<strong>1933</strong>nicht zu Unrecht für eine gefährliche, täuschende Maske gehalten wurde.Auch bei der Genfer Bevölkerung muss wohl instinktiv dieser Eindruckbestanden haben. <strong>Das</strong> erlebte ich persönlich in den Kinos, als eine<strong>Wochen</strong>schau gezeigt wurde, in der ich mit Goebbels am Tisch saß, ähnlichwie bei dem Groener-Interview über die Gleichberechtigung, undseine Friedensschalmeien auf Französisch wiedergab. <strong>Das</strong> Erscheinenvon Goebbels löste keine Demonstrationen aus, auch so lange er deutschsprach, verhielt sich das Publikum ruhig. Erst als es durch meine Übersetzungerfuhr, was er gesagt <strong>hat</strong>te, ging ein vielstimmiges Pfeifkonzertlos.“ 163Im Foyer des Hotels Carlton hält Goebbels am 28. September eine Rede,in der er unter anderem sagt: „Mit Schmerz und Enttäuschung <strong>hat</strong> dasdeutsche Volk in den vergangenen Monaten die Beobachtung gemacht,dass das Werden des nationalsozial<strong>ist</strong>ischen Staates und seine positivenRückwirkungen . . . in der Welt vielfach Verständnislosigkeit, Misstrauenoder gar Ablehnung gefunden haben.“ 164 Vor der vollen Halle erklärter die <strong>neue</strong> Ordnung in Deutschland zu einer „veredelten Art von Demokratie,in der kraft Mandat das Volk autoritär regiert wird“. Dr. Schmidtschaut sich um und sieht „ungläubige Skepsis“ und „manches ironischeLächeln“. Auf Zustimmung treffen hingegen seine Worte gegen denKommunismus: „Wem die Methoden, mit denen wir dem bolschew<strong>ist</strong>ischenAnsturm begegneten, zu hart erscheinen, der möge sich <strong>vor</strong> Augenhalten, was geschehen wäre, wenn es umgekehrt gekommen wäre.“ 165Auch hier steht nicht der herumwütende Zwerg, wie man ihn von derLeinwand kennt, sondern ein Herr im Anzug mit einer ruhigen Stimme.Schmidt konstatiert, wie ihn die Pressevertreter nachdenklich anblickenund dass einige Engländer und Amerikaner auch zustimmend nicken.Dr. Goebbels kommt auch auf Behandlung der Juden zu sprechen: „Ichstehe nicht an, offen zuzugeben, dass im Verlauf der nationalen Revolutiongelegentlich Übergriffe seitens unkontrollierbarer Elemente geschehensind.“ 166 Schmidt merkt süffisant an, wie eifrig die Worte des großenMe<strong>ist</strong>ers notiert werden, und dass natürlich diese Worte „am nächsten163 Schmidt, S. 278164 Ebd., S. 279165 Schmidt, S. 279166 Ebd., S. 279f.64
<strong>1933</strong>Tage in vielen Auslandszeitungen in großer Aufmachung“ 167 erscheinen,dass jedoch der nächste Satz, den er in dieser Angelegenheit sagt, „überalletwas verschämt weggelassen“ wird. Darin formuliert der Me<strong>ist</strong>er derAufklärung: „Unverständlich aber scheint es uns, dass sich das Auslandweigert, den von Deutschland abwandernden jüdischen Überschuss aufzunehmen.“168Dr. Schmidt steht neben dem Herrn Min<strong>ist</strong>er, übersetzt und beobachtetdie Zuhörerschaft in der feinen Halle. Goebbels redet und Schmidt übersetztnoch eine ganze Weile weiter. Wie der Kanzler spricht der Min<strong>ist</strong>ervon der Sehnsucht des deutschen Volkes nach Frieden. Wohl oder übelräumt der Dolmetscher ein, dass die Art und Weise, wie der Min<strong>ist</strong>er Dr.Goebbels formuliert, eben wie er sich gibt an diesem Nachmittag hier inGenf, die Vertreter der Presse aus aller Welt trotz aller Vorbehalte gegendas Regime, das er vertritt, sehr beeindruckt. „Genau so wie die Politikerwaren auch sie wohl überrascht, dass der maßlose Demagoge, als den sieGoebbels aus seinen Äußerungen kannten, nun in einer so zivilisiertenund verbindlichen Gestalt <strong>vor</strong> ihnen stand.“ 169 Dr. Schmidt fällt auf, dasssich speziell die Journal<strong>ist</strong>innen herandrängen. Ein Sicherheitsbeamtersagt danach zu ihm: „Mir war oft nicht ganz behaglich zumute, wenn ichDamen mit Handtaschen dicht <strong>vor</strong> dem Min<strong>ist</strong>er stehen sah. Man weißnie, was plötzlich aus so einer Tasche herausgezogen wird.“ 170Im Reichsgericht zu Leipzig beginnt unterdessen am 21. September derProzess gegen die Brandstifter vom Berliner Reichstag. Dr. Hans-BerndGisevius nimmt daran als Beobachter teil und berichtet für uns aus demSaale: „Zunächst erwe<strong>ist</strong> sich freilich lange Zeit als die einzige Sensationdieses Leipziger Sensationsprozesses, dass er überhaupt keine Sensationbringt. So etwas <strong>ist</strong> nach großspurigen Ankündigungen immer peinlich.Diesmal wirkt es besonders übel. Denn alles verzeihen die Neugierigender Welt, nur nicht, dass man die von ihnen erwarteten Enthüllungennicht bietet. Wohl sitzen die Zuschauer gespannt auf ihren Plätzen, unddie aus aller Welt zusammengeströmten Presseleute harren unentwegtder Dinge, die da kommen sollen. Allein, es gibt weder Zwischenfälle167 Ebd., S. 280168 Ebd., S. 280169 Schmidt, S. 280170 Ebd., S. 28065
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