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Der Spiegel Magazin No 32 vom 04. August 2018

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Wirtschaft<br />

erbittert bekämpft. Ganz uneigennützig<br />

war der Einsatz allerdings auch nicht.<br />

Spohr & Co. fürchteten, bei einer ungeordneten<br />

Insolvenz von Air Berlin und<br />

einem sofortigen Grounding – also einem<br />

Ausfall aller Flüge – könnten Konkurrenten<br />

wie Ryanair und Easyjet quasi über<br />

Nacht die frei werdenden Streckenrechte<br />

übernehmen und sich vor der eigenen<br />

Haustür noch breiter machen. So begann<br />

ein anderes, nicht minder spannendes<br />

Schauspiel.<br />

Dass es in einem solchen Drama enden<br />

würde, konnte damals noch niemand ahnen.<br />

Dafür hatte alles zu vielversprechend<br />

begonnen.<br />

Pakt im Hinterzimmer<br />

Am 27. Mai 2015, morgens um halb sechs,<br />

erschienen Beamte der heimischen Kantonspolizei<br />

vor dem eindrucksvollen Gebäudekomplex<br />

des Zürcher Luxushotels<br />

Baur au Lac, um sechs angeblich korrupte<br />

Fifa-Funktionäre festzunehmen. Hotel -<br />

angestellte verschleierten den Abtransport<br />

der Fußballgrößen mit weißen Tischtüchern,<br />

um deren Anonymität zu sichern.<br />

So viel Aufwand brauchte es für die beiden<br />

Männer nicht, die sich dort ein Dreivierteljahr<br />

später, im Frühjahr 2016, zu<br />

einer geheimen Besprechung trafen. Aber<br />

auch sie wollten nicht gesehen und erkannt<br />

werden. Deshalb mietete Etihad-Chef Hogan<br />

für sein Wiedersehen mit Spohr ein<br />

Separee.<br />

»Mach dir keine Sorgen, Carsten«, soll<br />

er den Lufthansa-Chef vorab beruhigt haben,<br />

»die Rechnung zahle ich.« Immerhin<br />

kostet das kleinste Hinterzimmer im Baur<br />

au Lac rund 800 Euro – ohne Speisen und<br />

Alkoholika.<br />

Beide kannten sich noch aus der Zeit,<br />

als Hogan für die frühere Lufthansa-Tochter<br />

British Midland gearbeitet hatte. Auch<br />

bei Sitzungen des höchsten Repräsenta -<br />

tionsgremiums der Weltluftfahrtorganisation<br />

IATA waren sie sich als Vertreter ihrer<br />

Airlines in den vergangenen Jahren immer<br />

wieder begegnet.<br />

Hogan hatte in letzter Zeit etwas Pech<br />

gehabt. Sein Rettungsplan für Air Berlin,<br />

50 21<br />

–84<br />

Nettoergebnis<br />

von Air Berlin, in Millionen Euro<br />

–10 –97<br />

–420<br />

ausbaldowert von Ex-Lufthansa-Manager<br />

Stefan Pichler, den er selbst geholt hatte,<br />

war bei der Regierung in Abu Dhabi und<br />

den Etihad-Kontrolleuren mit Pauken und<br />

Trompeten durchgefallen. <strong>Der</strong> Plan sah vor,<br />

Air Berlin um rund 60 Flugzeuge einzudampfen<br />

und auf Langstreckenverbindungen<br />

ab Berlin und Düsseldorf nebst Zubringerflügen<br />

zu beschränken. Allerdings wären<br />

dafür Kosten von rund 350 Millionen Euro<br />

angefallen, unter anderem für Strafzahlungen<br />

an die Leasinggeber der Jets und für<br />

Sozialpläne für die Beschäftigten. »Wir zahlen<br />

lieber für Wachstum als fürs Schrumpfen«,<br />

empörten sich die Scheichs.<br />

Etwas kleinlaut saß Hogan deshalb in<br />

Zürich vor Spohr und schüttete sein Herz<br />

aus. Es könne so nicht weitergehen, barmte<br />

er nach Darstellung von Beratern des<br />

Lufthansa-Chefs. Man sei in Gesprächen<br />

mit Easyjet. Doch die Lufthansa würde<br />

viel besser zu Air Berlin und Etihad passen.<br />

Ob da nicht was ginge?<br />

Eine bizarre Situation: Hogan durfte<br />

das, was er gerade machte, eigentlich gar<br />

nicht tun. Die EU-Kommission verlangte,<br />

dass der 29-Prozent-Aktionär Etihad keine<br />

strategischen Entscheidungen für Air Berlin<br />

treffen und keine Kontrolle ausüben<br />

dürfte. Sonst würde der Entzug von Streckenrechten<br />

drohen. Doch die <strong>No</strong>t war offenbar<br />

so groß, dass der gebürtige Australier<br />

sich nicht darum scherte.<br />

Spohr spielte den Coolen, dabei rannte<br />

Hogan bei ihm offene Türen ein: <strong>Der</strong> Lufthansa-Boss<br />

wollte seine neue Billigtochter<br />

Eurowings päppeln, aus eigener Kraft aber<br />

konnte der Ableger nicht schnell genug<br />

wachsen. Eine Kooperation kam deshalb<br />

auch ihm gelegen.<br />

Kaum aus Zürich zurückgekehrt, informierte<br />

Spohr deshalb zunächst den Aufsichtsratsvorsitzenden,<br />

die Finanzchefin<br />

und seine beiden obersten Strategieberater.<br />

Dann folgten weitere Treffen mit Hogan<br />

in London, Rom, München und Abu<br />

Dhabi.<br />

Danach wurden Büros im Frankfurter<br />

Airport Center angemietet. Dort entstand<br />

auch die Idee, 38 Air-Berlin-Jets samt den<br />

dazugehörigen Crews gegen Gebühr für<br />

Eurowings und die österreichische Luft-<br />

7<br />

–316<br />

–377<br />

–447<br />

–782<br />

2006 2008<br />

2010 2012 2014 2016<br />

hansa-Tochter Austrian zu leasen. Dazu<br />

war nicht einmal die Genehmigung der<br />

Kartellbehörden nötig. Allerdings durfte<br />

Air Berlin dafür auf keinen Fall Konkurs<br />

anmelden, weil sonst auch diese Maschinen<br />

mit am Boden gestanden hätten. Am<br />

16. Dezember 2016 wurde der Deal besiegelt.<br />

Es war der 5o. Geburtstag von<br />

Spohr – und wahrscheinlich sein schönstes<br />

Geschenk.<br />

Bereits im Sommer hatte sich zudem<br />

unter seiner Aufsicht eine Task Force zur<br />

Planung weiterer Kooperationsschritte mit<br />

Air Berlin und seinem Haupteigner Etihad<br />

gebildet. Wie in solchen Situationen üblich,<br />

waren die Verhandlungen geheim, die<br />

Tagungsräume durch Zugangscodes ge -<br />

sichert und die Beteiligten durch Tarn -<br />

namen geschützt.<br />

»Roof Deal« lautete der übergreifende<br />

Arbeitstitel für das Projekt – in Anlehnung<br />

an Spohrs Idee, unter dem Dach von<br />

Eurowings möglichst viele, bislang eigenständige<br />

Flugbetriebe anzudocken. »Gold«<br />

stand für Etihad, »Blue« für Lufthansa,<br />

»Purple« für Eurowings und »Red« für Air<br />

Berlin.<br />

Selbst für das als extrem unwahrscheinlich<br />

geltende Szenario einer Insolvenz von<br />

Air Berlin hatten Spohrs Strategen eine<br />

Sprachregelung getroffen. Das Codewort<br />

hieß »Poseidon«, benannt nach dem griechischen<br />

Wassergott. Allerdings ging zu<br />

diesem Zeitpunkt niemand davon aus,<br />

dass Air Berlin tatsächlich absaufen<br />

könnte.<br />

Stattdessen wurde überlegt, die Flug -<br />

linie in drei Teile zu zerlegen. <strong>Der</strong> Vertrag<br />

für die Eurowings-Mietjets war unterschrieben,<br />

auch Vorauszahlungen waren<br />

bereits geflossen. Aus dem Air-Berlin-Ableger<br />

Niki sollte zusammen mit der TUI<br />

ein touristischer Anbieter entstehen. Für<br />

die verbleibende Restflotte von 75 Jets sollte<br />

ebenfalls ein Partner gefunden werden.<br />

Als heiße Favoriten galten die Lufthansa<br />

und Easyjet.<br />

Den Job sollte allerdings nicht mehr<br />

Pichler übernehmen, sondern sein Nachfolger:<br />

Thomas Winkelmann.<br />

Bis heute wird in der Branche gemunkelt,<br />

Spohr habe Hogan überredet, Winkelmann<br />

anzuheuern, um sich einen Wettbewerbsvorteil<br />

bei der Zerlegung von Air<br />

Berlin zu sichern. Nach Schilderungen von<br />

Vertrauten bekam der gebürtige Westfale<br />

Ende 2016 den Anruf eines Schweizer Personalberaters<br />

und traf sich auf dessen Vermittlung<br />

kurz darauf mit Hogan.<br />

»Wir brauchen jemanden, der auch noch<br />

die übrigen 75 Air-Berlin-Jets verwertet<br />

und in der Branche gut vernetzt ist«, warb<br />

dieser um den langjährigen Lufthanseaten.<br />

Winkelmann wollte gern nach Berlin und<br />

schlug ein, nachdem Etihad ihm angeboten<br />

hatte, seine Bezüge vier Jahre lang per<br />

Bankbürgschaft abzusichern.<br />

66 DER SPIEGEL Nr. <strong>32</strong> / 4. 8. <strong>2018</strong>

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