Sport und Kultur - ein neues Verhältnis? Anmerkungen zur Diskussion um "Staatsziel" und Verfassungsrang Von Ommo Grupe Auf seiner Mitgliederversammlung 2006 in Weimar beschloss der <strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong> Sportbund, sich darum zu bemühen, dass künftig "Sport" als Staatsziel im Grundgesetz unserer Republik verankert wird, und zwar neben Kultur. Dieser Beschluss löste unterschiedliche Reaktionen aus. Die Diskussion dazu wurde insbesondere in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geführt. Die an ihr beteiligten Autoren - zumeist Juristen - kamen dabei allerdings zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen: Der Sport gehöre 28 wegen seiner Leistungen als Staatsziel in das Grundgesetz, so die einen; sein Anspruch sei als unbegründet und auch als überflüssig anzusehen, so die anderen. Ähnlich kontrovers waren die Auffassungen von Bundestagsabgeordneten. Wer angenommen hatte, mit dieser Diskussion sei die nun schon über fast ein ganzes Jahrhundert anhaltende Auseinandersetzung über das Verhältnis von Sport und Kultur abgeschlossen, sah sich allerdings enttäuscht. Wichtige
Fragen blieben offen. Sie betrafen nicht nur Grundsätzliches. Warum löst sich zum Beispiel der DOSB mit seinem Anliegen, jetzt neben Kultur (und vielleicht dann auch noch anderen kulturellen Bereichen) im Grundgesetz aufgeführt zu werden, von einer von seinen Vorgänger-Organisationen DSB und NOK über Jahrzehnte verfolgten Linie, die darauf abzielte, im Unterschied dazu als Teil der Kultur anerkannt zu werden? Nun möchte er offensichtlich, dass man ihn als etwas Eigenes neben der Kultur aufführt - oder? Soll der organisierte Sport in Deutschland sich künftig nicht mehr als Teil der Kultur oder als Sportkultur verstehen? Wenn dies so sein sollte, würde dies seinem bisherigen Selbstverständnis nicht mehr entsprechen. Die Klärung dieser Frage ist im Übrigen unabhängig davon notwendig, ob Sport im Grundgesetz steht oder nicht. Eine andere Frage bezieht sich auf unser in den letzten Jahren deutlich verändertes Verständnis sowohl von dem, was Kultur als auch was Sport ist. Dies wiederum ist von erheblichem Einfluss darauf, wie deren Verhältnis heute einzuschätzen ist. Auch dies gilt zunächst unabhängig von ihrer grundgesetzlichen Verankerung. Warum sowohl die Befürworter des DOSB-Anliegens als auch die, die ihm widersprechen, dies nicht beachtet haben, ist besonders deshalb erklärungsbedürftig, weil es bei der ganzen Diskussion unvermeidlich ist, eine Antwort auf die Frage zu geben, von welcher Kultur man redet, von der man glaubt, dass sie ins Grundgesetz gehöre, und welchen Sport man meint, der neben dieser Kultur genannt werden sollte (oder eben nicht). Das Verhältnis von Kultur und Sport hat sich gewandelt Versucht man eine solche Antwort zu geben, dann ist zunächst daran zu erinnern, dass man, was den Kulturbegriff betrifft, seit Jahren einen deutlichen Wandel feststellen kann. Ging man lange von einem eng gefassten Begriff aus, nach dem Kultur vor allem als "Hochkultur" zu verstehen ist, so hat sich dieses traditionelle Verständnis inzwischen ausgeweitet. Genauer: Neben ihm hat sich ein ganz anderes, eher diffuses Verständnis von "Kultur" oder besser "Kulturen" entwickelt, das sich durch ganz unscharfe Grenzen auszeichnet. In diesem Zusammenhang hat sich auch das Verhältnis von Sport und Kultur verändert. Dies geschah aber nicht deshalb, weil der Sport nun "kulturwürdiger" geworden wäre, sondern weil sich nicht nur das Verständnis von "Kultur", sondern auch das von "Sport" gewandelt hat. Heute kann man ganz unbefangen von Sport als Kulturgut oder von Sportkultur sprechen. Zum Beispiel bezeichnet der Sportwissenschaftler Helmut Digel Laufen, Springen und Werfen und auch den Hochleistungssport als Kulturgut. Egidius Braun, früherer Fußball-Präsident, und dessen einstiger Nationalspieler und späterer Bundestrainer Jürgen Klinsmann werden im "Spiegel" mit dem Satz zitiert, dass Fußball Kultur sei. Im Titel der offiziellen Festschrift zum 50jährigen Gründungsjubiläum des DSB im Jahr 2000 wurde Sport ausdrücklich als "Kulturgut unserer Zeit" bezeichnet. Es ist aber noch gar nicht lange her, dass man so nicht hätte reden dürfen. Das traditionelle Kulturverständnis schloss den Sport ausdrücklich aus. Sogar eine "Afterkultur" wurde er, kaum aus England in Deutschland angekommen, bereits vor über hundert Jahren in den "Neuen Jahrbüchern für die Turnkunst" genannt. "Dem sozialen Kulturideal ist der Sport feindlich", so konnte man auch schon 1910 bei Heinrich Steinitzer, der in seiner Zeit nicht nur als Alpin-Schriftsteller bekannt wurde, lesen; "die sportliche Ausübung von Tätigkeiten" sei ein "Symptom des Verfalls", schrieb er. Darin wird eine von da an über Jahrzehnte hinweg verbreitete Auffassung deutlich, die Sport nicht der Kultur zurechnete, ihn vielmehr als Ausdruck kulturellen Niedergangs betrachtete. Das Verständnis von Kultur, das hinter einer solchen Auffassung steht, wird normativ genannt; es ist wertend, in seiner Wirkung abwertend für den Sport und aufwertend für die, die auf diese Weise ihre Sport- und Körperferne als tragendes Element ihres kulturellen Selbstverständnisses demonstrieren konnten, also in der Regel das Bildungsbürgertum. Mit einer solchen Kulturauffassung wurde der Sport in seinem Bemühen, als Kulturgut anerkannt zu werden, und dies heißt konkret als Teil von Erziehung und Schule, als akademisches Studienfach an der Universität, als Gegenstand wissenschaftlicher, künstlerischer und literarischer Bearbeitung immer wieder konfrontiert: Kultur sollte für großes Theater reserviert sein, für hohe Literatur, für Oper und Museen, nicht aber für schweißtreibende Sportaktivitäten. Mit einer solchen Abwertung wollten sich die Anhänger des Sports natürlich nicht abfinden. Deshalb setzten sie sich fast ein ganzes Jahrhundert lang gegen ein den Sport herabsetzendes oder gar ausschließendes Kulturverständnis zur Wehr. Dies sollte nicht nur ideellen Wert haben, sondern auch der Verbesserung von Ansehen und Lage des Sports dienen. Das bisherige normative Verständnis von Kultur wurde nun umgedreht. Diejenigen, die dem Sport seinen kulturellen Wert bestritten, wurden auf die Bedeutung der Leibesübungen in der Geschichte der Völker, auf ihre Behandlung in Dichtung und Literatur, auf ihre erzieherischen und gesundheitlichen Wirkungen und auf die Wertschätzung, die ihnen von großen Ärzten und Pädagogen zuteil geworden sei, verwiesen. Wer Sport nicht der Kultur zurechnete, der besaß selbst keine - so sollte die Botschaft heißen. Der Sport, der sich gegen ein ihn abweisendes Kulturverständnis zur Wehr setzte, tat dies jedoch, indem er versuchte, ausgerechnet einem Kulturideal 29
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