<strong>1933</strong>ging, als er mit hochrotem, »gewaschenem« Kopf wieder aus NadolnysZimmer herauskam.“ 28Vier Tage gibt es jetzt einen <strong>neue</strong>n Kanzler und am Freitag stellt er denSpitzengenerälen der Reichswehr sein Programm <strong>vor</strong>. Die dort in Berlin<strong>vor</strong> ihm sitzen, das <strong>ist</strong> ganz alte preußische Schule. Hoch gebildet, ihremVaterland treu ergeben. Soldat muss jeder werden. Offizier schon nichtmehr. Wer General wird, der <strong>ist</strong> gebildet und seinem Vaterland ergeben.Dort drüben sitzt Kurt von Hammerstein, alter Adel aus Hinrichshagenin Mecklenburg, 54. <strong>Das</strong> <strong>ist</strong> die Preislage, die <strong>vor</strong> dem Kanzler, 43, sitzt.Noch eine Woche zu<strong>vor</strong> war der General zu Kanzler Schleicher gegangenum ihn zu fragen, „was an den Gerüchten über einen Regierungswechselwahr sei. Schleicher bestätigte, dass ihm der Reichspräsident so gut wiesicher heute oder morgen sein Vertrauen entziehen und er zurücktretenwerde. Ich ging zu Staatssekretär Meißner,“ dem Leiter des Büros vonHindenburg, „frug ihn, was nach dem Rücktritt Schleichers werden sollte,und sagte klar und deutlich, die Nationalsozial<strong>ist</strong>en würden nie in einKabinett Papen-Hugenberg eintreten. Ein solches Kabinett würde aufder einen Seite die Nationalsozial<strong>ist</strong>en, auf der andern die Linke zuFeinden, und so eine verschwindend kleine Basis haben. Die Armeemüsse dann für diese 7prozentige Basis gegen 93 Prozent des deutschenVolkes auftreten. <strong>Das</strong> wäre im höchsten Maße bedenklich; ob es sichnicht noch vermeiden ließe? Meißner sah die Lage offenbar ähnlich undveranlasste mich, meine Sorgen sofort dem Herrn Reichspräsidenten<strong>vor</strong>zutragen. Ich habe das getan. Hindenburg verbat sich äußerst empfindlichjede politische Beeinflussung, sagte dann aber, anscheinend, ummich zu beruhigen, »er dächte gar nicht daran, den österreichischen Gefreitenzum Wehrmin<strong>ist</strong>er oder Reichskanzler zu machen«.“ 29Am 3. Februar weiß von Hammerstein, dass er gescheitert <strong>ist</strong>. Kurt vonHammerstein-Equord <strong>ist</strong> der Chef der Heeresleitung. Diese Aussicht aufdas Abendessen mit Hitler, das um 20 Uhr im Speisesaal seiner BerlinerDienstwohnung beginnen soll, dürfte seine Stimmung nicht verbesserthaben. <strong>Es</strong> geht um einen Antrittsbesuch, bei dem sich der <strong>neue</strong> Reichskanzlerden führenden Generälen des Deutschen Reichs <strong>vor</strong>stellen will.Jetzt sitzt von Hammerstein dort drüben und hört, was der böhmische28 Ebd., S. 262f.29 Hans Magnus Enzensberger, Hammerstein oder Der Eigensinn, S. 101f.12
<strong>1933</strong>Gefreite, wie der Reichspräsident von Hindenburg ihn zu nennen pflegt,zu sagen <strong>hat</strong>. Er will sich engagieren für eine Revision der Bedingungenvon Versailles. Damit findet auch er Zustimmung. Nimmt man nur die<strong>vor</strong>handenen Möglichkeiten der verschiedenen europäischen Länder imnüchternen Vergleich, so <strong>ist</strong> Deutschland, bedingt durch die Regelungenvon Versailles, nicht in der Lage, sich gegen <strong>neue</strong>rliche Übergriffe durchPolen oder zum Beispiel durch Frankreich erfolgreich zu verteidigen. 30Doch wie will es der <strong>neue</strong> Kanzler anstellen? Hitler spricht „die erstenWorte gesetzt, dann in immer größerer Ekstase, über den Tisch gelegt,gestikulierend. Nach der Meinung der Generale sehr logisch und gut,überzeugend betreffend der innenpolitischen Probleme. Außenpolitischwenig klar. Nach Art seiner Agitationsreden wiederholte er die markantenStellen bis zu 10 Mal.“ 31 Logisch entwickelt er weiter: Die Reichswehrsolle wieder aufgebaut werden. Aber die Reichswehr bauen sie jajetzt schon seit Versailles wieder auf, heimlich. Dabei helfen ihnen dieSowjets. Die deutsche Wirtschaft und der Außenhandel sollen gefördertwerden. Gut. Dann erwähnt er, wie er das machen will: dass „vielleicht<strong>neue</strong> Exportmöglichkeiten erkämpft werden müssten oder vielleicht –und das wäre wohl besser – <strong>neue</strong>r Lebensraum im Osten erobert undrücksichtslos germanisiert werden müsste.“ 32 Der Kanzler möchte dieArbeitslosigkeit bekämpfen „durch groß angelegte Siedlungspolitik, dieeine Ausweitung des Lebensraumes des deutschen Volkes zur Voraussetzung<strong>hat</strong>. Dieser letzte Weg wäre mein Vorschlag. Man würde in einemZeitraum von 50-60 <strong>Jahr</strong>en einen vollkommen <strong>neue</strong>n gesundenStaat haben. Doch die Verwirklichung dieser Pläne kann erst in Angriffgenommen werden, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen seinwerden. Diese Voraussetzung heißt Konsolidierung des Staates. Manmuss zurück zu den Anschauungen, in denen der Staat gegründet wurde.Man darf nicht mehr Weltbürger sein. Demokratie und Pazifismussind unmöglich.“ Er redet weiter. „Um dieses Ziel zu erreichen, erstrebeich die gesamte politische Macht. Ich setze mir die Fr<strong>ist</strong> von 6-8 <strong>Jahr</strong>en,um den Marxismus vollständig zu vernichten. Dann wird das Heer fähigsein, eine aktive Außenpolitik zu führen, und das Ziel der Ausweitungdes Lebensraumes des deutschen Volkes wird auch mit bewaffneterHand erreicht werden. <strong>Das</strong> Ziel würde wahrscheinlich der Osten sei.30 Vgl. Schultze-Rhonhof, S. 246-25331 Enzensberger, S. 11732 Schultze-Rhonhof, S. 43313
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