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Ausgabe 4/2007 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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Es ist sieben Uhr an einem wunderschönen Maimorgen<br />

im Brandenburgischen. Hartwig Gauder wartet schon<br />

in der Hotellobby. Am Vorabend haben wir uns zum<br />

Frühsport verabredet. Eine kleine Walkingrunde soll es<br />

werden, rund anderthalb Stunden lang. Etwa zur Halbzeit<br />

erreichen wir einen See. Gauder sieht die Chance für eine<br />

Erfrischung gekommen: Klamotten runter, rein ins noch<br />

sehr kühle Nass und einige Schwimmzüge. Danach geht's<br />

gleich weiter. Für Gauder (52) ist solch' morgendliche<br />

Aktivität nicht außergewöhnlich. Schließlich hat er in<br />

seiner Zeit als Geher viele Abdrücke in den internationalen<br />

Erfolgslisten der Leichtathletik hinterlassen, war Olympiasieger<br />

und Weltmeister. Wer jedoch seine ganze Geschichte<br />

kennt, ist positiv überrascht vom anhaltenden sportlichen<br />

Elan des Erfurters. Denn nach dem Hochleistungssport<br />

wurde Gauder mit dem anderem Extrem konfrontiert:<br />

absoluter körperlicher Schwäche. Er erfuhr die Abgründe<br />

des Lebens, als kurz nach der Sportkarriere und einer bakteriellen<br />

Infektion sein Herz versagte. Eine Organtransplantation<br />

hat ihn gerettet.<br />

Heute stehen weder die Rolle des Sporthelden noch die<br />

Rolle des Patienten für sich. Hartwig Gauders Geschichte<br />

ist vor allem die einer doppelten Metamorphose: vom<br />

gefeierten Olympiasieger zum todkranken Prominenten<br />

zum nimmermüden Herztransplantierten. Eine Geschichte,<br />

die bewegt: 20 Monate hat Gauder auf sein neues Organ<br />

und die Transplantation warten müssen, 13 davon überlebte<br />

er nur mit einem zusätzlich implantierten Kunstherz.<br />

Zwei Wochen hatte er sich noch gegeben, als ihn in quasi<br />

letzter Minute am 30. Januar 1997 im <strong>Deutsche</strong>n Herzzentrum<br />

in Berlin die frohe Botschaft erreichte, sich die Chance<br />

für ein neues Leben auftat. Eine schlimme Zeit zwischen<br />

Hoffen und Bangen. Tausenden <strong>Deutsche</strong>n geht es jeden<br />

Tag so.<br />

Auch vom Dopingthema wurde Gauder seinerzeit nicht<br />

verschont. Ans Kunstherz angeschlossen, hielt ihm ein Arzt<br />

einen Vortrag über Sucht, Abhängigkeit und Doping. Der<br />

versteckte Vorwurf ging ihm nahe. Als Sportler der ehemaligen<br />

DDR trage man einen Stempel, so Gauder, "den man<br />

ganz schwer los wird, selbst wenn man wie ich nie eines<br />

40<br />

Mit dem Kampfgeist eines<br />

Das zweite Leben des<br />

dieser Präparate genommen hat. In dieser extremen Situation<br />

hätte ich meinem Körper doch einen Bärendienst<br />

erwiesen, wenn ich Dopingmittel verschwiegen hätte."<br />

Die Operation gelingt. Mühsam tastet sich Gauder nach<br />

dem Kunstgriff der Ärzte ins Leben zurück und wird mit<br />

dem Kampfgeist des Olympiasiegers von 1980 wieder fit.<br />

Fitter als die meisten mit erstem Herzen. Er fliegt nach New<br />

York und läuft dort den Marathon, er fliegt nach Japan und<br />

besteigt dort den höchsten und heiligen Berg, den Fujijama.<br />

Tägliches Training gehört wieder wie selbstverständlich zu<br />

seinem Leben, das ausgefüllt ist: mit Motivationsvorträgen<br />

vor Managerseminaren auf Mallorca, medizinischen Projekten<br />

für herzkranke Menschen, ehrenamtlichem Engagement<br />

im von ihm mitbegründeten Verein Sportler für Organspende<br />

(www.vso.de), einer Gastprofessur in Japan oder Walkingveranstaltungen<br />

in ganz Deutschland. Neuerdings baut<br />

er hauptberuflich im Universitätsklinikum Jena den Bereich<br />

Gesundheitsmarketing auf. Doch Gauder ist kein Hansdampf<br />

in allen Gassen. Viel eher kostet er die ihm neu<br />

geschenkte Zeit aus und sprüht vor Ideen. "Dinge, die ich<br />

beherrsche", sagt er, "sind nach einer gewissen Zeit langweilig<br />

für mich. Deshalb vergeht kaum ein Tag, ohne dass<br />

ich eine neue Idee aushecke oder Pläne schmiede.<br />

Abwechslung ist für mich wie eine Sucht." Gauder lebt, als

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