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1933 Das neue Jahr hat vor wenigen Wochen angefangen. Es ist ...

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<strong>1933</strong>nicht jeder einmal mit seiner Portierfrau Streit gehabt oder dem Kohlenhändlertüchtig die Meinung gesagt? Hand aufs Herz, wer <strong>hat</strong> noch niemalseinen unbotmäßigen Dienstboten herausgeworfen oder seinemabermals Vorschuss begehrenden Handlungsgehilfen barsch die Tür gewiesen?Wie, wenn . . . ? Sorgenvoll schlägt das volksgenössische Gewissen.Denn eine Revolution präsentiert mit unheimlicher Gedächtnisschärfelängst vergilbte Rechnungen, nicht nur die h<strong>ist</strong>orischen, sondernauch die allerpersönlichsten. Ein Alpdruck quält darum nächtens solcheUnglückseligen, über deren politische Zuverlässigkeit noch das Testatihres Hauswartes oder des Betriebszellenobmanns aussteht. Deshalbhaben sie es alle so eilig.Wohl treibt viele unter ihnen die Bege<strong>ist</strong>erung. Aber mindestens ebensoviele Schlauberger fliehen in die NSDAP. Schlauere tun ein wenig mehrund laufen überdies zur SA. Noch Klügere tippen auf die SS, währenddie Gerissensten sich einen Amtswalterposten bei irgendeinem der neugegründeten Verbände verleihen lassen, etwa beim Luftschutz oder derWinterhilfe. Schlaue, Kluge und Gerissene sind sich jedoch in einem völligeinig: ein sichtbares Abzeichen <strong>ist</strong> gut, indessen weit besser nochzieht man sich hurtig eine Uniform an. In diesen erregten <strong>Wochen</strong> <strong>hat</strong>man lieber seinen unverbindlich-verbindlichen braunen Schutzheiligenzu Hause als irgendeinen verjährten Konflikt mit dem SA-Mann in derNachbarschaft. Bald sind Zivil<strong>ist</strong>en eine seltene Ausnahme in dem gebräuntenStraßenbild der Städte. Sie werden entweder als Ausländer angeglotztoder gelten als suspekt. Ein ganzes geschlagenes <strong>Jahr</strong> wird esdauern, bis diese braune Pracht – dann allerdings über Nacht und nahezuvollständig wieder verschwindet.“ 147„Hieraus erklärt sich ohne Umschweife, warum die schwarz-weiß-rotenKoalitionsgenossen jetzt so schnell ausfallen. Sie kommen bei diesemStimmaufwand und Marschtempo nicht mehr mit. Ihre schönge<strong>ist</strong>igen<strong>Es</strong>says, erst recht ihre gutherzigen Beteuerungen, an dem viel gefeiertenErfolge nicht ganz unbeteiligt zu sein, werden von den Braunhemdenüberschrien und von der faszinierten Menge inmitten allen Siegeslärmsüberhört. Fast über Nacht werden sie zu »Auchnationalen« und könnenfroh sein, wenn sie schnell noch als »Märzgefallene« Unterschlupf beider Partei oder SA finden. Liegt das bloß an dem schnöden Undank dernationalsozial<strong>ist</strong>ischen Parteiführer? Nein, das Volk will selber in diesen147 Gisevius I, S. 126-12855

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