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Titel<br />
mal gelten: Die Globaltemperatur wird<br />
bis dahin wohl um mindestens zwei Grad<br />
gestiegen sein, wahrscheinlich sogar um<br />
noch mehr.<br />
Das, immerhin, ist unzweifelhaft. Die<br />
Wetteraufzeichnungen seit 1881 belegen<br />
für Deutschland bereits einen Anstieg der<br />
Durchschnittstemperatur von bislang 1,4<br />
Grad Celsius – allerdings nicht gleichmäßig<br />
über das Jahr verteilt, sondern besonders<br />
stark im Winter und im Frühling. Es<br />
gibt immer mehr heiße Tage über 30 Grad<br />
und immer weniger Eistage mit einer<br />
Höchsttemperatur unter null Grad.<br />
»In Zukunft werden die extrem kalten<br />
Winter abnehmen«, sagt DWD-Experte<br />
Gerhard Lux. »Aber das bedeutet nicht,<br />
dass die Winter angenehmer werden, der<br />
Niederschlag nimmt sogar zu, aber eben<br />
nicht mehr als Schnee, sondern eher als<br />
Regen.« Skigebiete dürften es dann schwer<br />
haben, auch Straßen werden öfter zerstört,<br />
vor allem in den Bergen. Denn wenn der<br />
Permafrostboden auftaut, kommt es häufiger<br />
zu Felsstürzen.<br />
Doch es gibt auch positive Effekte: Die<br />
geringere Schneeschmelze bringt Flüsse<br />
wie den Rhein weniger zum Anschwellen,<br />
die Frühjahrsüberschwemmungen in Köln<br />
werden seltener.<br />
»<strong>Der</strong> Frühling beginnt dann so ähnlich<br />
wie in diesem Jahr deutlich früher als<br />
sonst«, sagt Lux. »Die Weinlese wird nach<br />
vorne verschoben und findet nicht mehr<br />
im Parka statt, sondern im T-Shirt.«<br />
Auch für Lux ist das Besondere weniger<br />
die Hitze als vielmehr die besondere Dürre<br />
dieses Jahres, hervorgerufen durch das<br />
Dauerhoch über Skandinavien. Ein solches<br />
Einrasten einer hartnäckigen Wetterlage<br />
könnte in Zukunft öfter vorkommen –<br />
und zwar auch mit der gegenteiligen Wirkung,<br />
so wie beim Dauerregen im vorigen<br />
Sommer, der in <strong>No</strong>rddeutschland die Kanalisation<br />
überforderte und die Keller zum<br />
Absaufen brachte.<br />
Begünstigt wird ein derartiges Einrasten<br />
dadurch, dass sich die höheren Breiten<br />
stärker erwärmen als die niedrigen, die<br />
Temperaturdifferenz zwischen Äquator<br />
und den Polen nimmt ab. Eine Folge: Die<br />
rasenden Höhenwinde, Jetstream genannt,<br />
mäandrieren stärker, geraten in eine Art<br />
Stauzustand. Einfach ausgedrückt: <strong>Der</strong><br />
Motor in der Atmosphäre, der die Tiefs<br />
und die Hochs in Bewegung hält, könnte<br />
künftig schwächeln, sich verlangsamen.<br />
»Wenn sich eine Wetterlage einmal verfestigt<br />
hat, dann kann man auf einer Trogachse<br />
Dauerregen haben und tausend Kilometer<br />
weiter auf der anderen Seite eine<br />
hartnäckige Dürre«, sagt Lux. »Die einen<br />
bekommen dann zu viel Regen, die anderen<br />
zu wenig, und beide leiden.«<br />
Viele Effekte des Klimawandels wirkten<br />
zunächst überraschend für Laien, sagt Lux.<br />
Die Sommer werden tendenziell trockener,<br />
dennoch steigt die Gesamtmenge der Niederschläge<br />
sogar leicht an. Wie das funktioniert?<br />
Einfach dadurch, dass die Winter<br />
deutlich feuchter werden.<br />
Eine Dürre wie in diesem Sommer, so<br />
eine Überblicksstudie des Climate Service<br />
Center Germany in Hamburg, könnte<br />
Ende des Jahrhunderts häufiger auftreten.<br />
Vor allem im <strong>No</strong>rdosten, im Südwesten<br />
und im Süden des Landes könnten die<br />
Sommerniederschläge stark abnehmen,<br />
am stärksten in den Alpen.<br />
Damit käme Deutschland, relativ weit<br />
nördlich gelegen, noch glimpflich davon.<br />
In Mittelmeerländern wie Spanien könnten<br />
sich die Trockenperioden fast ver -<br />
dreifachen auf über fünf Monate pro<br />
Jahr. Teile Spaniens, Italiens und Griechenlands<br />
würden sich dann in eine Wüste<br />
verwandeln.<br />
Aber all diese regionalen Prognosen<br />
sind noch mit Vorsicht zu genießen. Denn<br />
sie basieren auf extrem grobmaschigen<br />
Modellen. London oder Paris, Amsterdam<br />
oder Aachen? <strong>Der</strong>lei Details spielen in Klimasimulationen<br />
kaum eine Rolle. Es geht<br />
ums große Ganze.<br />
Welches Modell aber ist das richtige?<br />
Die meisten Forscher nehmen erst einmal<br />
so viele Prognosen wie möglich, um nach<br />
und nach herauszufinden, wo die jeweiligen<br />
Schwächen und Stärken liegen. Klimavorhersagen<br />
sind deshalb vielstimmig,<br />
aber eben doch nicht beliebig. Es gibt einen<br />
Grundkonsens, denn gerade durch<br />
ihre Unterschiede stützen sie sich gegenseitig;<br />
und der Dürresommer <strong>2018</strong> passt<br />
dabei gut ins Bild.<br />
Allerdings: Auch häufigere Phasen der<br />
Trockenheit wären für Deutschland letztlich<br />
gut beherrschbar – was Verbandsfunktionäre,<br />
Lobbyisten und Abgeordnete natürlich<br />
nicht daran hindert, wegen der diesjährigen<br />
Dürre das eine oder andere für<br />
sich zu fordern.<br />
Seit dieser Woche, beispielsweise, gibt<br />
es für die Trockenheit eine neue Maß -<br />
einheit: 1 000 000 000. Eine Milliarde<br />
Euro fordert Bauernverbandschef Joachim<br />
Rukwied als staatliche Soforthilfe. Das<br />
Geld solle an all jene landwirtschaftlichen<br />
Betriebe verteilt werden, deren Erträge<br />
Temperaturabweichung im Juli <strong>2018</strong> gegenüber dem langjährigen Monatsmittel (1981 bis 2010)<br />
– 5°C – 4 – 3<br />
– 2<br />
– 1<br />
0<br />
+ 1<br />
+ 2<br />
+ 3<br />
+ 4<br />
+ 5<br />
Mittel- und <strong>No</strong>rdeuropa liegen unter<br />
einer Wärmeglocke, auch in Sibirien<br />
ist es ungewöhnlich warm.<br />
Im nördlichen Kanada dagegen ist<br />
es deutlich kühler als sonst.<br />
Quellen: ECMWF; Copernicus Climate Change Service<br />
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