30.07.2015 Aufrufe

1933 Das neue Jahr hat vor wenigen Wochen angefangen. Es ist ...

1933 Das neue Jahr hat vor wenigen Wochen angefangen. Es ist ...

1933 Das neue Jahr hat vor wenigen Wochen angefangen. Es ist ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>1933</strong>in eine Zeitung reinkommt. <strong>Es</strong> <strong>ist</strong> andererseits aber auch kein Zufall,dass Celina von Mirbach ernst nimmt, was sich im Lande tut. Sie gehörtzu den <strong>wenigen</strong> Leseratten, die das Buch Mein Kampf von Adolf Hitlerschon 1928 gelesen <strong>hat</strong>ten. Wer liest schon derartige politische Pamphleteoder auch nur Parteiprogramme? Man liest doch höchstens, wasin der Zeitung steht. Wenn man überhaupt irgendeine Zeitung mit Inhaltliest. Anzumerken bleibt, dass sich auch Baronesse von Mirbachnicht <strong>vor</strong> ein Schaufenster eines Juden stellt und die fliegenden Steineauffängt. Sie versucht es mit klaren Worten in einem Leserbrief.Der zweite einzige Held in Deutschland <strong>ist</strong> Karl Michael in Hettstedt amSüdharz. Er will in der Stadt gerade ein Paar Schuhe für seinen SohnWaldemar kaufen, als er die Männer von der SA sieht. Sie stehen <strong>vor</strong>dem Laden und erklären ihm, der Händler sei ein Jude und er solle dochwoanders einkaufen gehen. <strong>Das</strong> <strong>ist</strong> Karl so gleichgültig wie die Ansagedes Wetters von gestern. Er erwidert, dass die Schuhe hier am billigstenseien, und geht mit seinem Sohn in das Geschäft. 98 So harmlos bleibt dieSzene jedoch nicht überall.Der alltägliche Terror auf den Straßen bewirkt eine Reaktion, die sichernicht ungewöhnlich <strong>ist</strong>: viele haben banal Angst, dass sie selbst Schlägeabbekommen. Nur Einzelne greifen zu und helfen. Wer von den Lesernjetzt den ersten Stein wirft, muss sich fragen lassen, wann er schon malmit den Fäusten eine Schlägerei beendet <strong>hat</strong>. Wenn nicht gerade einervon der SA in der Nähe <strong>ist</strong>, raunen sich die Leute zu: „Lieber Gott machmich blind, dass ich Goebbels arisch find!“ 99 Zumindest aus der Zeitungkennen sie Bilder vom Klumpfuß und fragen sich, ob er eigentlich selbstschon mal in einen Spiegel gesehen <strong>hat</strong>. Nein, das kann die Tendenz zurAusgrenzung der Juden in Deutschland nicht aufhalten, aber es zeigt,was manch einer im Land von der Entwicklung hier hält. Richtig <strong>ist</strong> imgleichen Moment, dass viele Leute nichts dabei finden, dass andere invielen Bereichen diskriminiert werden. Die eine Wahrheit macht jedochdie andere Wahrheit nicht unwahr. Entscheidend wird später nur sein,wer dann in Deutschland noch zu Wort kommen wird.98 Erinnerung seines Enkels Peter Karl Michael aus Nassenerfurt in Hessen.99 Hirche, S, 11333

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!