Hochschulbildungsreport 2020 - Stifterverband für die Deutsche ...
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Quartäre Bildung<br />
passt werden; denkbar wäre etwa <strong>die</strong> Verbindung<br />
von BAföG mit erworbenen ECTS-Punkten, wobei<br />
jeder für BAföG infrage kommende Stu<strong>die</strong>rende<br />
Anspruch auf <strong>die</strong> Unterstützung beim Erwerb<br />
von insgesamt 300 ECTS-Punkten (Abschluss<br />
Masterebene) haben könnte, unabhängig vom<br />
Zeitpunkt und der Gesamtdauer des Erwerbs.<br />
Eine finanzielle Förderung unabhängig von der<br />
Stu<strong>die</strong>ndauer, dem Alter und der beruflichen Situation<br />
der Stu<strong>die</strong>renden, sei es über BAföG, Stu<strong>die</strong>nkredite,<br />
Weiterbildungsstipen<strong>die</strong>n oder <strong>die</strong><br />
steuerliche Absetzbarkeit von Weiterbildungsstu<strong>die</strong>ngängen,<br />
ist eine unabdingbare Voraussetzung<br />
für <strong>die</strong> konsequente Förderung lebenslangen<br />
Lernens. Die Ausweitung der KfW-Stu<strong>die</strong>nkredite<br />
auf Zusatz-, Ergänzungs-, Aufbau- und<br />
Zweitstu<strong>die</strong>ngänge sowie <strong>die</strong> Flexibilisierung der<br />
Finanzierung für Teilzeitstu<strong>die</strong>ngänge, <strong>die</strong> ab April<br />
2013 greifen werden, sind ein wichtiger Schritt<br />
in <strong>die</strong> richtige Richtung.<br />
Die besonderen Anforderungen und Kompetenzen<br />
berufserfahrener und berufstätiger Stu<strong>die</strong>render<br />
werden an deutschen Hochschulen bislang<br />
noch weitgehend vernachlässigt. Der Bologna-<br />
Prozess bietet eine Reihe von Möglichkeiten, <strong>die</strong>s<br />
zu ändern. Die Stu<strong>die</strong>nstrukturen müssen immer<br />
ausdifferenzierteren Bildungsbiografien gerecht<br />
werden und Hochschulen müssen ihre Angebote<br />
zielgruppenorientierter ausrichten. Eine größere<br />
Durchdringung von Studium und Berufstätigkeit<br />
erfordert mehr Flexibilität – von den Stu<strong>die</strong>renden<br />
als Nachfrager wie von den Hochschulen als<br />
Anbieter der quartären Bildung.<br />
2. Blick auf <strong>die</strong> Angebotsseite:<br />
Wenig Dynamik bei flexiblen<br />
Stu<strong>die</strong>ngängen<br />
Ein Blick auf <strong>die</strong> Angebotsseite verdeutlicht:<br />
Hochschulen sind in Deutschland ein Akteur unter<br />
vielen am Weiterbildungsmarkt, den das Institut<br />
der deutschen Wirtschaft Köln aktuell mit<br />
28,6 Milliarden Euro beziffert. Und ihr Marktanteil<br />
ist noch relativ klein: Abhängig von der Erhebungsmethode<br />
haben Hochschulen zwischen 2,4<br />
und fünf Prozent Anteil am Weiterbildungsmarkt,<br />
gemessen an den Weiterbildungsteilnehmenden.<br />
Führend sind hier private Anbieter mit rund<br />
40 Prozent Marktanteil und Volkshochschulen<br />
mit 24 Prozent (s. Abb. 6, Seite 62).<br />
Mit der aktuellen Weiterbildungsquote von 40<br />
Prozent der Erwerbsbevölkerung liegt Deutschland<br />
im europäischen Vergleich lediglich im<br />
Mittelfeld, vor allem mit Blick auf <strong>die</strong> hoch qualifizierten<br />
Erwerbstätigen. Finnland steht hier<br />
unangefochten an Europas Spitze, denn <strong>die</strong> Förderung<br />
lebenslangen Lernens steht dort seit den<br />
1980er-Jahren im bildungspolitischen Fokus. Mit<br />
dem Ausbau eines speziellen Weiterbildungsnetzwerkes,<br />
bestehend aus 34 sogenannten Centres<br />
for Continuing Education an 21 Hochschulen,<br />
wurde eine Angebotsstruktur geschaffen,<br />
aufgrund derer <strong>die</strong> Hälfte aller Weiterbildungen<br />
im Rahmen von Hochschulen wahrgenommen<br />
wurde. Das Beispiel verdeutlicht, wie groß <strong>die</strong><br />
Potenziale von Hochschulen als Anbieter quartärer<br />
Bildung bei entsprechender – vor allem politischer<br />
– Steuerung sind. Der geringe Marktanteil<br />
deutscher Hochschulen lenkt deshalb den Blick<br />
auf <strong>die</strong> Angebotsseite: Welche auf lebenslanges<br />
Lernen ausgerichteten Stu<strong>die</strong>nangebote gibt es<br />
hierzulande und wie hoch ist ihr Anteil an allen<br />
Stu<strong>die</strong>ngängen?<br />
Unterhalb der Ebene kompletter Stu<strong>die</strong>ngänge<br />
gibt es eine Vielzahl an Weiterbildungs- und<br />
berufsbegleitend oder berufsintegriert stu<strong>die</strong>rbaren<br />
Hochschulangeboten, von Zertifikatskursen<br />
über maßgeschneiderte Inhouse-Trainings<br />
bei Unternehmen bis hin zu Schülerakademien<br />
oder Angeboten für Senioren. Die mit Abstand<br />
größte Gruppe bilden Zertifikatskurse. Da <strong>die</strong><br />
Anzahl <strong>die</strong>ser Angebote jedoch nicht regelmäßig<br />
und vollständig erfasst wird und <strong>die</strong>ser Markt<br />
sehr volatil ist, konzentrieren sich <strong>die</strong> Indikatoren<br />
im <strong>Hochschulbildungsreport</strong> auf <strong>die</strong> Ebene<br />
der Stu<strong>die</strong>ngänge.<br />
Es hat sich gezeigt, dass der Bedarf an zeitlich<br />
und räumlich flexibel stu<strong>die</strong>rbaren Angeboten<br />
in den vergangenen Jahren stetig gestiegen ist<br />
und ein weiterer Aufwuchs hier nicht nur zu<br />
erwarten, sondern auch bildungs- und arbeitsmarktpolitisch<br />
notwendig ist und im Sinne der<br />
optimalen Förderung jedes Einzelnen in seiner<br />
Lupe<br />
MOOC<br />
Massive Open Online Courses (MOOC)<br />
sind ein neuer Ansatz, den Bedarf an<br />
zeitlich flexiblen, kostengünstigen<br />
Bildungsangeboten mit den Möglichkeiten<br />
des Internets zu verbinden. Der<br />
Lehrbetrieb findet im Wesentlichen<br />
online statt – mittels Vorlesungsvideos,<br />
in <strong>die</strong> Verständnisfragen und<br />
Aufgaben für <strong>die</strong> Kursteilnehmer eingebettet<br />
sind. Zudem gibt es Hausaufgaben<br />
und teilweise auch Prüfungen<br />
mit Präsenzpflicht in autorisierten<br />
Testcentern.<br />
Im vergangenen Jahr sind drei große<br />
„Online-Akademien“ an den Start<br />
gegangen, <strong>die</strong> aus den USA stammen,<br />
aber ein internationales Publikum<br />
ansprechen. Udacity war der Pionier<br />
und konnte auf Anhieb 90.000 Stu<strong>die</strong>nteilnehmer<br />
gewinnen. Die bislang 14<br />
Kurse kreisen um IT-Themen („Applied<br />
Cryptography“, „Software Debugging“).<br />
Coursera, das mit 33 namhaften<br />
Universitäten wie Stanford kooperiert,<br />
ist inhaltlich breiter aufgestellt. Dazu<br />
gehören Angebote unter anderem in<br />
Informatik, Medizin, Biologie, Sozialwissenschaften,<br />
Statistik und Ökonomie.<br />
Im Herbst 2012 umfasste das<br />
Programm mehr als 100 Kurse mit 1,9<br />
Millionen Teilnehmern. Mit dem vom<br />
Massachusetts Institute of Technology<br />
und der Harvard University getragenen<br />
edX ist im Herbst 2012 eine dritte<br />
Lernplattform hinzugekommen. Sie ist<br />
im Gegensatz zu Udacity und Coursera<br />
zunächst nicht kommerziell ausgerichtet<br />
und setzt besonders auf Interaktivität<br />
mit Gruppendiskussionen und<br />
gemeinsamem Lernen im Netz.<br />
Die ersten Erfahrungen mit dem<br />
Online-Studium haben gezeigt, dass<br />
es in den USA Bildungspotenzial in<br />
einkommensschwachen Schichten<br />
(ein „normales“ Studium ist dort<br />
extrem teuer) und in Schwellenländern<br />
heben kann. Auch für deutsche<br />
Hochschulen böte sich hier eine Möglichkeit,<br />
neue Zielgruppen im In- und<br />
Ausland zu erreichen. Allerdings sind<br />
sie auf den Plattformen bislang noch<br />
nicht vertreten, einzelne Hochschullehrer<br />
schon. Offen ist noch <strong>die</strong> Frage,<br />
welchen Wert <strong>die</strong> Online-Zertifikate<br />
im Vergleich zu Stu<strong>die</strong>nleistungen an<br />
einer herkömmlichen Uni besitzen.