stahlmarkt 3.2016 (März)
Aus dem Inhalt: Steel International / Werkstoffe / Rohre Profile Flansche - wire & Tube 2016 / IT, Digitalisierung / Edelstahl
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6 K<br />
SEITENBLICK<br />
Kein Grund zur Entwarnung<br />
Im vergangenen Jahr sind nur wenig große, bekannte Unternehmen in die<br />
Insolvenz geraten. Auch die Gesamtzahl der Pleiten ist erneut gesunken.<br />
Bedenklich ist dagegen, dass es in Teilen des Mittelstands mehr Schieflagen<br />
gegeben hat. Zudem verdecken die gute Konjunktur und die niedrigen<br />
Zinsen Risiken, die unter anderen Umständen rasch zu Schieflagen führen.<br />
Wer in diesen Wochen versucht, sich<br />
ein Bild vom Insolvenzgeschehen in Deutschland<br />
zu machen, stößt auf zwei Umstände,<br />
die auf den ersten Blick nicht zueinander<br />
passen: Zum einen ist da die satte Rechnung,<br />
die der Pensionssicherungsverein<br />
(PSV), gesetzlich bestimmter Träger der<br />
Insolvenzsicherung, vor Kurzem an seine<br />
Mitglieder verschickte. Gut 780 Mill. € sollten<br />
die Unternehmen<br />
dafür zahlen,<br />
dass der Versicherungsverein<br />
im Fall<br />
ihrer Insolvenz einspringt.<br />
So teuer ist<br />
dieser Risikoschutz<br />
schon lange nicht<br />
mehr gewesen. Seit 2012 war der Beitragssatz<br />
des PSV drei Jahre hintereinander gefallen<br />
– und nun das.<br />
Zum anderen meldete der Verband der<br />
Vereine Creditreform für 2015 einen erneuten<br />
Rückgang der Insolvenzen. Betroffen<br />
waren 23.230 Unternehmen – ein Minus<br />
von 3,3 % gegenüber 2014 und zudem der<br />
niedrigste Wert seit Einführung der Insolvenzordnung<br />
im Jahr 1999. Das irritiert,<br />
denn üblicherweise ist der Beitragssatz, den<br />
der Pensionssicherungsverein erhebt, ein<br />
guter Indikator für das Insolvenzgeschehen<br />
in Deutschland: Wenn im Jahresverlauf viele<br />
große Betriebe mit hunderten von Mitarbeitern<br />
zahlungsunfähig geworden sind, stellt<br />
der PSV am Jahresende rückwirkend eine<br />
vergleichsweise hohe Prämie in Rechnung.<br />
Umgekehrt verlangt er einen vergleichsweise<br />
moderaten Beitrag, wenn es in den<br />
Monaten zuvor nur wenige Großinsolvenzen<br />
gegeben hat.<br />
Das irritiert, denn üblicherweise ist der<br />
Beitragssatz, den der Pensionssicherungsverein<br />
erhebt, ein guter Indikator für das<br />
Insolvenzgeschehen in Deutschland. Die<br />
Botschaft, die von dem jüngsten Schreiben<br />
des Versicherungsvereins ausgeht, ist – so<br />
hat es den Anschein – eindeutig: Es gibt<br />
»<br />
Kann es sein, dass die gute Konjunktur und die<br />
komfortable Eigenkapitalausstattung Risiken<br />
verbergen, die unter veränderten Umständen sehr<br />
rasch zu einer Schieflage führen?<br />
wieder mehr Unternehmen, die in Zahlungsnöten<br />
stecken. Gerade das ist aber nach<br />
Zahlen von Creditreform nicht der Fall.<br />
Die Sache ist verzwickt. Nach Analyse von<br />
Creditreform hat – entgegen dem allgemeinen<br />
Trend – die Zahl der Schieflagen von<br />
mittelgroßen Unternehmen vor allem im<br />
Verarbeitenden Gewerbe zuletzt deutlich<br />
zugenommen. Und bei diesen »Mittelstandsinsolvenzen«<br />
sind auch mehr versorgungsberechtigte<br />
Stellen weggefallen als 2014.<br />
Hinzu kommt: Unter den Betroffenen gab<br />
es vergleichsweise viele Arbeitnehmer mit<br />
Ansprüchen auf eine überdurchschnittlich<br />
hohe Rente. Um die zu finanzieren, hat der<br />
PSV den Beitrag erhöht.<br />
Diese Entwicklung zeigt, wie gefährlich es<br />
ist, die Bewertung des Insolvenzgeschehens<br />
nur an der Zahl der Firmenpleiten festzumachen.<br />
Tatsächlich ist die Gemengelage<br />
vielschichtiger. Deshalb ist zu fragen, ob der<br />
Insolvenzantrag bei Gericht, der ja immer<br />
das traurige Ende eines oft langen Prozesses<br />
ist, die einzige Aussage zur Stabilität und<br />
Bonität eines Betriebs bleiben kann. Kann es<br />
nicht sein, dass die gute Konjunktur und die<br />
komfortable Eigenkapitalausstattung eines<br />
Unternehmens Risiken verbergen, die unter<br />
veränderten Umständen (etwa höheren Zinsen)<br />
sehr rasch zu einer Schieflage führen?<br />
Oder konkret: Wie viele Unternehmen verfügen<br />
über eine so schwache Bonität, dass<br />
sie vergleichsweise leicht in wirtschaftliche<br />
Nöte geraten können?<br />
Creditreform hat versucht, diese Frage zu<br />
beantworten und dabei eine strenge Zahlungsausfall-Definition<br />
zu Grunde gelegt,<br />
wie sie bei Banken üblich ist. Ergebnis: Zum<br />
Jahresende 2015 wiesen 310.850 Unternehmen<br />
zumindest eines der genannten<br />
Negativmerkmale auf. Diese Zahl zeigt, wo -<br />
raus sich bei einer Änderung der guten Wirtschaftslage<br />
und erschwerten Finanzierungsbedingungen<br />
ein Wiederanstieg der Insolvenzzahlen<br />
speist.<br />
Überhaupt verdeckt die vergleichsweise<br />
niedrige Zahl der Unternehmenszusammenbrüche<br />
im vergangenen Jahr, dass sich die<br />
Situation keineswegs in allen Wirtschaftsbereichen<br />
entspannt hat. So gab es vor allem<br />
im Verarbeitenden Gewerbe mehr Insolvenzen<br />
als 2014 (+ 3,4 %). Betroffen waren<br />
insbesondere exportstarke Unternehmen,<br />
die infolge der merklich gedrosselten wirtschaftlichen<br />
Entwicklung in vielen Schwellenländern<br />
sowie des Russlandembargos vor<br />
Probleme gestellt waren. Bedenklich ist auch<br />
die Entwicklung im Baugewerbe: Trotz des<br />
Baubooms mussten 3.510 Betriebe aus wirtschaftlichen<br />
Gründen aufgeben (0,9 % mehr<br />
als 2014). Sonst zeigt sich das gewohnte<br />
Branchenbild. Der überwiegende Teil aller<br />
Insolvenzen (56 %) betrifft weiterhin den<br />
Dienstleistungsbereich.<br />
Knapp fünf Jahre nach Einführung des<br />
Gesetzes zur weiteren Erleichterung der<br />
Sanierung von Unternehmen – kurz ESUG<br />
– zeigt sich: Erste Erfolge sind da, aber es<br />
bleibt noch viel zu verbessern. ber K<br />
(sm 160303152)<br />
<strong>stahlmarkt</strong> 0<strong>3.2016</strong>