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Der Spiegel Magazin No 32 vom 04. August 2018

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Titel<br />

mal gelten: Die Globaltemperatur wird<br />

bis dahin wohl um mindestens zwei Grad<br />

gestiegen sein, wahrscheinlich sogar um<br />

noch mehr.<br />

Das, immerhin, ist unzweifelhaft. Die<br />

Wetteraufzeichnungen seit 1881 belegen<br />

für Deutschland bereits einen Anstieg der<br />

Durchschnittstemperatur von bislang 1,4<br />

Grad Celsius – allerdings nicht gleichmäßig<br />

über das Jahr verteilt, sondern besonders<br />

stark im Winter und im Frühling. Es<br />

gibt immer mehr heiße Tage über 30 Grad<br />

und immer weniger Eistage mit einer<br />

Höchsttemperatur unter null Grad.<br />

»In Zukunft werden die extrem kalten<br />

Winter abnehmen«, sagt DWD-Experte<br />

Gerhard Lux. »Aber das bedeutet nicht,<br />

dass die Winter angenehmer werden, der<br />

Niederschlag nimmt sogar zu, aber eben<br />

nicht mehr als Schnee, sondern eher als<br />

Regen.« Skigebiete dürften es dann schwer<br />

haben, auch Straßen werden öfter zerstört,<br />

vor allem in den Bergen. Denn wenn der<br />

Permafrostboden auftaut, kommt es häufiger<br />

zu Felsstürzen.<br />

Doch es gibt auch positive Effekte: Die<br />

geringere Schneeschmelze bringt Flüsse<br />

wie den Rhein weniger zum Anschwellen,<br />

die Frühjahrsüberschwemmungen in Köln<br />

werden seltener.<br />

»<strong>Der</strong> Frühling beginnt dann so ähnlich<br />

wie in diesem Jahr deutlich früher als<br />

sonst«, sagt Lux. »Die Weinlese wird nach<br />

vorne verschoben und findet nicht mehr<br />

im Parka statt, sondern im T-Shirt.«<br />

Auch für Lux ist das Besondere weniger<br />

die Hitze als vielmehr die besondere Dürre<br />

dieses Jahres, hervorgerufen durch das<br />

Dauerhoch über Skandinavien. Ein solches<br />

Einrasten einer hartnäckigen Wetterlage<br />

könnte in Zukunft öfter vorkommen –<br />

und zwar auch mit der gegenteiligen Wirkung,<br />

so wie beim Dauerregen im vorigen<br />

Sommer, der in <strong>No</strong>rddeutschland die Kanalisation<br />

überforderte und die Keller zum<br />

Absaufen brachte.<br />

Begünstigt wird ein derartiges Einrasten<br />

dadurch, dass sich die höheren Breiten<br />

stärker erwärmen als die niedrigen, die<br />

Temperaturdifferenz zwischen Äquator<br />

und den Polen nimmt ab. Eine Folge: Die<br />

rasenden Höhenwinde, Jetstream genannt,<br />

mäandrieren stärker, geraten in eine Art<br />

Stauzustand. Einfach ausgedrückt: <strong>Der</strong><br />

Motor in der Atmosphäre, der die Tiefs<br />

und die Hochs in Bewegung hält, könnte<br />

künftig schwächeln, sich verlangsamen.<br />

»Wenn sich eine Wetterlage einmal verfestigt<br />

hat, dann kann man auf einer Trogachse<br />

Dauerregen haben und tausend Kilometer<br />

weiter auf der anderen Seite eine<br />

hartnäckige Dürre«, sagt Lux. »Die einen<br />

bekommen dann zu viel Regen, die anderen<br />

zu wenig, und beide leiden.«<br />

Viele Effekte des Klimawandels wirkten<br />

zunächst überraschend für Laien, sagt Lux.<br />

Die Sommer werden tendenziell trockener,<br />

dennoch steigt die Gesamtmenge der Niederschläge<br />

sogar leicht an. Wie das funktioniert?<br />

Einfach dadurch, dass die Winter<br />

deutlich feuchter werden.<br />

Eine Dürre wie in diesem Sommer, so<br />

eine Überblicksstudie des Climate Service<br />

Center Germany in Hamburg, könnte<br />

Ende des Jahrhunderts häufiger auftreten.<br />

Vor allem im <strong>No</strong>rdosten, im Südwesten<br />

und im Süden des Landes könnten die<br />

Sommerniederschläge stark abnehmen,<br />

am stärksten in den Alpen.<br />

Damit käme Deutschland, relativ weit<br />

nördlich gelegen, noch glimpflich davon.<br />

In Mittelmeerländern wie Spanien könnten<br />

sich die Trockenperioden fast ver -<br />

dreifachen auf über fünf Monate pro<br />

Jahr. Teile Spaniens, Italiens und Griechenlands<br />

würden sich dann in eine Wüste<br />

verwandeln.<br />

Aber all diese regionalen Prognosen<br />

sind noch mit Vorsicht zu genießen. Denn<br />

sie basieren auf extrem grobmaschigen<br />

Modellen. London oder Paris, Amsterdam<br />

oder Aachen? <strong>Der</strong>lei Details spielen in Klimasimulationen<br />

kaum eine Rolle. Es geht<br />

ums große Ganze.<br />

Welches Modell aber ist das richtige?<br />

Die meisten Forscher nehmen erst einmal<br />

so viele Prognosen wie möglich, um nach<br />

und nach herauszufinden, wo die jeweiligen<br />

Schwächen und Stärken liegen. Klimavorhersagen<br />

sind deshalb vielstimmig,<br />

aber eben doch nicht beliebig. Es gibt einen<br />

Grundkonsens, denn gerade durch<br />

ihre Unterschiede stützen sie sich gegenseitig;<br />

und der Dürresommer <strong>2018</strong> passt<br />

dabei gut ins Bild.<br />

Allerdings: Auch häufigere Phasen der<br />

Trockenheit wären für Deutschland letztlich<br />

gut beherrschbar – was Verbandsfunktionäre,<br />

Lobbyisten und Abgeordnete natürlich<br />

nicht daran hindert, wegen der diesjährigen<br />

Dürre das eine oder andere für<br />

sich zu fordern.<br />

Seit dieser Woche, beispielsweise, gibt<br />

es für die Trockenheit eine neue Maß -<br />

einheit: 1 000 000 000. Eine Milliarde<br />

Euro fordert Bauernverbandschef Joachim<br />

Rukwied als staatliche Soforthilfe. Das<br />

Geld solle an all jene landwirtschaftlichen<br />

Betriebe verteilt werden, deren Erträge<br />

Temperaturabweichung im Juli <strong>2018</strong> gegenüber dem langjährigen Monatsmittel (1981 bis 2010)<br />

– 5°C – 4 – 3<br />

– 2<br />

– 1<br />

0<br />

+ 1<br />

+ 2<br />

+ 3<br />

+ 4<br />

+ 5<br />

Mittel- und <strong>No</strong>rdeuropa liegen unter<br />

einer Wärmeglocke, auch in Sibirien<br />

ist es ungewöhnlich warm.<br />

Im nördlichen Kanada dagegen ist<br />

es deutlich kühler als sonst.<br />

Quellen: ECMWF; Copernicus Climate Change Service<br />

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