>die</strong>renden aus<br />
nichtakademischen Haushalten befördern.<br />
In puncto Zufriedenheit mit der Betreuung<br />
durch Lehrende liegen <strong>die</strong> Werte von Stu<strong>die</strong>renden<br />
aus Familien ohne Hochschulausbildung<br />
unter denen von Bildungsinländern bei aktuell<br />
55 Prozent – und damit deutlich unter dem<br />
Bestwert von 66 Prozent. Auch hier hat sich allerdings<br />
<strong>die</strong> Situation um sieben Prozentpunkte<br />
seit 2007 verbessert.<br />
Empfehlungen<br />
Die Analyse hat gezeigt, dass finanzielle, sprachliche<br />
und kulturelle Barrieren einem erfolgreichen<br />
Stu<strong>die</strong>nabschluss der betrachteten Perso -<br />
nengruppen im Weg stehen können. Sie hat auch<br />
gezeigt, dass Bildungsinländer für ein Studium<br />
stärker extrinsisch motiviert sind. Daraus ergeben<br />
sich besondere Anforderungen an Management,<br />
Studium und Services einer Hochschule.<br />
Für Hochschulen in Regionen mit einem überdurchschnittlich<br />
hohen Anteil an Jugendlichen<br />
aus Familien mit Migrationshintergrund und<br />
Nichtakademikerfamilien kann – im Sinne einer<br />
Differenzierung der Hochschullandschaft –<br />
<strong>die</strong> Stärkung ihrer Kompetenzen als „Integrationshochschule“<br />
ein wichtiger Aspekt der Profilbildung<br />
sein. Eine solche Profilbildung zeigt sich<br />
in der institutionellen Strategie, den Strukturen,<br />
im Lehrangebot und der Stu<strong>die</strong>rendenbetreuung.<br />
Sie erfordert eine besondere Sensibilisierung für<br />
<strong>die</strong> Anliegen <strong>die</strong>ser Zielgruppen im Management<br />
und der Verwaltung sowie eine Berücksichtigung<br />
spezieller Betreuungsanforderungen in der Lehre,<br />
beim Stu<strong>die</strong>neinstieg und beim Übergang in den<br />
Arbeitsmarkt. Hilfestellung für den Prozess der<br />
Profilbildung als „Integrationshochschule“ kann<br />
das Diversity-Audit des <strong>Stifterverband</strong>es bieten<br />
(siehe Lupe „Diversity-Audit“ auf <strong>die</strong>ser Seite).<br />
Neben <strong>die</strong>ser institutionellen Profilbildung können<br />
auch <strong>die</strong> Länder Impulse für mehr Stu<strong>die</strong>nanfänger<br />
und höheren Stu<strong>die</strong>nerfolg von Jugendlichen<br />
aus Familien mit Migrationshintergrund<br />
oder aus hochschulfernen Familien geben –<br />
durch Anreize im Rahmen ihrer leistungsorientierten<br />
Finanzierungsmodelle. So sieht zum<br />
Beispiel das Land Berlin für jeden Stu<strong>die</strong>nanfänger<br />
beziehungsweise Stu<strong>die</strong>renden mit Migrationshintergrund<br />
eine Zuweisung von 10.000<br />
Euro vor. Ähnliche Anreize sollten auch andere<br />
Länder setzen, um <strong>die</strong> Zahl der Absolventen aus<br />
<strong>die</strong>sen Zielgruppen zu steigern oder eine Ausrichtung<br />
der Stu<strong>die</strong>nangebote auf <strong>die</strong> besonderen<br />
Anforderungen <strong>die</strong>ser Gruppe zu bewirken.<br />
Auch <strong>die</strong> Finanzierung des Studiums ist für Bildungsinländer<br />
und Nichtakademikerkinder eine<br />
besondere Herausforderung. Bildungsinländer<br />
können in geringerem Maße als deutsche Stu<strong>die</strong>rende<br />
auf <strong>die</strong> Unterstützung ihrer Eltern zählen<br />
und bestreiten mehr als ein Drittel ihrer Lebenshaltungskosten<br />
durch einen Nebenerwerb. Auch<br />
Nichtakademikerkinder nennen besonders häufig<br />
finanzielle Erwägungen als Gründe, warum<br />
sie nicht stu<strong>die</strong>ren. Solche Hürden sollen für alle<br />
Stu<strong>die</strong>renden durch das BAföG abgebaut werden.<br />
Ob <strong>die</strong>ses Instrument aber bei den genannten<br />
Zielgruppen mit ihrer besonderen Situation ausreichend<br />
und wirksam ist, sollte geprüft werden,<br />
um gegebenenfalls eine Anpassung vornehmen<br />
zu können. Darüber hinaus sollte eine Flexibilisierung<br />
der Stu<strong>die</strong>nangebote <strong>die</strong> Vereinbarkeit<br />
von Studium und Erwerbstätigkeit besser ermög-<br />
Lupe<br />
Diversity-Audit<br />
Den typischen Studenten gibt es nicht<br />
mehr. Auf <strong>die</strong> enorme Vielfalt sozialer<br />
Hintergründe, ethnischer Herkunft<br />
und neuer Bildungsbiografien müssen<br />
sich <strong>die</strong> Hochschulen einstellen. Und<br />
sie müssen <strong>die</strong>se Verschiedenheit<br />
nicht als Problem, sondern als Chance<br />
für eine facettenreiche akademische<br />
Kultur begreifen. Diversität zu fördern,<br />
heißt nicht zuletzt auch, bildungsferne<br />
Schichten an <strong>die</strong> Universität heranzuführen,<br />
und ist heute Kernaufgabe der<br />
Hochschulentwicklung. Aber wie lässt<br />
sich Vielfalt gestalten? Antworten auf<br />
<strong>die</strong>se Frage haben acht Hochschulen<br />
unter Moderation durch das Centrum<br />
für Hochschulentwicklung gesucht<br />
und <strong>die</strong> Grundlagen für ein Diversity-<br />
Audit entwickelt. Das Auditierungsverfahren<br />
unterstützt <strong>die</strong> Hochschulen<br />
durch Beratung dabei, Strukturen<br />
zu verändern und Maßnahmen zu<br />
entwerfen. Es kombiniert Organisationsentwicklung<br />
mit kollegialem<br />
Austausch und externer Begleitung.<br />
Ziel ist es, eine Diversity-Strategie zu<br />
definieren, <strong>die</strong> den Rahmenbedingungen<br />
einer Hochschule Rechnung trägt,<br />
ihr Profil schärft und einen kulturellen<br />
Wandel anstößt. Konkrete Themen sind<br />
unter anderem Change-Management,<br />
neue Lehrformate und -inhalte, Lernstrategien,<br />
Stu<strong>die</strong>n- und Prüfungsorganisation,<br />
aber auch Personalmanagement.<br />
Die acht Hochschulen, <strong>die</strong> sich an<br />
der Entwicklung des Diversity-Audits<br />
beteiligt haben, sind mit gutem Beispiel<br />
vorangegangen und haben das Audit<br />
2012 selbst durchlaufen. Die FH Brandenburg<br />
hat dabei flexiblere Formate<br />
für ein berufsbegleitendes Studium<br />
entwickelt. Die Universität Osnabrück<br />
setzt auf E-Learning, um unterschiedlichem<br />
Lernverhalten von Stu<strong>die</strong>renden<br />
entgegenzukommen. Die TU Dortmund<br />
sammelt Know-how in einem Diversity-Wiki.<br />
Und <strong>die</strong> Uni Bremen hat ihre<br />
Stu<strong>die</strong>nberatung stärker für das Thema<br />
Vielfältigkeit sensibilisiert.<br />
Die Entwicklung des Diversity-Audits<br />
wurde vom <strong>Stifterverband</strong> im Rahmen<br />
seines Programms „Vielfalt gestalten“<br />
initiiert und finanziert.