<strong>1933</strong>»Ich habe gehört, dass ich in Bulgarien zum Tode verurteilt bin; nähereErkundigungen habe ich darüber nicht eingezogen, denn das interessiertmich nicht«, meint er mit lässiger Handbewegung.“ 177 Die Äußerung, ersei hier nicht nur Angeklagter, sondern auch Verteidiger für Dimitroff,wird quittiert, indem er bis auf Weiteres von der Sitzung ausgeschlossenwird. „<strong>Es</strong> wird auch höchste Zeit“, kommentiert Hans-Bernd Gisevius,„denn er tastet sich gefährlich an den Kern der Dinge heran. »Ist esmöglich, dass die Brandstifter durch den unterirdischen Gang in denReichstag gekommen sind?« fragt er neugierig und bohrt immer wiederin dieser peinlichen Geschichte herum.“ 178Dann kommt Hermann Göring in den Saal und möchte hier auch etwassagen. Doch er <strong>ist</strong> ganz schlecht: „Eigens für diesen Auftritt <strong>hat</strong> sich derInnenmin<strong>ist</strong>er ein Kostüm bauen lassen. Nie <strong>vor</strong>her, nie hinterher wirder darin abgebildet werden. Aber für diesen Tag passt es <strong>vor</strong>züglich. Eingreller, brauner Jagdanzug aus Leinen, Kniehosen, hohe braune Stiefel,so wirkt er schon rein äußerlich als Provokation des höchsten deutschenGerichtshofes. Und dann legt Göring los. Er brüllt. Er überschreit sich.Mit der einen Hand fuchtelt er wild in der Gegend herum. Mit demwohlparfümierten Taschentuch in der anderen Hand wischt er sich denperlenden Schweiß von der Stirn. Erst höhnt er: »In großen Zügen wirdim Braunbuch behauptet, dass mein Freund Goebbels mir diesen Planbeigebracht hätte, den Reichstag anzuzünden, und dass ich ihn dannfreudig ausgeführt hätte. <strong>Es</strong> wird weiter behauptet, dass ich diesemBrande zugesehen hätte, ich glaube, in eine blauseidene Toga gehüllt. <strong>Es</strong>fehlt nur noch, dass man behauptet, ich hätte, wie Nero beim BrandeRoms, Laute gespielt.« Dann wettert er: »<strong>Das</strong> Braunbuch <strong>ist</strong> eine Hetzschrift,die ich vernichten lasse, wo ich sie finde. Mit dieser idiotischenUntersuchung dürften wir uns überhaupt nicht befassen, denn damitverkümmern wir unsere eigenen Rechtsbegriffe.« Dann tobt der Innenmin<strong>ist</strong>er,er habe die Polizei wieder das Schießen gelehrt: »Ich übernehmedie Verantwortung. Wenn dort einer erschossen liegt, so habe ichihn erschossen.«“ 179177 Ebd., S. 42178 Gisevius I, S. 42f.179 Gisevius I, S. 4368
<strong>1933</strong>Der Uniformenfimmel des dicken Hermann <strong>ist</strong> eines der Dauerthemen.<strong>Es</strong> dauert gar nicht lange, da <strong>hat</strong> der Volksmund schon diesen Spruchausgeheckt: Hermann bestellt eine <strong>neue</strong> Uniform. „Aber diesmal ganzschlicht. Oben nur ein schmaler Kragen mit drei silbernen Streifen. Undalles Übrige dann ganz einfach in Gold.“ 180Als Dimitroff sprechen darf, kommt er der Lösung noch ein gutes Stücknäher: „Ich frage, was <strong>hat</strong> der Herr Innenmin<strong>ist</strong>er am 28. Februar undin den nächsten Tagen getan, damit durch die polizeiliche Untersuchungder Weg Lubbes von Berlin nach Henningsdorf, sein Aufenthalt im dortigenAsyl, seine Bekanntschaft mit zwei anderen Leuten dort festgestelltund so die Komplizen ausfindig gemacht werden konnten?“ 181 <strong>Das</strong> warenwohl zwei Nazis, denen van der Lubbe von den Zündelabsichten erzählteund die ihn in den nächsten Tagen nicht aus den Augen ließen. Wie warwohl auch die Abstimmung für die gleichzeitige Aktion der SA zustandegekommen. Jedenfalls fiel dem Herrn Min<strong>ist</strong>er auf Dimitroffs Frage nurein Psalm ein, der im Licht der vermutlichen Täterschaft schon wiedereine interessante Note erhält: „Ich selbst bin nicht Kriminalbeamter,sondern verantwortlicher Min<strong>ist</strong>er. Für mich war es deshalb nicht sowichtig, den einzelnen kleinen Strolch festzustellen, sondern die Partei,die verbrecherische Weltanschauung, die dafür verantwortlich war.“ 182„Die endlose Zeugenvernehmung klärt nichts auf, eigentlich macht sieden Kriminalfall von Tag zu Tag verworrener. Übergehen wir die berufsmäßigenLügner, ich meine die SS-Gruppenführer und <strong>neue</strong>n Polizeipräsidenten,dann <strong>ist</strong> das Merkwürdige, dass man keineswegs von lautergedungenen Zeugen reden kann. Dazu sind ihre Aussagen viel zu auseinanderliegendund ungekünstelt. Diese Leute sind me<strong>ist</strong>ens echt. Siesind typische Zeugen, wie man sie allenthalben finden kann. Keiner vondiesen Angestellten, Ehefrauen, Kellnern, Kneipwirten, Chauffeurenund Fahrstuhlführern wird ohne Weiteres seine Hand zum Meineid erheben.Sie bilden sich fest ein, mit ihren eigenen Augen gesehen zu haben,was sie jetzt so weitschweifig bezeugen. Sie wollen nicht der Verschleierungdienen, sie wollen aufklären. Sie wollen die Schuldigen dergerechten Strafe zuführen – aber gerade dadurch verwirren sie und hel-180 Hirche, S. 80181 Gisevius I, S. 43182 Gisevius I, S. 4469
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