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Der Spiegel Magazin No 32 vom 04. August 2018

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Filmwirtschaft<br />

Blut zu Gold?<br />

● Hollywood schaut wie gebannt nach<br />

China. Denn der Kinomarkt boomt dort.<br />

2017 wurden in China an den Kinokassen<br />

8,6 Milliarden Dollar eingenommen – ein<br />

Zuwachs von 14 Prozent gegenüber dem<br />

Vorjahr. <strong>Der</strong> neueste Hit, die Komödie<br />

»Hello Mr. Billionaire«, spielte Ende Juli<br />

am ersten Wochenende mehr als 130 Mil -<br />

lionen Dollar ein, mehr als doppelt so<br />

viel wie der Tom-Cruise-Film »Mission:<br />

Impossible – Fallout« zur gleichen Zeit<br />

in den USA. <strong>Der</strong> Plot des chinesischen<br />

Blockbusters basiert lose auf einer ame -<br />

rikanischen Vorlage und handelt von<br />

einem nichtsnutzigen Fußballer, der in<br />

einem Monat rund 150 Millionen Dollar<br />

ausgeben muss, um ein Erbe von mehr<br />

als vier Milliarden Dollar antreten zu<br />

Comics<br />

»Ich schäme mich«<br />

<strong>Der</strong> US-amerikanische Autor Nick Drnaso,<br />

29, über die <strong>No</strong>minierung seines Buchs<br />

»Sabrina«, das als erster Comic auf der<br />

Longlist des Man Booker Prize gelandet ist<br />

DER SPIEGEL Nr. <strong>32</strong> / 4. 8. <strong>2018</strong><br />

dürfen. Man könnte also von einem<br />

Luxus problem reden. Obwohl die Pekinger<br />

Führung Verschwendungssucht offiziell<br />

geißelt und von den Eliten des Landes<br />

einen verantwortungsvollen<br />

Umgang mit ihrem neu gewonnenen<br />

Reichtum fordert, hatte sie gegen<br />

»Hello Mr. Billionaire« offenbar<br />

wenig einzuwenden. Das weckt<br />

auch in Hollywood Begehrlichkeiten.<br />

Jason Blum, einer der momentan erfolgreichsten<br />

amerikanischen Filmproduzenten<br />

(»Get Out«), will nun ausgerechnet<br />

in China Horrorfilme drehen. Dabei ist<br />

fast alles, was dieses Genre ausmacht, im<br />

chine sischen Kino bislang verboten und<br />

wird von der Zensur sehr rigide beschnitten,<br />

so etwa die Darstellung extremer<br />

Gewalt oder übernatürlicher Kräfte.<br />

Bleibt also abzuwarten, wie Blum Blut<br />

zu Gold machen will. LOB<br />

Drnaso<br />

SPIEGEL: Herr Drnaso, als Sie »Sabrina«<br />

fertigstellten, bekamen Sie eine Depres -<br />

sion. Warum?<br />

Drnaso: Gerade als ich damit fertig wurde,<br />

verlor ich den Glauben an das Projekt und<br />

habe die Veröffentlichung abgesagt. Die<br />

Absage von »Sabrina« war aber eine Folge<br />

meiner Depression, nicht der Grund dafür.<br />

SPIEGEL: Was war los?<br />

Drnaso: Ich hatte Paranoia, meine Aussicht<br />

insgesamt war ziemlich finster.<br />

Leider hat die Arbeit an diesem Buch<br />

meine Ängste eher verschlimmert.<br />

SPIEGEL: »Sabrina« spielt in der Zukunft<br />

und handelt, grob gesagt, von Misstrauen<br />

und Angst. Warum ist der Comic die richtige<br />

Form für diese Geschichte?<br />

Drnaso: Comics sind die einzige Kunstform,<br />

in der ich arbeite, ich hatte nicht<br />

die Wahl eines anderen Mediums. Ich bin<br />

immer auf der verzweifelten Suche nach<br />

Ideen, aber mit »Sabrina« wusste ich, das<br />

könnte gehen als Comic.<br />

SPIEGEL: Sind Sie besser als Schreiber<br />

oder als Zeichner?<br />

Drnaso: Ich habe mit beidem Probleme.<br />

Ich hoffe, meine Fehler gleichen sich<br />

gegenseitig aus.<br />

SPIEGEL: Sie scheinen sich ja ganz schön<br />

zu hassen. Haben Sie eine Ahnung,<br />

warum Sie mit »Sabrina« für den Booker<br />

Prize nominiert wurden?<br />

Drnaso: Ich hab mich nie um Aus -<br />

zeichnungen gekümmert. Und ich schäme<br />

mich, dass ich so viel Aufmerk -<br />

samkeit von anderen Schriftstellern<br />

weg nehme.<br />

SPIEGEL: »Sabrina« ist der erste Comic<br />

in 49 Jahren, der nominiert wurde.<br />

Schön, oder?<br />

Drnaso: Comics besetzen einen schönen,<br />

kleinen Platz in der Welt der Geschichten.<br />

Die Gier nach einer größeren Leserschaft<br />

oder mehr Akzeptanz ist nichts,<br />

worüber meine Freunde und ich uns Ge -<br />

danken machen.<br />

SPIEGEL: Werden Sie gewinnen?<br />

Drnaso: Ich finde nicht, dass ich es<br />

sollte. TKW<br />

OLIVIA OBINEME FOR THE OBSERVER<br />

Elke Schmitter Besser weiß ich es nicht<br />

Es wird<br />

Es gibt zwei Themen, um die<br />

man im Moment nicht<br />

herumkommt, das eine ist<br />

#MeTwo, das andere die Hitze.<br />

Wenn man über das eine<br />

uneins ist, kann man schnell<br />

zum anderen übergehen; wer<br />

den deutschen Alltagsrassismus leugnet,<br />

wird bei den täglichen Temperaturen<br />

nicht so weitermachen, so hat man wenigstens<br />

über einen Teil der Wirklichkeit<br />

eine Einigung erzielt und kann sich langsam<br />

wieder zurückarbeiten.<br />

Unter Umständen muss man dazu<br />

eine andere Jahreszeit abwarten, vielleicht<br />

braucht es auch länger. Was über<br />

Jahrzehnte (die ersten Gastarbeiter,<br />

also Arbeitsmigranten, warb die Bundesrepublik<br />

in den Fünfzigerjahren an)<br />

immer wieder alle möglichen Varianten<br />

eines Ausnahmezustands annehmen,<br />

aber nie eine Selbstverständlichkeit<br />

werden durfte, lässt sich in einem Sommer<br />

wohl nicht richten. Früher nannte<br />

man so etwas einen Verblendungszusammenhang,<br />

inzwischen denken die<br />

Leute bei diesem Begriff ans Markisengeschäft,<br />

er ist aber schwer zu ersetzen,<br />

ohne viele Worte zu machen.<br />

Immerhin nehmen die Deutschen,<br />

die sich gewissermaßen isländisch<br />

fühlen, als Abkömmlinge eines sehr<br />

übersichtlichen Genpools, zahlenmäßig<br />

konsequent ab, das bringt die Wirklichkeit<br />

so mit sich. Ich denke vor allem<br />

deshalb sehr gern an Island, weil dort<br />

die Höchsttemperatur nicht mehr als<br />

15 Grad Celsius erreicht. Das kann man<br />

unterschiedlich bewerten, aber nicht<br />

leugnen; auch setzt sich langsam die<br />

Einsicht durch, dass unser Wetter zwar<br />

schicksalhaft empfunden wird, aber<br />

kein Schicksal mehr ist.<br />

Falls die deutschen Lehrpläne im<br />

Umgang mit den Tatsachen ein wenig<br />

schneller sind als die CDU, deren Mitglied<br />

Frau Professor und Ministerin a.D.<br />

Rita Süssmuth ihrer Partei schon 2001<br />

ein Zuwanderungsgesetz empfahl, wird<br />

die derzei tige Kita-Generation den An -<br />

thropozän nicht nur buchstabieren können,<br />

sondern auch verstanden haben,<br />

wenn es die Geschicke der Republik übernimmt.<br />

In den Seniorenheimen gibt man<br />

dann lange schon In-vitro-Schnitzel aus,<br />

und die Alten erzählen den Urenkeln,<br />

die auf ihren künstlichen Kniescheiben<br />

reiten, von diesem sagenhaft heißen Sommer<br />

<strong>2018</strong>, in dem sie was begriffen ha -<br />

ben, einfach durch Zuhören und Lesen.<br />

An dieser Stelle schreiben Elke Schmitter und<br />

Nils Minkmar im Wechsel.<br />

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