Plastische Chirurgie 8: Supplement 2 (2008) - DGPRÄC
Plastische Chirurgie 8: Supplement 2 (2008) - DGPRÄC
Plastische Chirurgie 8: Supplement 2 (2008) - DGPRÄC
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
2.2 Handchirurgie/Extremitäten 40 Jahre <strong>DGPRÄC</strong><br />
<strong>Plastische</strong> und Rekonstruktive<br />
Mikrochirurgie in Deutschland<br />
Edgar Biemer, Hans-Ulrich Steinau<br />
Seit der Gründung der Fachgesellschaft hat kein<br />
anderer Arbeitsbereich vergleichbare Innova tions -<br />
schübe ausgelöst und damit zum Renommee der<br />
<strong>Plastische</strong>n ChirurgInnen beigetragen.<br />
Heute zählen schwergradige Traumen, ausgedehnte<br />
Tumor-Resektionsdefekte, Bestrahlungsschäden und<br />
mutilierende Infektionen zum therapeutischen Alltag.<br />
Mikro chirurgische Techniken haben dabei die Indika -<br />
tionen im Kopf-Halsbereich, der Rumpfregion, am Uro -<br />
geni taltrakt und an den Extremitäten kontinuierlich er -<br />
weitert und belastende, mehrzeitige Verfahren abgelöst.<br />
Der Begriff „Inoperabilität“ erfährt völlig neue Grenzen.<br />
In enger Ko operation mit den Anatomen wurden die<br />
Landkarten der Spendenregionen durch Identifikation<br />
von dominanten Gefäßstielen auf den gesamten Körper<br />
ausgedehnt und verfeinert.<br />
Mit über 95% Einheilungschancen werden Zehen<br />
zum Fingerersatz, Weichgewebe zur Brustformung und<br />
Gewebeblöcke mit Knochenanteilen zum Gliedmaßen -<br />
erhalt autogen verpflanzt. Die Replantation von Fingern<br />
und Handabschnitten sowie Segmenttransplantationen<br />
zur Stumpfverlängerung gelten inzwischen als Routine -<br />
eingriffe. Innovative Autoplastiken mit Gewebezüchtung<br />
um einen Gefäßstiel, präformierte Körperteile (Nasen,<br />
Ohren) und die homologe Transplantation von Extremi -<br />
tätenabschnitten und Gesichtsanteilen gelten als zukünftige<br />
Herausforderungen.<br />
Weltweit begannen Arbeitsgruppen bereits Anfang<br />
der 60er Jahre mit der Entwicklung mikrochirurgischer<br />
Nahttechniken und der Konstruktion von Nahtmaterial<br />
und Instrumenten. Erste Tierversuche und klinische<br />
Einzelfallbeschreibungen wurden seit 1963 aus Japan,<br />
China, Australien und den USA publiziert.<br />
94<br />
<strong>Plastische</strong> <strong>Chirurgie</strong> 8 (Suppl. 2) � <strong>2008</strong><br />
Auch in Deutschland hätte diese Entwicklung Anfang<br />
der 60er Jahre beginnen können. Prof. K. Seiffert am<br />
Universitätsklinikum Frankfurt (Doktorvater von E.<br />
Biemer) hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eigene In -<br />
strumente und einen Approximator für Mikrogefäße<br />
konstruiert, ferner Nervennähte unter dem OP-Mikro -<br />
skop (einem Kolposkop) vorgenommen. Durch Struk -<br />
turmängel und den tragischen Tod von Karl Seiffert<br />
wurde diese Entwicklung beendet, die Instrumente befinden<br />
sich im Besitz seines Doktoranden.<br />
Weitere Initiativen sind eng mit der Abteilung für plastische<br />
<strong>Chirurgie</strong> am Klinikum rechts der Isar (Vorstand:<br />
Frau Prof. U. Schmidt-Tintemann) verbunden. Nach<br />
einem Gastaufenthalt am Canniesburn Hospital 1972, bei<br />
dem E. Biemer auf R. Acland traf, der experimentell<br />
mikrochirurgische Eingriffe an Rattengefäßen und -nerven<br />
durchführte, war das Interesse geweckt Darüber<br />
hinaus konnte er McGregor bei der Präparation von Axial<br />
Pattern Flaps assistieren. Parallel zu dieser Arbeitsgruppe<br />
hatte B. McO’Brien in Melbourne experimentelle<br />
Grundlagen geschaffen, die 1973 in seiner Abwesenheit<br />
zur ersten Leistenlappentransplantation führten. Nach<br />
der Rückkehr von E. Biemer wurden am Institut für experimentelle<br />
<strong>Chirurgie</strong> in München diese Techniken übernommen<br />
und in Zusammenarbeit mit W. Duspiva im<br />
März 1975 der erste Leistenlappen transplantiert. Im<br />
September 1975 erfolgte die erste Wiederanpflanzung<br />
eines Daumens. Nach 8-stündiger Operation überlebte<br />
dieser mit guter Funktion.<br />
In der Zwischenzeit präsentierte Earl Owen aus<br />
Sydney beim Chirurgenkongress 1975 die Ergebnisse bei<br />
145 geglückten Fingerreplantationen eine sensationelle<br />
Nachricht, die die Initiativen beschleunigte.