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Ausgabe 4/2007 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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ten, kaum dass sie begonnen hatten, auch schon wieder<br />

eingestellt. Weil die erhofften Spendengelder erst einmal<br />

ausgeblieben waren. Aber nach einem mehrmonatigen Stillstand<br />

kamen die Dinge richtig in Fluss. Keino selbst besorgte<br />

den finanziellen Grundstock, indem er auf einen Schlag 110<br />

seiner rund 150 Rinder verkaufte. Dafür nahm er 3,4 Millionen<br />

Kenianische Schillinge ein. Das sind umgerechnet etwas<br />

über 300.000 Euro. Im Mai trafen dann von der Firma Daimler<br />

200.000 Euro als Spende ein, womit die termingerechte<br />

Vollendung der Schule endgültig sichergestellt war. Thomas<br />

Bach, der Präsident des <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n Sportbundes<br />

(DOSB) und Keinos Freund aus gemeinsamen Aktivenprechertagen<br />

beim Internationalen <strong>Olympische</strong>n Komitee, hatte<br />

dafür Sorge getragen.<br />

Keino gilt als der Urvater der kenianischen Läufer. Er war es,<br />

der seine Heimat auf die Weltkarte setzte mit Olympiasiegen<br />

in Mexico-City 1968 über 1.500 m und in München 1972<br />

über 3.000-m-Hindernis. Während der <strong>Olympische</strong>n Spiele in<br />

Sydney 2.000 hatte im Alter von 64 Jahren, in dem andere<br />

sich zur Ruhe setzen, seine internationale Funktionärskarriere<br />

begonnen. Sie dauert bis heute an, nachdem sein Vorgänger<br />

Charles Mukora wegen Korruption unehrenhaft aus dem IOC<br />

entlassen worden war und der gewählte Keino an seine Stelle<br />

trat.<br />

Keino, inzwischen auch Präsident seines Nationalen <strong>Olympische</strong>n<br />

Komitees, war von seiner Wahl ins IOC derart überrascht,<br />

dass er ungläubig festhielt, er wisse doch, woher er<br />

komme. Nämlich von ganz unten. Er war ja schon zwölf Jahre<br />

alt, als er bei seinem Vater endlich durchsetzte, die Schule<br />

besuchen zu dürfen. Und mit 16 musste er sie wieder verlassen,<br />

weil die Schulgebühren nicht mehr bezahlt werden<br />

konnten. Mit einem Freund tat er sich danach zusammen, um<br />

bei Nachbarn neue Brunnen und Latrinen zu bauen. So hielt<br />

er sich über Wasser.<br />

Wenig später nahm die Polizei ihn als talentierten Läufer in<br />

ihre Dienste auf, wofür er sich vorher allerdings noch um vier<br />

Jahre älter machen musste. Seitdem steht in seinem Pass das<br />

Geburtsdatum 19. Januar 1940. Nun holte er seine Bildung<br />

nach, und er wurde sogar Offizier und Ausbilder. Am Ende<br />

seiner sportlichen Karriere unterzeichnete er den 40.000<br />

Dollar umfassenden Jahreskontrakt eines US-amerikanischen<br />

Profiunternehmens, was ihn für immer finanziell unabhängig<br />

machte. Der Vater von elf Kindern kaufte eine Farm und ein<br />

Sportgeschäft.<br />

In Kenia sind die besten Schulen traditionell Privatunternehmen.<br />

Als Erstes gründete Keino, als wolle er endlich Versäumtes<br />

nachholen, die Kipkeino-Primary-School in der Nähe von<br />

Eldoret. Im zehnten Jahr ihrer Existenz tauchte sie in der<br />

jüngsten Rangliste für die Grundschulen des Landes unter<br />

18.000 Mitbewerbern schon auf Platz 3 auf. Das ausgewählte<br />

44<br />

Prinzip der finanziellen Unabhängigkeit stammt von dem im<br />

vorigen Jahr im Alter von 72 Jahren verstorbenen britischen<br />

Lehrer Geoffrey W. Griffin. Bei seinem Starehe Boys Centre<br />

("Ruheplatz"), das nach seiner Gründung im Jahr 1959 Kenias<br />

beste Schule wurde, finanzieren wohlhabende Eltern den<br />

kostenfreien Aufenthalt der akademisch begabten armen<br />

Jungen, unter denen sich traditionell immer auch Straßenkinder<br />

befinden.<br />

Bei der Kipkeino Primary School lag es nahe, die über fünfzig<br />

Waisenkinder einzuschulen, für welche die Keinos seit langem<br />

Sorge trugen. Bei dem neuesten Projekt bestellte Keino als<br />

neuer Schulleiter den im vorigen Jahr pensionierten Starehe-<br />

Lehrer E. Eliud Wasonga, der ein Freund von Mr. Griffin war.<br />

"Von Anfang an muss es die beste Schule sein", stellte er das<br />

hohe Anspruchsniveau sofort klar.<br />

Zwar wird es sich um eine Jungen-Schule handeln. Aber es<br />

wird Ausnahmen geben. Präsident Jacques Rogge möchte<br />

über das IOC vier vielversprechende junge Sportlerinnen<br />

fördern, und das gleiche Ziel verfolgen der US-amerikanische<br />

Sportartikel-Hersteller Nike sowie Samsung, der größte südkoreanische<br />

Mischkonzern. Sie werden die Patenschaften für<br />

vier und zwei weitere Läuferinnen übernehmen. Sie alle sollen<br />

auf der Kazi-Mingi-Farm leben und von einer Erzieherin<br />

betreut werden.<br />

Wasonga gehört dem Volk der Luos an, die am Victoriasee<br />

siedeln. Ihre natürliche Intelligenz ist bekannt. Jeder weiß,<br />

dass sie in Kenia die größte Anzahl an Professoren stellen.<br />

Aber keiner hat sich je einen Namen als Läufer gemacht. Die<br />

einzige Ausnahme war in all den vergangenen Jahrzehnten<br />

Wasonga selbst. Seine Stärke lag auf den Strecken über 5.000<br />

und 10.000 Meter. Sein wieder neu entbrannter Ehrgeiz liegt<br />

darin, dass er bei den Läufervölkern das geistige Niveau auf<br />

den gleichen Elitestand bringt wie auf dem Sportplatz. Das<br />

Stichwort heißt Bildung und ihre Förderung.<br />

Die letzten Schulabgänger der Kipkeino Primary School<br />

setzten sich zusammen aus 37 A-Kandidaten und je einem<br />

mit der Benotung B+ und B. Diese ersten Buchstaben des<br />

Alphabets sind gleichbedeutend mit sehr gut, zwei plus und<br />

zwei. Somit hatte sich jeder die Berechtigung erworben, auf<br />

die Secondary oder High School zu wechseln.<br />

Ohne von ihren unterschiedlichen Denkansätzen zu wissen,<br />

sehen sich Keino und Boit in ihren Zielen vereint, die Sterne<br />

vom Himmel zu holen. Für Keino ist Boit der typische Vertreter<br />

aus der Welt der Bücher, und als der bei der Kenyatta-<br />

University in Nairobi Professor für Sportwissenschaft wurde,<br />

erfüllte er sich einen lang gehegten Wunsch.<br />

Boit setzt seit drei Jahren die faszinierende Idee in die Wirklichkeit<br />

um, die besten Hochschul-Abgänger unter den Läu-

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