24 stuttgarter beiträge zur naturkunde Ser. A, Nr. 666Überleben von Relikten und führte letztlich zum Verlust der Fähigkeit zur Ausbreitung.Den eustasischen Meeresspiegelschwankungen, Veränderungen in längerenZeiträumen, die es zum Beispiel im Gebiet der Kurilen während des späten Pleistozänsmindestens zweimal gegeben hat (KRIVOLUZKAJA 1973, BEZVERCHNIY et al.2002, STEVENSON 2003), konnten die <strong>Aegialites</strong>-Arten als Felsenkletterer problemlosfolgen.Die Aegialitinae sind eine alte und primitive Gruppe innerhalb der Salpingidae.Die Arten der Gattung <strong>Aegialites</strong> sind dagegen relativ jung (Neoendemiten). DieHäufung eng benachbarter endemischer Arten (Abb. 1–3, Tab. 1) lässt sich nurdurch den Ablauf von Radiations-Prozessen in geologisch relativ kurzen Zeiträumenerklären. Die Speziations-Prozesse an diesen isolierten nordpazifischen Felsenküstenwurden offensichtlich durch Besiedlung neu entstandener freier Habitatinselndes gleichen Lebensraumes ausgelöst; sie entsprechen dem bekannten Musterder nicht-adaptiven Radiation zwischen benachbarten ozeanischen Inseln (z.B. dieKanaren mit den Gattungen Oxypoda Mannerheim, 1830 und Metopsia Wollaston,1864, siehe ZERCHE 1996, 1998a) bzw. zwischen benachbarten insulären Lebensräumenin Hochgebirgen (z.B. einige Gebirge der Balkanhalbinsel mit der GattungOphthalmoniphetodes Zerche, 1990; siehe ZERCHE 1990, 1993, 1999 sowie ASSING &WUNDERLE 1999).Dies lässt sich am Beispiel der Kurilen mit Daten zur geologischen Geschichte untermauern.Die Bildung des Kurilen-Archipels begann vor etwa 90 Millionen Jahren(STEVENSON 2003). Die Inseln des Kleinen Kurilen-Bogens (Habomai-Inselgruppeund Shikotan) sind geologisch älter. Sie stammen aus der späten Kreidezeit und ausdem Paläozän. Die Inseln des Großen Kurilen-Bogens, zu dem alle übrigen Inselnvon Shumshu im Norden bis Kunashir im Süden gehören, sind geologisch jünger –nur von hier sind <strong>Aegialites</strong>-Arten bekannt. Der Große Kurilen-Bogen hat währendder letzten 10 Millionen Jahre intensive vulkanische Aktivitäten erfahren und wurdeemporgehoben. Die südlichen Inseln Kunashir und Iturup tauchten im Pliozän oderim frühen Pleistozän aus der See auf und waren seither ständig über dem Meeresspiegel.Einige kleinere Inseln wurden dagegen durch mehr rezente vulkanische Aktivitätengebildet (STEVENSON 2003, TOMILOV 2003). Vor etwa 1,8 Millionen Jahrenwaren die Konturen der Uferlinien im Gebiet des Ochotskischen Meeres den heutigenähnlich (BEZVERCHNIY et al. 2002).Wahrscheinlich haben bei den flugunfähigen <strong>Aegialites</strong> auch Landbrücken für dieAusbreitung und für die Ausbildung des restringierten rezenten Areals eine wichtigeRolle gespielt. Ostasien und das westliche Nordamerika waren von der mittlerenKreidezeit (vor 100 Millionen Jahren) bis zum Pliozän und später noch zweimalwährend der pleistozänen Vereisungen über die Beringsee durch eine Landbrückeverbunden (SANMARTIN et al. 2001). Die über einen geologisch langen Zeitraum existierendeBering-Landbrücke, die für die <strong>Aegialites</strong>-Arten eine unüberwindlicheAusbreitungsschranke war, ist wahrscheinlich die Ursache für das Fehlen der Gattungnördlich der heutigen Beringstraße im Nördlichen Eismeer (Abb. 1), vielleichtsogar für ihr Fehlen in der nördlichen Beringsee. Die Gattung fehlt bisher auf den inder Beringsee nördlicher gelegenen Inseln Ostrov Karaginskij, Nunviak Island, St.Matthew Island, St. Lorenz Island und auch im Ochotskischen Meer (Abb. 1), die allenach LATTIN (1967) der arktischen Subregion der borealen Region angehören.
zerche, revision der gattung aegialites 254.6 Der Erforschungsgrad der GattungAuch nach dieser Revision, in der sechs Arten revidiert, eine davon revalidisiert,und 24 neu beschrieben werden, sind die Arten der Gattung <strong>Aegialites</strong> noch unzulänglichbekannt; man kennt die Diversität der Gattung nicht annähernd. Dieswird schon allein durch den Vergleich der Kurilen-Kette mit der geologisch, geographischund klimatisch ähnlich gearteten Alëuten-Kette deutlich.Von den insgesamt 25 Inseln der Kurilen sind jetzt 15 <strong>Aegialites</strong>-Arten von 12 Inselnbekannt, von drei weiteren Inseln existieren Literatur-Angaben bzw. ein nichtauswertbares Weibchen (Tab. 1, Abb. 2). Auf den neben Kunashir mit am besten erforschtenInseln des südlich gelegenen Kleinen Kurilen-Bogens, Shikotan und Habomai-Inselgruppe,fehlen bisher <strong>Aegialites</strong>-Funde. Zu dem vergleichsweise gutenKenntnisstand haben die systematischen Aufsammlungen auf allen Inseln im „InternationalKuril Island Project“ in den Jahren 1994–1999 (STOROZHENKO et al. 2002,IKIP 2003) wesentlich beigetragen.Für die Inselkette der Alëuten, die aus viel mehr und teilweise bedeutend größerenInseln besteht, die alle in dem für <strong>Aegialites</strong> optimalen Klimabereich liegen, kanneine tabellarische Darstellung unterbleiben; sie bestünde fast nur aus leeren Feldern.Die bisherigen Aufsammlungen von <strong>Aegialites</strong>-Arten auf den Alëuten erfolgten sehrsporadisch, zum Teil schon vor langer Zeit. Mir lagen nur zwei Weibchen von derInsel Unalaska vor [siehe 6.3 (3) und (4)]. HATCH (1938) zitiert einen Fund von derInsel Amchitka im Westen der Alëuten, der glaubwürdig erscheint und in die Verbreitungskarteder Gattung (Abb. 1) übernommen wurde. Auch wenn man berücksichtigt,dass mir nicht alles verfügbare Material vorgelegen hat, ist der unterschiedlicheErforschungsgrad beider Inselketten evident.Für A. californicus auctorum bzw. A. debilis auctorum gibt es die folgenden nichtgeprüften Meldungen aus der Literatur: SHARP & MUIR (1912) nennen den Fundort„Vancouver“ ohne den Zusatz „Island“. WICKHAM (1923) nennt außer den Inseln St.Paul und St. George, von denen hier jeweils eine <strong>Aegialites</strong>-Art beschrieben wird,auch den Fundort „Sea Lion Rock“ [ca. 57°02 N, 170°23 W]. HATCH (1965) gibtunter Verbreitungsangaben „sw Or.“ [= southwest Oregon] an. JACOBSON (1915)und SPILMAN (1967) nennen die zu Russland gehörenden Kommandeur-Inseln. NI-KITSKY (1992) nennt unter dem Namen <strong>Aegialites</strong> „stejnegeri“ neben den Kommandeur-Inseln,die zu Kamtschatka gehören, zusätzlich auch Kamtschatka. Er gibt aberden locus typicus von A. stejnegeri, 20 km vor der Küste von Sachalin [„?Sach. (o-vTjulenij)“ =?Sachalin (Ostrov Tjulenij)], nur mit Fragezeichen an und führt weiterhinfür A. „stejnegeri“ die Alëuten, die Pribilof-Inseln und die Queen Charlotte Islandsan, so dass seine Verbreitungsangaben insgesamt irreführend sind und Zweifelangebracht sind. „Kamtschatka“ wäre das erste Vorkommen einer <strong>Aegialites</strong>-Art ander Küste des asiatischen Festlandes.Meldungen von Hokkaidô aus dem Kariba-Motta Natural Park [ca. 42°36 N,139°51 O] (ÔHARA et al. 1989) und von Hokkaidô (SATO & SAITO 1989) unter demNamen A. „stejnegeri sugiharai“ und von Honshû von Kazamaura-mura [ca. 41°29N, 141°02 O] unter dem Namen A. „stejnegeri“ (ARAKI 1994) beziehen sich mit hoherWahrscheinlichkeit auf unbekannte Arten.Wenn man sich am Ergebnis dieser Studie orientiert, muss man annehmen, dass essich in allen diesen Fällen um jeweils andere Arten handelt.Nach <strong>Aegialites</strong>-Arten sollte weiter intensiv gesucht werden, auch wenn sich dieseSuche wegen der Unzugänglichkeit des Lebensraumes und der auch heute noch
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