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Ausgabe 4/2007 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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können trügerisch sein Von Helmut Digel<br />

nen. In Freiburg war dies jüngst der Fall, als die Fußballfans<br />

des SC Freiburg dessen Trainer beschützen wollten, nachdem<br />

die Vereinsführung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

beschlossen hatte. Dieser Beschluss wurde von den Fans<br />

scharf kritisiert, und sie suchten einen Weg, diese Entscheidung<br />

über die Mitgliederversammlung sozusagen mit der<br />

Macht des Volkes rückgängig zu machen. Damit es zu dieser<br />

Machtdemonstration des Volkes kommt, bedarf es jedoch<br />

einer Mehrheit. In Freiburg hätte sie nur dann erreicht werden<br />

können, wenn entsprechende Mehrheitsverhältnisse<br />

durch Vereinseintritte erreicht worden wären. Nicht nur das<br />

Freiburger Beispiel - und sein konkreter Fall - verweist auf<br />

einen kritischen Sachverhalt: Im Fußballsport treten immer<br />

häufiger Mitglieder in die Vereine ein, deren Anliegen es<br />

weder ist, Fußball zu spielen, noch sich anderweitig sportlich<br />

aktiv in diesen Vereinen zu betätigen. So kann in der Fußball-<br />

Bundesliga schon seit längerem ein enormes Mitgliederwachstum<br />

beobachtet werden, ohne dass sich dabei das<br />

Aktivitätspotenzial in den Vereinen selbst erhöht. Vereine wie<br />

der VfB Stuttgart wuchsen im Jahr 2004 bis 2005 um 37%,<br />

die höchste Zuwachsrate von über 60% erreichte Werder<br />

Bremen im gleichen Jahr. Und ein Verein wie Bayern München<br />

weist heute bereits mehr als 100.000 Mitglieder auf,<br />

wobei die große Mehrheit dieser Mitglieder lediglich passive<br />

Fans der Fußballszene darstellen und keineswegs nur aus<br />

München oder Bayern stammen. Allein die 18 Bundesligavereine<br />

haben durchschnittlich ein jährliches Wachstum von<br />

60.000 Mitgliedern, ohne dass sich<br />

dadurch in den Vereinen, mit Ausnahme<br />

der erhöhten Einnahmen, strukturell<br />

etwas verändern würde.<br />

Angesichts dieser Zahlen ist Vorsicht<br />

angebracht, wenn vom Wachstum des<br />

deutschen Sports die Rede ist. Es stellt<br />

sich sogar die Frage, ob sich möglicherweise<br />

die Mitgliederentwicklung in<br />

Bezug auf die aktiven Mitglieder in den<br />

Vereinen bereits rückläufig darstellt. Es<br />

könnte sein, dass uns die absoluten<br />

Zahlen einen Mitgliederzuwachs vorgaukeln,<br />

der sich angesichts der passiven<br />

Fußballfans nur als ein Scheinwachstum<br />

erweist. Glücklicherweise ist<br />

davon zunächst nur der Fußballsport<br />

betroffen. Doch kann nicht ausgeschlossen<br />

werden, dass weitere Sportarten<br />

mit einer eigenständigen Fankultur<br />

eine ähnliche oder gleiche Entwicklung nehmen. Der im<br />

Fußball zu beobachtende neue Mitgliedertypus ist dabei<br />

keineswegs so harmlos, wie er auf den ersten Blick erscheint.<br />

Es Freiburg zeigt die Wege auf, die diese neuen Mitglieder<br />

gehen können. Das Beispiel verweist auch auf Interessen, die<br />

eigentlich in der üblichen Vereinsarbeit eher als vereinsfremd<br />

zu bezeichnen sind. Mitgliederversammlungen, in denen<br />

dieser neue Typus von Vereinsmitglied die Mehrheit hat,<br />

haben diesen längst eine neue Qualität beschert, die für<br />

Massenmedien wohl spektakulär sein kann. Das, was eine<br />

wünschenswerte Vereinskultur auszeichnen soll, bleibt dabei<br />

jedoch oft genug auf der Strecke. Die Vereinsdemokratie hat<br />

sich immer öfter mit Problemen auseinanderzusetzen, die es<br />

zuvor in den Vereinen so noch nicht gegeben hat.<br />

Die Frage, die sich dabei stellt, ist, ob die bewährten demokratischen<br />

Prinzipien einer basisdemokratischen Vereinsarbeit<br />

über solche neuen Mitgliederstrukturen gefördert werden<br />

können oder ob diese Strukturen möglicherweise das Vereinswesen<br />

in seiner Substanz gefährden. Dies gilt vor allem für<br />

den Schutz der Gemeinnützigkeit. Es stellt sich aber auch die<br />

Frage, ob jene neuen Versammlungsstrukturen dem entsprechen,<br />

was die Väter des Grundgesetzes gemeint haben, als sie<br />

dem Verein als der Einübungsstätte demokratischer Werte<br />

einen besonderen Schutz gewährten. Als nämlich der Verein<br />

als Makler und Mittler zwischen Individuum und <strong>Gesellschaft</strong><br />

von den Gründern unserer Republik auserkoren wurde.<br />

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