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»Mammutaufgabe«, wie der Kunsthistoriker<br />
Christian Fuhrmeister <strong>vom</strong> Münchner<br />
Zentralinstitut für Kunstgeschichte sagt.<br />
Zu den ersten Historikern, die sich nun<br />
auf die Suche nach dem Raubgut der M-<br />
Aktion machen, zählen Christina Hemken<br />
und Karl-Heinz Ziessow. Die beiden Wissenschaftler<br />
haben erstmals die Bestände<br />
des 1934 gegründeten Museumsdorfs Cloppenburg<br />
geprüft*. Sie untersuchten mehr<br />
als 9000 Objekte, darunter kupfernes Kaminbesteck,<br />
Kommoden, Standuhren und<br />
Haushaltskeramiken. Die Herkunft zahlreicher<br />
Stücke sei als »bedenklich« zu bewerten,<br />
urteilen die Historiker, vieles müsse<br />
sogar definitiv als »unrechtmäßig entzogenes<br />
Kulturgut« eingestuft werden.<br />
Im Zuge ihres Projekts haben Hemken<br />
und Ziessow gemeinsam mit ihrer Kollegin<br />
Margarete Rosenbohm-Plate die Spuren<br />
der M-Aktion im Weser-Emsland verfolgt.<br />
Von den 586 Kahnlieferungen aus den<br />
Niederlanden kamen allein 334 in den<br />
»Gau« hinter der Grenze. Außerdem rollten<br />
5884 voll beladene Waggons in die Region.<br />
Damals, im Sommer 1943, sprach sich<br />
die Ankunft des mit Kostbarkeiten bepackten<br />
Schiffs in Bensersiel schnell herum.<br />
<strong>Der</strong> ganze Ort war auf den Beinen. Die<br />
Bauern aus der Umgebung standen mit<br />
ihren Fuhrwerken Schlange auf der Hauptstraße<br />
der 300-Seelen-Gemeinde.<br />
Mitten im Krieg war die Versorgungs -<br />
lage schlecht. Viele Menschen freuten sich<br />
über die Chance, »Hollandmöbel«, wie<br />
man damals sagte, zu Schleuderpreisen zu<br />
erstehen. Dabei war allen klar, woher die<br />
Sachen stammten.<br />
Die Großeltern des 1944 in Bensersiel<br />
geborenen Wilfried Wabra erwarben hier<br />
Wohnungsinventar, darunter eine Anrichte,<br />
einen Sessel und eine Uhr. <strong>Der</strong> pensionierte<br />
Seemann erinnert sich noch gut an<br />
seine Kindheit, als seine Oma jeden Tag<br />
in ihrem »Judenstuhl« saß, einem besonders<br />
wertvollen Möbelstück, bezogen mit<br />
Während der NS-Zeit beschlagnahmtes Geschirr in Cloppenburg<br />
»Unrechtmäßig entzogenes Kulturgut«<br />
Seide und mit Schnitzereien an Arm- und<br />
Rückenlehne. Auch die »Judenuhr« sei<br />
wunderschön gewesen, aus dunklem Holz,<br />
das Ziffernblatt bläulich grün mit goldenen<br />
Ornamenten, sagt Wabra. In der kargen<br />
Behausung hinterm Deich fielen die Möbel<br />
sofort ins Auge.<br />
Eigentlich sollte das Raubgut den Opfern<br />
des alliierten Luftkriegs zugutekommen.<br />
Doch am Ende profitierten alle Deutschen.<br />
Im zum Teil von Bombenangriffen<br />
verschonten Weser-Emsland wurden etwa<br />
7000 Möbelbasare in Gastwirtschaften<br />
und Scheunen, Jugendheimen und Markthallen<br />
abgehalten. Das »Delmenhorster<br />
Kreisblatt« etwa annoncierte im April<br />
1943 den Verkauf von 30 Klavieren. In<br />
Wilhelmshaven wurden damals sieben<br />
Monate lang jeden Tag »gebrauchte Möbel<br />
und Haushaltsgeräte« feilgeboten.<br />
<strong>Der</strong> Oldenburger Robert Berges, 86, erinnert<br />
sich noch heute an jenen Nachmittag<br />
im Sommer 1943, an dem er heimlich<br />
in der städtischen Markthalle spielte. Am<br />
Anfang sei es ziemlich aufregend gewesen,<br />
unglaublich viele Möbel hätten dort gestanden,<br />
erzählt der pensionierte Zahnarzt.<br />
Er sei damals elf Jahre alt gewesen<br />
und habe ehrfürchtig einige der Stücke mit<br />
der Hand berührt: »Die Möbel waren aus<br />
einem feinen dunklen Holz, das ich vorher<br />
nie gesehen hatte.« Doch dann machte der<br />
Junge eine Schublade auf und erschrak:<br />
Darin lag eine Zahnprothese.<br />
Die M-Aktion war eine Idee des NS-<br />
Chefideologen Alfred Rosenberg. Im Dezember<br />
1941 hatte er Adolf Hitler den Vorschlag<br />
unterbreitet, das Wohnungsinventar<br />
»der geflohenen und noch abreisenden<br />
Juden« in Frankreich und den Beneluxstaaten<br />
zu konfiszieren.<br />
Hitler stimmte dem Plan zu. Die Organisation<br />
der M-Aktion wurde von der von<br />
Rosenberg geleiteten Dienststelle Westen<br />
übernommen: »Erfassungsbeamte« nebst<br />
Übersetzern schwärmten aus, um die Wohnungen<br />
deportierter Juden zu inspizieren.<br />
Das Mobiliar verzeichneten sie in einem<br />
vorgedruckten Formblatt, dem »Wohnungsbefund«.<br />
Die NS-Führung mahnte 1943, für die<br />
Inventarisierung seien nur »energische<br />
und selbstbewusste Männer« geeignet. Unbedingt<br />
notwendig sei »charakterliche Sauberkeit«,<br />
damit die Nachbarn der Deportierten<br />
keinen schlechten Eindruck bekämen.<br />
Die Dolmetscher wurden angehalten,<br />
sich ordentlich zu rasieren.<br />
Umzugsunternehmen aus den besetzten<br />
Ländern brachten den Hausrat zunächst<br />
in örtliche Sammelmagazine. Dort sortierten<br />
einheimische Arbeitskräfte das Mobi-<br />
* Die Ergebnisse der Recherchen von Christina Hemken<br />
und Karl-Heinz Ziessow erscheinen im September<br />
unter dem Titel »Im Schatten des totalen Krieges.<br />
Raubgut – Kriegsgefangenschaft – Zwangsarbeit« im<br />
Verlag Museumsdorf Cloppenburg.<br />
Fotos: Florian Manz / DER SPIEGEL<br />
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