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Filmwirtschaft<br />
Blut zu Gold?<br />
● Hollywood schaut wie gebannt nach<br />
China. Denn der Kinomarkt boomt dort.<br />
2017 wurden in China an den Kinokassen<br />
8,6 Milliarden Dollar eingenommen – ein<br />
Zuwachs von 14 Prozent gegenüber dem<br />
Vorjahr. <strong>Der</strong> neueste Hit, die Komödie<br />
»Hello Mr. Billionaire«, spielte Ende Juli<br />
am ersten Wochenende mehr als 130 Mil -<br />
lionen Dollar ein, mehr als doppelt so<br />
viel wie der Tom-Cruise-Film »Mission:<br />
Impossible – Fallout« zur gleichen Zeit<br />
in den USA. <strong>Der</strong> Plot des chinesischen<br />
Blockbusters basiert lose auf einer ame -<br />
rikanischen Vorlage und handelt von<br />
einem nichtsnutzigen Fußballer, der in<br />
einem Monat rund 150 Millionen Dollar<br />
ausgeben muss, um ein Erbe von mehr<br />
als vier Milliarden Dollar antreten zu<br />
Comics<br />
»Ich schäme mich«<br />
<strong>Der</strong> US-amerikanische Autor Nick Drnaso,<br />
29, über die <strong>No</strong>minierung seines Buchs<br />
»Sabrina«, das als erster Comic auf der<br />
Longlist des Man Booker Prize gelandet ist<br />
DER SPIEGEL Nr. <strong>32</strong> / 4. 8. <strong>2018</strong><br />
dürfen. Man könnte also von einem<br />
Luxus problem reden. Obwohl die Pekinger<br />
Führung Verschwendungssucht offiziell<br />
geißelt und von den Eliten des Landes<br />
einen verantwortungsvollen<br />
Umgang mit ihrem neu gewonnenen<br />
Reichtum fordert, hatte sie gegen<br />
»Hello Mr. Billionaire« offenbar<br />
wenig einzuwenden. Das weckt<br />
auch in Hollywood Begehrlichkeiten.<br />
Jason Blum, einer der momentan erfolgreichsten<br />
amerikanischen Filmproduzenten<br />
(»Get Out«), will nun ausgerechnet<br />
in China Horrorfilme drehen. Dabei ist<br />
fast alles, was dieses Genre ausmacht, im<br />
chine sischen Kino bislang verboten und<br />
wird von der Zensur sehr rigide beschnitten,<br />
so etwa die Darstellung extremer<br />
Gewalt oder übernatürlicher Kräfte.<br />
Bleibt also abzuwarten, wie Blum Blut<br />
zu Gold machen will. LOB<br />
Drnaso<br />
SPIEGEL: Herr Drnaso, als Sie »Sabrina«<br />
fertigstellten, bekamen Sie eine Depres -<br />
sion. Warum?<br />
Drnaso: Gerade als ich damit fertig wurde,<br />
verlor ich den Glauben an das Projekt und<br />
habe die Veröffentlichung abgesagt. Die<br />
Absage von »Sabrina« war aber eine Folge<br />
meiner Depression, nicht der Grund dafür.<br />
SPIEGEL: Was war los?<br />
Drnaso: Ich hatte Paranoia, meine Aussicht<br />
insgesamt war ziemlich finster.<br />
Leider hat die Arbeit an diesem Buch<br />
meine Ängste eher verschlimmert.<br />
SPIEGEL: »Sabrina« spielt in der Zukunft<br />
und handelt, grob gesagt, von Misstrauen<br />
und Angst. Warum ist der Comic die richtige<br />
Form für diese Geschichte?<br />
Drnaso: Comics sind die einzige Kunstform,<br />
in der ich arbeite, ich hatte nicht<br />
die Wahl eines anderen Mediums. Ich bin<br />
immer auf der verzweifelten Suche nach<br />
Ideen, aber mit »Sabrina« wusste ich, das<br />
könnte gehen als Comic.<br />
SPIEGEL: Sind Sie besser als Schreiber<br />
oder als Zeichner?<br />
Drnaso: Ich habe mit beidem Probleme.<br />
Ich hoffe, meine Fehler gleichen sich<br />
gegenseitig aus.<br />
SPIEGEL: Sie scheinen sich ja ganz schön<br />
zu hassen. Haben Sie eine Ahnung,<br />
warum Sie mit »Sabrina« für den Booker<br />
Prize nominiert wurden?<br />
Drnaso: Ich hab mich nie um Aus -<br />
zeichnungen gekümmert. Und ich schäme<br />
mich, dass ich so viel Aufmerk -<br />
samkeit von anderen Schriftstellern<br />
weg nehme.<br />
SPIEGEL: »Sabrina« ist der erste Comic<br />
in 49 Jahren, der nominiert wurde.<br />
Schön, oder?<br />
Drnaso: Comics besetzen einen schönen,<br />
kleinen Platz in der Welt der Geschichten.<br />
Die Gier nach einer größeren Leserschaft<br />
oder mehr Akzeptanz ist nichts,<br />
worüber meine Freunde und ich uns Ge -<br />
danken machen.<br />
SPIEGEL: Werden Sie gewinnen?<br />
Drnaso: Ich finde nicht, dass ich es<br />
sollte. TKW<br />
OLIVIA OBINEME FOR THE OBSERVER<br />
Elke Schmitter Besser weiß ich es nicht<br />
Es wird<br />
Es gibt zwei Themen, um die<br />
man im Moment nicht<br />
herumkommt, das eine ist<br />
#MeTwo, das andere die Hitze.<br />
Wenn man über das eine<br />
uneins ist, kann man schnell<br />
zum anderen übergehen; wer<br />
den deutschen Alltagsrassismus leugnet,<br />
wird bei den täglichen Temperaturen<br />
nicht so weitermachen, so hat man wenigstens<br />
über einen Teil der Wirklichkeit<br />
eine Einigung erzielt und kann sich langsam<br />
wieder zurückarbeiten.<br />
Unter Umständen muss man dazu<br />
eine andere Jahreszeit abwarten, vielleicht<br />
braucht es auch länger. Was über<br />
Jahrzehnte (die ersten Gastarbeiter,<br />
also Arbeitsmigranten, warb die Bundesrepublik<br />
in den Fünfzigerjahren an)<br />
immer wieder alle möglichen Varianten<br />
eines Ausnahmezustands annehmen,<br />
aber nie eine Selbstverständlichkeit<br />
werden durfte, lässt sich in einem Sommer<br />
wohl nicht richten. Früher nannte<br />
man so etwas einen Verblendungszusammenhang,<br />
inzwischen denken die<br />
Leute bei diesem Begriff ans Markisengeschäft,<br />
er ist aber schwer zu ersetzen,<br />
ohne viele Worte zu machen.<br />
Immerhin nehmen die Deutschen,<br />
die sich gewissermaßen isländisch<br />
fühlen, als Abkömmlinge eines sehr<br />
übersichtlichen Genpools, zahlenmäßig<br />
konsequent ab, das bringt die Wirklichkeit<br />
so mit sich. Ich denke vor allem<br />
deshalb sehr gern an Island, weil dort<br />
die Höchsttemperatur nicht mehr als<br />
15 Grad Celsius erreicht. Das kann man<br />
unterschiedlich bewerten, aber nicht<br />
leugnen; auch setzt sich langsam die<br />
Einsicht durch, dass unser Wetter zwar<br />
schicksalhaft empfunden wird, aber<br />
kein Schicksal mehr ist.<br />
Falls die deutschen Lehrpläne im<br />
Umgang mit den Tatsachen ein wenig<br />
schneller sind als die CDU, deren Mitglied<br />
Frau Professor und Ministerin a.D.<br />
Rita Süssmuth ihrer Partei schon 2001<br />
ein Zuwanderungsgesetz empfahl, wird<br />
die derzei tige Kita-Generation den An -<br />
thropozän nicht nur buchstabieren können,<br />
sondern auch verstanden haben,<br />
wenn es die Geschicke der Republik übernimmt.<br />
In den Seniorenheimen gibt man<br />
dann lange schon In-vitro-Schnitzel aus,<br />
und die Alten erzählen den Urenkeln,<br />
die auf ihren künstlichen Kniescheiben<br />
reiten, von diesem sagenhaft heißen Sommer<br />
<strong>2018</strong>, in dem sie was begriffen ha -<br />
ben, einfach durch Zuhören und Lesen.<br />
An dieser Stelle schreiben Elke Schmitter und<br />
Nils Minkmar im Wechsel.<br />
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