ROUZBEH FOULADI / IMAGO Metropole Teheran: Tausende protestieren gegen die Regierung EBRAHIM NOROOZI / AP PHOTO / PICTURE ALLIANCE Basarbesucher in der iranischen Hauptstadt: Viele wissen nicht mehr, wovon sie künftig leben sollen 84
Ausland »Wir fühlen uns alleingelassen« Iran Sechs Iranerinnen und Iraner berichten vor dem Inkrafttreten der US-Sanktionen von ihrem Alltag, der Angst vor einem Krieg und ihren ganz persönlichen Sorgen. M it kaum einem Land beschäftigt sich US-Präsident Donald Trump so obsessiv wie mit Iran. Diese Woche bot er der iranischen Führung überraschend Gespräche »ohne Vorbedingungen« an, nachdem er sich zuvor über Twitter mit Präsident Hassan Rohani und Außenminister Mohammad Javad Zarif einen beispiellosen Schlagabtausch geliefert hatte. In Großbuchstaben hatte Trump geschrieben: »Bedrohen Sie niemals wieder die USA, oder Sie werden Konsequenzen erleiden wie nur wenige zuvor in der Geschichte.« Irans Führung lehnt ein Treffen mit Trump ab, erst recht nachdem dieser im Mai einseitig das Nuklearabkommen mit Iran aufgekündigt hat. In wenigen Tagen, am 6. <strong>August</strong>, sollen die ersten der seit 2016 ausgesetzten US-Sanktionen erneut in Kraft treten. Für die Wirtschaft des Landes wird das gravierende Folgen haben. Die Wohlhabenden schaffen ihr Vermögen bereits ins Ausland. Preise für Einfuhrgüter stiegen um ein Vielfaches. Mieten und Lebensmittel drohen unbezahlbar zu werden. Weil viele Menschen nicht mehr wissen, wovon sie künftig leben sollen, brodelt es im Land. Nicht nur wirtschaft liche, auch gesellschaftliche Proteste erhöhen den Druck auf das Regime: Tausende protestieren gegen die Regierung, Lkw-Fahrer streiken, Frauen kämpfen für neue Freiheiten. Sechs Iranerinnen und Iraner erzählen, was sie in diesen Wochen umtreibt. Sie schildern, wie die Politik sich auf ihren Alltag auswirkt, was sie von Donald Trump halten und wie mühsam ihr Leben geworden ist. Nasrin Sotoudeh, 55, ist Menschenrechtsanwältin. Bereits 2010 schrieb sie einen Beitrag für den SPIEGEL. Im selben Jahr wurde sie festgenommen und erhielt eine sechsjährige Haftstrafe. Im September 2013 entließ man sie vorzeitig. Fünf Tage nach dem Gespräch, aus dem der folgende Text entstand, kam sie wieder in Haft. DER SPIEGEL Nr. <strong>32</strong> / 4. 8. <strong>2018</strong> Ich weiß noch genau, wie die neue Frauen - protestwelle am 27. Dezember begann: Auf der Straße der Revolution in Teheran war eine Frau namens Vida Movahedi auf einen Kasten am Gehweg gestiegen, hatte ihr Kopftuch abgenommen und es wie eine Fahne geschwenkt. Nach ihr haben zahlreiche Frauen ihr Kopftuch öffentlich abgelegt. Sie wurden unter Druck gesetzt, bedroht und inhaftiert. Als Anwältin wollte ich meinen Beitrag leisten und die Verteidigung der Frauen übernehmen. Es geht darum, ihre Grundrechte zu verteidigen. Jede Frau muss selbst über ihren Körper und ihre Kleidung entscheiden können. Keine Regierung sollte sich hier einmischen, das Kopftuch weder vorschreiben noch verbieten. Die Menschenrechtslage in Iran hat sich in den vergangenen Monaten weiter verschlechtert. Nach dem Austritt der USA aus dem Atomabkommen beherrscht die Angst vor einem Krieg das Land, daneben verblassen alle anderen Sorgen. In einer solchen Zeit könne man nicht über Menschenrechte reden, heißt es jetzt bei uns. <strong>Der</strong> Austritt der USA aus dem Abkommen trägt zur weiteren Verschlechterung der Wirtschaftslage bei. Seit Monaten ist die Stimmung im Land angespannt und Anwältin Sotoudeh FARZANEH KHADEMIAN / ACTION PRESS bedrückend. <strong>Der</strong> Staat hat kaum etwas unternommen, um die Spannungen zu lösen. Präsident Hassan Rohani hat einen Schritt in die richtige Richtung unternommen: Er hat den Iranern gesagt, dass er ihre wirtschaftlichen Sorgen gehört habe und wisse, dass es ihnen auch um politische Forderungen gehe. Doch das reicht nicht. Eine Regierung muss einsehen, dass sie Verantwortung trägt, und Entscheidungen treffen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Rohanis Kabinett sich gegenüber der Justiz durchsetzen kann – sie ist eine Bastion der Hardliner. Sie versuchen es nicht einmal. Was die Machthaber nun am meisten fürchten, sind öffentliche Proteste. Deswegen haben sie vorsorglich Maßnahmen ergriffen und die Rechte von politischen Angeklagten weiter eingeschränkt. Die Justiz hat eine Liste mit 20 Anwälten an Teheraner Gerichte geschickt. Nur diese 20 dürfen in politischen Streitfällen die Verteidigung der Angeklagten während der Ermittlungsphase übernehmen. Die Betroffenen haben also keinen Zugang mehr zu unabhängigen Anwälten. Über die Anklagepunkte dringen keine Informationen nach außen. Auch in anderen Städten hat man solche Listen verschickt. Ich habe nicht eine Sekunde gezögert, meine Meinung im SPIEGEL zu äußern. Es gibt Rechte, die man beschützen muss. Die freie Meinungsäußerung ist ein solches Recht. Omid Samadi, 30, Archäologe und Touristenführer in der Gartenstadt Schiras Man kann den Amerikanern nicht trauen, ihren Worten nicht und auch nicht ihren Taten. Sie sind unberechenbar. Bei Trump hatten wir von Anfang an kein gutes Gefühl, auch weil er mit seinem Einreisebann vielen Iranern verwehrt, in die USA zu reisen. Die Nachricht von der Kündigung des Atomabkommens war für mich ein Schock. Damit sind unsere Hoffnungen auf eine Verbesserung der Lage hier gestorben. Die Chance auf Frieden ist vertan. Nun brechen die alten ideologischen Konflikte zwischen Iran und den USA wieder auf. An einen neuen Deal glaube ich nicht, auch wenn Trump sich tatsächlich mit der iranischen Führung treffen sollte. Meinen Freunden und mir geht es darum, ein besseres Leben zu führen. Ich bin Archäologe, finde aber in meinem Beruf keine Arbeit. Finanziell hänge ich, wie so viele Iraner in meinem Alter, von der Unterstützung meiner Familie ab. Ich lebe noch bei meinen Eltern. Eine eigene Wohnung kann ich mir nicht leisten; deshalb habe ich nie geheiratet und keine Kinder. <strong>Der</strong> Mangel ist ein ständiger Streitpunkt auch in der Familie. Meine Mutter hat sich die Hüfte gebrochen. Aber ihre Rente reicht nicht für eine OP und auch nicht für Medikamente. Die Elite kann für Behandlungen ins Ausland reisen, Ajatollah Mahmoud Hashemi Shahroudi zum Beispiel, der ehemalige Justizchef, dem Menschenrechtsverbrechen nachgesagt werden. Er wurde in Deutschland behandelt, bezahlt von iranischem Steuergeld. Wenn wir protestieren gegen solche Missstände oder Korruption, riskieren wir, eingesperrt zu werden, auch jetzt, unter dem als moderat geltenden Rohani. Aber ich will meine Familie nicht in Gefahr bringen. Die Methode der Islamischen Repu- 85
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