Ausgabe 4/2007 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Gute oder schlechte Zeiten für den Sport im Fernsehen?<br />
Von Dieter Hochgesand<br />
ARD und ZDF flüchteten auf Grund der Doping-Enthüllungsorgie<br />
aus der Live-Berichterstattung von der Tour de<br />
France. War das gut? Für die Intensivierung der Diskussion<br />
um das Thema Doping im Profi-/Spitzensport und die daraus zu<br />
ziehenden Konsequenzen, weit über den Aktionsradius der Pedaleure<br />
hinaus, allemal. SAT 1 glaubte einen Coup zu wittern, stürzte<br />
sich flugs und hemmungslos in den Manipulationssumpf und<br />
servierte das trübe Treiben live. War das schlecht? Jedenfalls für<br />
SAT 1, wo das vermeintliche Quotenschnäppchen keineswegs die<br />
erwartet hohen Zuschauerzahlen brachte, sondern gar der Verlust<br />
von Werbekunden zu quittieren war. Was nun? Hat da jemand eine<br />
Lektion gelernt - sind gar die privaten Anstalten für künftige<br />
Taten geläutert? Wurde ihre Gier nach Quoten per Verbreitung von<br />
aktuellem Schmuddelsport gedämpft? Wohl weit gefehlt. Es wäre<br />
vielmehr naiv, das zu glauben und sicher auch fast zu viel verlangt,<br />
wenn man gerade von den auf Werbeeinnahmen unabdingbar<br />
angewiesenen Sendern erwarten würde, dass sie ihren auf<br />
Boulevard geeichten Massengeschmack konsequent hinterfragen.<br />
Nicht ganz sauber<br />
Viel Lob und Zustimmung vom organisierten Sport bis zum<br />
Bundestagssportausschuss heimsten die öffentlich-rechtlichen<br />
Fernsehsender ein, nachdem sie die positive Dopingprobe von<br />
Patrik Sinkewitz umgehend zum Anlass genommen hatten, ihre Live-<br />
Berichterstattung von der Tour de France zu beenden. Der Boykott<br />
von ARD und ZDF war die folgerichtige und logische Konsequenz<br />
nach den vollmundigen Erklärungen im Vorfeld der "großen Schleife",<br />
man werde sich bei neuen Vorkommnissen aus der Übertragung<br />
ausblenden. Leider wurde das mit dem gekappten Sendesignal angestrengte<br />
Saubermann-Image gewissermaßen über Nacht wieder<br />
beschädigt. Während die Öffentlichkeit eifrig über Pro und Kontra des<br />
Rückzuges diskutierte, hatte das öffentlich-rechtliche Fernsehen<br />
keinerlei Bedenken, die Rechte für die Live-Berichterstattung an dem<br />
dopingverseuchten Sportereignis ohne lange Verhandlungen an Pro<br />
Sieben/Sat1 weiterzureichen. Der Aussteiger lieferte für kleines Geld<br />
24<br />
Aber wie steht es hier um die öffentlich-rechtlichen ARD und ZDF,<br />
die via Gesetz über unsere Gebühren verfügen können und somit<br />
einen verpflichtenden Auftrag von der ganzen <strong>Gesellschaft</strong> mit auf<br />
ihren Weg genommen haben? Sind sie bei der Tour de France eher<br />
schweren Herzens über ihren Schatten gesprungen, als dass dies<br />
eine Überzeugungstat mit klarer Zeichensetzung für die Zukunft<br />
gewesen sein dürfte? Manche Indizien lassen anderes vermuten,<br />
denn immerhin liefern sie uns weiterhin hemmungslos und voller<br />
Quotengier beispielsweise blutige Boxkämpfe fragwürdiger Qualität,<br />
mit und ohne gebrochenem Kiefer und Tourenwagen-Rennen<br />
mit möglichst spektakulären Crash-Effekten. Wenn es nur kräftig<br />
"auf die Glocke" gibt, wenn nur das Blech richtig kracht. Hei, da<br />
freuen sich die Sportfreunde, denen das Archaische noch ganz<br />
dick im Blut fließt. Und hei, da freuen sich auch die TV-Verantwortlichen,<br />
wenn sie mit Sport dieses Genres hohe Zuschauerzahlen<br />
generieren und anschließend damit ihre Marketing-Leute zur<br />
Einsammlung von Werbeeinnahmen losschicken können. Doch<br />
halt, nur keine übereilten Rückschlüsse. Hier soll absolut keine<br />
und freiwillig dem privaten Sendeverbund, der 24 Stunden später mit<br />
der 11. Etappe die Live-Übertragung fortsetzte, die direkte Steilvorlage.<br />
Der Deal mit der so genannten Sub-Lizenzierung liefert ein Lehrund<br />
Paradebeispiel für das derzeitige Grundverständnis der selbst<br />
ernannten Vorkämpfer bei ARD und ZDF im Ringen gegen Betrug und<br />
Manipulationen sowie im Kampf für saubere, faire sportliche Wettkämpfe<br />
und Veranstaltungen. Was diesen hehren Ansprüchen nicht<br />
genügt, was dem eigenen Publikum nicht mehr zugemutet werden<br />
soll, das ist noch allemal gut genug für den Sender nebenan. Womit<br />
man sich selbst nicht schmutzig machen will, damit darf oder soll sich<br />
getrost ein Anderer infizieren. Frei nach dem schlichten Motto: Jeder<br />
ist doch selbst dafür verantwortlich, was er ausstrahlt. Aus PRtaktischen<br />
und wirtschaftlichen Gründen mag der Weiterverkauf der<br />
Lizenz nachvollziehbar und stimmig sein. Das Reinheitsgebot aber, das<br />
man vom Sport vehement einfordert, wird damit glatt konterkariert.<br />
Wer ein glaubhaftes, makelloses und wirklich vorbildliches Signal im<br />
Kampf gegen die Doping-Seuche setzen will, der macht von seinen<br />
Rechten anders Gebrauch.<br />
Andreas Müller