stahlmarkt 3.2016 (März)
Aus dem Inhalt: Steel International / Werkstoffe / Rohre Profile Flansche - wire & Tube 2016 / IT, Digitalisierung / Edelstahl
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8 K Steel International<br />
Die US-Stahlbranche zeigt<br />
wenig Optimismus<br />
Tiefrote Zahlen bei U.S. Steel<br />
New York (bln). Wenige Tage, nachdem ein mächtiger Wintersturm<br />
entlang der amerikanischen Ostküste und vor allem in New York neue<br />
Schneefallrekorde setzte, sorgte der einstige Stahlgigant U.S. Steel für<br />
einen weiteren, schockierenden Rekord an der Wall Street: Die Aktien<br />
des Unternehmens rutschten auf unter 7 USD gegenüber einem<br />
Jahreshöchststand von über 27 USD ab – auf den niedrigsten Wert seit<br />
25 Jahren.<br />
Neuer Tarifvertrag trotz Krise<br />
Dennoch schaffte U.S. Steel, was die Konkurrenten<br />
ArcelorMittal und Allegheny Technology<br />
nicht schafften: Nach monatelangen<br />
Verhandlungen und fast vier Monate nach<br />
Auslaufen des Tarifvertrages einigte sich das<br />
Traditionsunternehmen mit der Stahlarbeitergewerkschaft<br />
USW über einen neuen<br />
Tarifvertrag für die ca. 18.000 U.S.-Steel-<br />
Arbeiter. Obwohl die Ergebnisse des langwierigen<br />
Ratifizierungsprozesses noch nicht<br />
vorlagen, erwarteten Beobachter, dass sich<br />
die Mehrheit der Belegschaft für das von der<br />
USW-Führung empfohlene neue Arrangement<br />
entscheiden würde. Denn trotz der<br />
Krise im Stahlsektor, die U.S. Steel besonders<br />
hart traf, gab es letztendlich einen<br />
Kompromiss, der insbesondere im harten<br />
Ringen um die Finanzierung der Krankenversicherung<br />
von beiden Seiten akzeptabel<br />
worden war.<br />
Von Anfang an war man sich dabei einig,<br />
dass Krisenzeiten besondere Lösungen verlangen.<br />
Doch ging es um konkrete Zugeständnisse,<br />
taten sich beide Seiten monatelang<br />
schwer. Zu Beginn der Verhandlungen<br />
verlangte U.S. Steel, dass fortan jeder Arbeiter<br />
10 % der Krankenkassenbeiträge zahlen<br />
sollte, etwa 180 USD pro Monat. Diese Forderung<br />
lehnte die Gewerkschaftsseite kategorisch<br />
ab. Die Hürde fiel, als die Gewerkschaft<br />
dem Einfrieren der Löhne und einer<br />
höheren Beteiligung an den Kosten für Me -<br />
dikamente und Arztbesuche zustimmte. Ein<br />
neu ausgehandelter Plan für die Gewinnbeteiligung<br />
der Belegschaft garantiert höhere<br />
Zahlungen, wenn das Unternehmen wieder<br />
Gewinne macht. In einem weiteren Punkt<br />
buchte die Arbeitnehmerseite einen Sieg, als<br />
U.S. Steel die Forderung fallen ließ, für neu<br />
eingestellte Arbeiter die Unternehmensbeiträge<br />
für Krankenkassenbeiträge und<br />
Pensionen zu verringern.<br />
Der jüngste Aktiensturz kam als Reaktion<br />
auf die im Januar veröffentlichten Verluste<br />
des vierten Quartals 2015, als das<br />
Unternehmen 999 Mill. USD Minus machte.<br />
Für das gesamte Jahr 2015 war gar ein Verlust<br />
von 1,5 Mrd. USD im Vergleich zu einem<br />
Gewinn von 102 Mill. USD für 2014 zu verzeichnen.<br />
Trotz der insgesamt schwachen<br />
Stahlnachfrage und niedriger Preise meldete<br />
die Nucor Corporation für das Jahr 2015 im<br />
Vergleich einen Gewinn von 357,7 Mill. USD.<br />
Nucor, ein reiner Minimill-Produzent und<br />
heute größter Stahlhersteller im Land, hatte<br />
an diesem für U.S. Steel schwarzen Tag trotz<br />
eines letzthin ebenfalls gefallenen Aktienwerts<br />
einen über elfmal höheren Marktwert<br />
als der integrierte und einstmals führende<br />
Konkurrent im Stahlsektor.<br />
Ebenso entmutigend wie die roten Zahlen<br />
bei U.S. Steel fiel die Vorschau von Unternehmenschef<br />
Mario Longhi auf das neue<br />
Jahr aus. »Wir begegnen enormem Gegenwind<br />
und Ungewissheit in vielen Sektoren,<br />
die wir beliefern«, erklärte Longhi und<br />
warnte vor der Möglichkeit, dass sich die<br />
Marktlage für alle Produkte des Unternehmens<br />
weiter verschlechtern könne. Im letzten<br />
Jahresquartal betrug die Kapazitätsnutzung<br />
der Flachstahlwerke nur 57 % und für<br />
das gesamte Jahr 2015 mit 60 % nur<br />
gering fügig mehr.<br />
Dass die Bilanzen nicht noch katastrophaler<br />
ausfielen, hatte zwei Gründe: Zum einen<br />
gab es im Zuge des mehrjährigen »Carnegie<br />
Way«-Programms, das die Effizienz drastisch<br />
erhöhen soll, Einsparungen in Höhe von 815<br />
Mill. USD. Zum anderen wurden in den letzten<br />
Monaten die Produktion in einer Reihe<br />
von Stahlwerken, Kokereien und Eisenerzgruben<br />
zurückgeschraubt, Betriebe vorübergehend<br />
oder dauerhaft stillgelegt und der<br />
Bau eines neuen Elektroofens in Alabama<br />
aufgeschoben. Tausende von Stahlarbeiter<br />
verloren bis auf weiteres ihre Jobs.<br />
U.S. Steel-Vertrag findet<br />
keine Nachahmer<br />
Die Hoffnung, dass der zwischen U.S. Steel<br />
und USW ausgehandelte Kompromiss in<br />
den Verhandlungen bei Allegheny Technologies<br />
Inc. (ATI) und ArcelorMittal als Blaupause<br />
dienen würde, erfüllte sich vorerst<br />
nicht. Allegheny Technologies, Hersteller<br />
von Spezialstählen, sperrte im August 2.200<br />
Arbeiter in zwölf Werken aus und verhandelte<br />
seitdem sporadisch mit Gewerkschaftsvertretern.<br />
Auch hier blieb der Hauptstreitpunkt<br />
die Unternehmensforderung, dass<br />
Arbeiter maßgeblich zu den Krankenversicherungskosten<br />
beitragen müssen, eine<br />
Forderung, die die Gewerkschaft ablehnt.<br />
Nachdem das Unternehmen Anfang August<br />
sein »letztes« Angebot vorlegte und USW<br />
nicht zustimmte, begann die Aussperrung.<br />
Nirgends im Stahlsektor ist die Stimmung<br />
bitterer als unter den ausgesperrten ATI-Arbeitern.<br />
Ende des vergangenen Jahres kündigte<br />
der »National Labor Relations Board«,<br />
eine Behörde der Bundesregierung, eine<br />
Untersuchung an, die feststellen soll, ob die<br />
Aussperrung dem einschlägigen Bundesgesetz<br />
zufolge illegal ist. Das führte nach den<br />
Feiertagen zur Wiederaufnahme der Tarifgespräche,<br />
allerdings nicht zu Anzeichen<br />
einer Einigung.<br />
Bei ArcelorMittal, wo der Tarifvertrag<br />
Anfang September 2015 auslief, arbeiten<br />
die 13.000 Beschäftigten weiter, obwohl<br />
auch hier die Fronten verhärtet sind. Das<br />
Unternehmen verlangt, dass die gewerkschaftlich<br />
organisierten Werke zu den glei-<br />
<strong>stahlmarkt</strong> 0<strong>3.2016</strong>