Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Wirtschaft<br />
erbittert bekämpft. Ganz uneigennützig<br />
war der Einsatz allerdings auch nicht.<br />
Spohr & Co. fürchteten, bei einer ungeordneten<br />
Insolvenz von Air Berlin und<br />
einem sofortigen Grounding – also einem<br />
Ausfall aller Flüge – könnten Konkurrenten<br />
wie Ryanair und Easyjet quasi über<br />
Nacht die frei werdenden Streckenrechte<br />
übernehmen und sich vor der eigenen<br />
Haustür noch breiter machen. So begann<br />
ein anderes, nicht minder spannendes<br />
Schauspiel.<br />
Dass es in einem solchen Drama enden<br />
würde, konnte damals noch niemand ahnen.<br />
Dafür hatte alles zu vielversprechend<br />
begonnen.<br />
Pakt im Hinterzimmer<br />
Am 27. Mai 2015, morgens um halb sechs,<br />
erschienen Beamte der heimischen Kantonspolizei<br />
vor dem eindrucksvollen Gebäudekomplex<br />
des Zürcher Luxushotels<br />
Baur au Lac, um sechs angeblich korrupte<br />
Fifa-Funktionäre festzunehmen. Hotel -<br />
angestellte verschleierten den Abtransport<br />
der Fußballgrößen mit weißen Tischtüchern,<br />
um deren Anonymität zu sichern.<br />
So viel Aufwand brauchte es für die beiden<br />
Männer nicht, die sich dort ein Dreivierteljahr<br />
später, im Frühjahr 2016, zu<br />
einer geheimen Besprechung trafen. Aber<br />
auch sie wollten nicht gesehen und erkannt<br />
werden. Deshalb mietete Etihad-Chef Hogan<br />
für sein Wiedersehen mit Spohr ein<br />
Separee.<br />
»Mach dir keine Sorgen, Carsten«, soll<br />
er den Lufthansa-Chef vorab beruhigt haben,<br />
»die Rechnung zahle ich.« Immerhin<br />
kostet das kleinste Hinterzimmer im Baur<br />
au Lac rund 800 Euro – ohne Speisen und<br />
Alkoholika.<br />
Beide kannten sich noch aus der Zeit,<br />
als Hogan für die frühere Lufthansa-Tochter<br />
British Midland gearbeitet hatte. Auch<br />
bei Sitzungen des höchsten Repräsenta -<br />
tionsgremiums der Weltluftfahrtorganisation<br />
IATA waren sie sich als Vertreter ihrer<br />
Airlines in den vergangenen Jahren immer<br />
wieder begegnet.<br />
Hogan hatte in letzter Zeit etwas Pech<br />
gehabt. Sein Rettungsplan für Air Berlin,<br />
50 21<br />
–84<br />
Nettoergebnis<br />
von Air Berlin, in Millionen Euro<br />
–10 –97<br />
–420<br />
ausbaldowert von Ex-Lufthansa-Manager<br />
Stefan Pichler, den er selbst geholt hatte,<br />
war bei der Regierung in Abu Dhabi und<br />
den Etihad-Kontrolleuren mit Pauken und<br />
Trompeten durchgefallen. <strong>Der</strong> Plan sah vor,<br />
Air Berlin um rund 60 Flugzeuge einzudampfen<br />
und auf Langstreckenverbindungen<br />
ab Berlin und Düsseldorf nebst Zubringerflügen<br />
zu beschränken. Allerdings wären<br />
dafür Kosten von rund 350 Millionen Euro<br />
angefallen, unter anderem für Strafzahlungen<br />
an die Leasinggeber der Jets und für<br />
Sozialpläne für die Beschäftigten. »Wir zahlen<br />
lieber für Wachstum als fürs Schrumpfen«,<br />
empörten sich die Scheichs.<br />
Etwas kleinlaut saß Hogan deshalb in<br />
Zürich vor Spohr und schüttete sein Herz<br />
aus. Es könne so nicht weitergehen, barmte<br />
er nach Darstellung von Beratern des<br />
Lufthansa-Chefs. Man sei in Gesprächen<br />
mit Easyjet. Doch die Lufthansa würde<br />
viel besser zu Air Berlin und Etihad passen.<br />
Ob da nicht was ginge?<br />
Eine bizarre Situation: Hogan durfte<br />
das, was er gerade machte, eigentlich gar<br />
nicht tun. Die EU-Kommission verlangte,<br />
dass der 29-Prozent-Aktionär Etihad keine<br />
strategischen Entscheidungen für Air Berlin<br />
treffen und keine Kontrolle ausüben<br />
dürfte. Sonst würde der Entzug von Streckenrechten<br />
drohen. Doch die <strong>No</strong>t war offenbar<br />
so groß, dass der gebürtige Australier<br />
sich nicht darum scherte.<br />
Spohr spielte den Coolen, dabei rannte<br />
Hogan bei ihm offene Türen ein: <strong>Der</strong> Lufthansa-Boss<br />
wollte seine neue Billigtochter<br />
Eurowings päppeln, aus eigener Kraft aber<br />
konnte der Ableger nicht schnell genug<br />
wachsen. Eine Kooperation kam deshalb<br />
auch ihm gelegen.<br />
Kaum aus Zürich zurückgekehrt, informierte<br />
Spohr deshalb zunächst den Aufsichtsratsvorsitzenden,<br />
die Finanzchefin<br />
und seine beiden obersten Strategieberater.<br />
Dann folgten weitere Treffen mit Hogan<br />
in London, Rom, München und Abu<br />
Dhabi.<br />
Danach wurden Büros im Frankfurter<br />
Airport Center angemietet. Dort entstand<br />
auch die Idee, 38 Air-Berlin-Jets samt den<br />
dazugehörigen Crews gegen Gebühr für<br />
Eurowings und die österreichische Luft-<br />
7<br />
–316<br />
–377<br />
–447<br />
–782<br />
2006 2008<br />
2010 2012 2014 2016<br />
hansa-Tochter Austrian zu leasen. Dazu<br />
war nicht einmal die Genehmigung der<br />
Kartellbehörden nötig. Allerdings durfte<br />
Air Berlin dafür auf keinen Fall Konkurs<br />
anmelden, weil sonst auch diese Maschinen<br />
mit am Boden gestanden hätten. Am<br />
16. Dezember 2016 wurde der Deal besiegelt.<br />
Es war der 5o. Geburtstag von<br />
Spohr – und wahrscheinlich sein schönstes<br />
Geschenk.<br />
Bereits im Sommer hatte sich zudem<br />
unter seiner Aufsicht eine Task Force zur<br />
Planung weiterer Kooperationsschritte mit<br />
Air Berlin und seinem Haupteigner Etihad<br />
gebildet. Wie in solchen Situationen üblich,<br />
waren die Verhandlungen geheim, die<br />
Tagungsräume durch Zugangscodes ge -<br />
sichert und die Beteiligten durch Tarn -<br />
namen geschützt.<br />
»Roof Deal« lautete der übergreifende<br />
Arbeitstitel für das Projekt – in Anlehnung<br />
an Spohrs Idee, unter dem Dach von<br />
Eurowings möglichst viele, bislang eigenständige<br />
Flugbetriebe anzudocken. »Gold«<br />
stand für Etihad, »Blue« für Lufthansa,<br />
»Purple« für Eurowings und »Red« für Air<br />
Berlin.<br />
Selbst für das als extrem unwahrscheinlich<br />
geltende Szenario einer Insolvenz von<br />
Air Berlin hatten Spohrs Strategen eine<br />
Sprachregelung getroffen. Das Codewort<br />
hieß »Poseidon«, benannt nach dem griechischen<br />
Wassergott. Allerdings ging zu<br />
diesem Zeitpunkt niemand davon aus,<br />
dass Air Berlin tatsächlich absaufen<br />
könnte.<br />
Stattdessen wurde überlegt, die Flug -<br />
linie in drei Teile zu zerlegen. <strong>Der</strong> Vertrag<br />
für die Eurowings-Mietjets war unterschrieben,<br />
auch Vorauszahlungen waren<br />
bereits geflossen. Aus dem Air-Berlin-Ableger<br />
Niki sollte zusammen mit der TUI<br />
ein touristischer Anbieter entstehen. Für<br />
die verbleibende Restflotte von 75 Jets sollte<br />
ebenfalls ein Partner gefunden werden.<br />
Als heiße Favoriten galten die Lufthansa<br />
und Easyjet.<br />
Den Job sollte allerdings nicht mehr<br />
Pichler übernehmen, sondern sein Nachfolger:<br />
Thomas Winkelmann.<br />
Bis heute wird in der Branche gemunkelt,<br />
Spohr habe Hogan überredet, Winkelmann<br />
anzuheuern, um sich einen Wettbewerbsvorteil<br />
bei der Zerlegung von Air<br />
Berlin zu sichern. Nach Schilderungen von<br />
Vertrauten bekam der gebürtige Westfale<br />
Ende 2016 den Anruf eines Schweizer Personalberaters<br />
und traf sich auf dessen Vermittlung<br />
kurz darauf mit Hogan.<br />
»Wir brauchen jemanden, der auch noch<br />
die übrigen 75 Air-Berlin-Jets verwertet<br />
und in der Branche gut vernetzt ist«, warb<br />
dieser um den langjährigen Lufthanseaten.<br />
Winkelmann wollte gern nach Berlin und<br />
schlug ein, nachdem Etihad ihm angeboten<br />
hatte, seine Bezüge vier Jahre lang per<br />
Bankbürgschaft abzusichern.<br />
66 DER SPIEGEL Nr. <strong>32</strong> / 4. 8. <strong>2018</strong>