Ausgabe 4/2007 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Fragen blieben offen. Sie betrafen nicht nur Grundsätzliches.<br />
Warum löst sich zum Beispiel der DOSB mit seinem Anliegen,<br />
jetzt neben Kultur (und vielleicht dann auch noch anderen<br />
kulturellen Bereichen) im Grundgesetz aufgeführt zu werden,<br />
von einer von seinen Vorgänger-Organisationen DSB und<br />
NOK über Jahrzehnte verfolgten Linie, die darauf abzielte, im<br />
Unterschied dazu als Teil der Kultur anerkannt zu werden?<br />
Nun möchte er offensichtlich, dass man ihn als etwas Eigenes<br />
neben der Kultur aufführt - oder? Soll der organisierte Sport<br />
in Deutschland sich künftig nicht mehr als Teil der Kultur<br />
oder als Sportkultur verstehen? Wenn dies so sein sollte,<br />
würde dies seinem bisherigen Selbstverständnis nicht mehr<br />
entsprechen. Die Klärung dieser Frage ist im Übrigen unabhängig<br />
davon notwendig, ob Sport im Grundgesetz steht<br />
oder nicht.<br />
Eine andere Frage bezieht sich auf unser in den letzten Jahren<br />
deutlich verändertes Verständnis sowohl von dem, was<br />
Kultur als auch was Sport ist. Dies wiederum ist von erheblichem<br />
Einfluss darauf, wie deren Verhältnis heute einzuschätzen<br />
ist. Auch dies gilt zunächst unabhängig von ihrer grundgesetzlichen<br />
Verankerung. Warum sowohl die Befürworter<br />
des DOSB-Anliegens als auch die, die ihm widersprechen, dies<br />
nicht beachtet haben, ist besonders deshalb erklärungsbedürftig,<br />
weil es bei der ganzen Diskussion unvermeidlich ist,<br />
eine Antwort auf die Frage zu geben, von welcher Kultur man<br />
redet, von der man glaubt, dass sie ins Grundgesetz gehöre,<br />
und welchen Sport man meint, der neben dieser Kultur<br />
genannt werden sollte (oder eben nicht).<br />
Das Verhältnis von Kultur und Sport<br />
hat sich gewandelt<br />
Versucht man eine solche Antwort zu geben, dann ist<br />
zunächst daran zu erinnern, dass man, was den Kulturbegriff<br />
betrifft, seit Jahren einen deutlichen Wandel feststellen kann.<br />
Ging man lange von einem eng gefassten Begriff aus, nach<br />
dem Kultur vor allem als "Hochkultur" zu verstehen ist, so hat<br />
sich dieses traditionelle Verständnis inzwischen ausgeweitet.<br />
Genauer: Neben ihm hat sich ein ganz anderes, eher diffuses<br />
Verständnis von "Kultur" oder besser "Kulturen" entwickelt,<br />
das sich durch ganz unscharfe Grenzen auszeichnet.<br />
In diesem Zusammenhang hat sich auch das Verhältnis von<br />
Sport und Kultur verändert. Dies geschah aber nicht deshalb,<br />
weil der Sport nun "kulturwürdiger" geworden wäre, sondern<br />
weil sich nicht nur das Verständnis von "Kultur", sondern<br />
auch das von "Sport" gewandelt hat. Heute kann man ganz<br />
unbefangen von Sport als Kulturgut oder von Sportkultur<br />
sprechen. Zum Beispiel bezeichnet der Sportwissenschaftler<br />
Helmut Digel Laufen, Springen und Werfen und auch den<br />
Hochleistungssport als Kulturgut. Egidius Braun, früherer<br />
Fußball-Präsident, und dessen einstiger Nationalspieler und<br />
späterer Bundestrainer Jürgen Klinsmann werden im "Spiegel"<br />
mit dem Satz zitiert, dass Fußball Kultur sei. Im Titel der<br />
offiziellen Festschrift zum 50jährigen Gründungsjubiläum des<br />
DSB im Jahr 2000 wurde Sport ausdrücklich als "Kulturgut<br />
unserer Zeit" bezeichnet.<br />
Es ist aber noch gar nicht lange her, dass man so nicht<br />
hätte reden dürfen. Das traditionelle Kulturverständnis<br />
schloss den Sport ausdrücklich aus. Sogar eine "Afterkultur"<br />
wurde er, kaum aus England in Deutschland angekommen,<br />
bereits vor über hundert Jahren in den "Neuen Jahrbüchern<br />
für die Turnkunst" genannt. "Dem sozialen Kulturideal ist der<br />
Sport feindlich", so konnte man auch schon 1910 bei Heinrich<br />
Steinitzer, der in seiner Zeit nicht nur als Alpin-Schriftsteller<br />
bekannt wurde, lesen; "die sportliche Ausübung von<br />
Tätigkeiten" sei ein "Symptom des Verfalls", schrieb er. Darin<br />
wird eine von da an über Jahrzehnte hinweg verbreitete<br />
Auffassung deutlich, die Sport nicht der Kultur zurechnete,<br />
ihn vielmehr als Ausdruck kulturellen Niedergangs betrachtete.<br />
Das Verständnis von Kultur, das hinter einer solchen Auffassung<br />
steht, wird normativ genannt; es ist wertend, in seiner<br />
Wirkung abwertend für den Sport und aufwertend für die,<br />
die auf diese Weise ihre Sport- und Körperferne als tragendes<br />
Element ihres kulturellen Selbstverständnisses demonstrieren<br />
konnten, also in der Regel das Bildungsbürgertum. Mit einer<br />
solchen Kulturauffassung wurde der Sport in seinem Bemühen,<br />
als Kulturgut anerkannt zu werden, und dies heißt<br />
konkret als Teil von Erziehung und Schule, als akademisches<br />
Studienfach an der Universität, als Gegenstand wissenschaftlicher,<br />
künstlerischer und literarischer Bearbeitung immer<br />
wieder konfrontiert: Kultur sollte für großes Theater reserviert<br />
sein, für hohe Literatur, für Oper und Museen, nicht aber für<br />
schweißtreibende Sportaktivitäten.<br />
Mit einer solchen Abwertung wollten sich die Anhänger des<br />
Sports natürlich nicht abfinden. Deshalb setzten sie sich fast<br />
ein ganzes Jahrhundert lang gegen ein den Sport herabsetzendes<br />
oder gar ausschließendes Kulturverständnis zur Wehr.<br />
Dies sollte nicht nur ideellen Wert haben, sondern auch der<br />
Verbesserung von Ansehen und Lage des Sports dienen. Das<br />
bisherige normative Verständnis von Kultur wurde nun umgedreht.<br />
Diejenigen, die dem Sport seinen kulturellen Wert<br />
bestritten, wurden auf die Bedeutung der Leibesübungen in<br />
der Geschichte der Völker, auf ihre Behandlung in Dichtung<br />
und Literatur, auf ihre erzieherischen und gesundheitlichen<br />
Wirkungen und auf die Wertschätzung, die ihnen von großen<br />
Ärzten und Pädagogen zuteil geworden sei, verwiesen. Wer<br />
Sport nicht der Kultur zurechnete, der besaß selbst keine - so<br />
sollte die Botschaft heißen. Der Sport, der sich gegen ein ihn<br />
abweisendes Kulturverständnis zur Wehr setzte, tat dies<br />
jedoch, indem er versuchte, ausgerechnet einem Kulturideal<br />
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