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Der Spiegel Magazin No 32 vom 04. August 2018

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sen, er solle sich nicht so anstellen. »Und<br />

dass es da um sehr viel Geld geht.«<br />

»Wie war denn sonst ihr Verhältnis zu<br />

dem Jungen?«, erkundigt sich der Vorsitzende.<br />

»Sie war mit ihm überfordert«, sagt<br />

Christian L. Das Kind habe die Nähe der<br />

Mutter gesucht, sie umarmt, aber sie habe<br />

ihn immer in sein Zimmer geschickt, ihm<br />

keine Liebe gezeigt.<br />

Ihn hingegen habe Berrin T. bedient<br />

und bemuttert: »Wenn ich einen Kaffee<br />

wollte, ist sie gerannt.« Als das Familiengericht<br />

L. verbot, ihre Wohnung zu betreten,<br />

ließ sie ihm mit dem Taxi Essen bringen.<br />

Geld genug war ja da.<br />

In den Akten findet sich ein Chatverkehr,<br />

darin bringt Christian L. Berrin T.<br />

dazu, ihm Zugang zu der dreijährigen<br />

Tochter einer Bekannten zu verschaffen,<br />

auf die Berrin T. gelegentlich aufpasste.<br />

Anfangs schreibt sie über den geplanten<br />

Missbrauch: »Sehen will ich das nicht, und<br />

meiner (ihr Sohn –Red.) ist tabu.« Dann:<br />

»Ich mach das nur für dich. Hast du gedacht,<br />

dass mal jemand so hinter dir<br />

steht?« Am Ende vergeht sie sich laut Anklage<br />

als Erste an dem weinenden Kind,<br />

damit er es leichter hat. Sie schreibt ihm:<br />

»Hey, pass morgen auf, dass man an der<br />

Kleinen äußerlich nichts sieht, an den Händen<br />

oder so.«<br />

Die Staatsanwältin zweifelt an Berrin<br />

T.s Opfergeschichte: Wenn es stimmt, dass<br />

sie alles nur unter dem Druck ihres Lebensgefährten<br />

tat, fragt <strong>No</strong>vak, warum<br />

sieht man sie dann in den Videoausschnitten<br />

so mitleidlos agieren? »Wir erkennen<br />

bei ihr keinerlei Empathie«, hält die Staatsanwältin<br />

Christian L. vor. »Sie sieht doch,<br />

wie das Mädchen weint, als sie es vorbereitet<br />

auf den Analverkehr mit Ihnen, und<br />

wie sie es Ihnen dann überlässt, mit Handschellen.«<br />

In einem anderen Video sieht man Berrin<br />

T.s Sohn an Händen und Füßen ans<br />

Bett gefesselt, die Augen verbunden, sie<br />

macht sich mit einem Dildo an seinem Genitalbereich<br />

zu schaffen, beschimpft ihn<br />

mit despektierlichen Worten, er weint,<br />

sagt, es tue ihm weh. Da fährt sie ihn an:<br />

»Halt den Mund.«<br />

»Gab es Drehbücher für diese Übergriffe?«,<br />

will <strong>No</strong>vak wissen. Christian L. nickt.<br />

Er habe ihr geschrieben, was sie tun und<br />

mit welchen Worten genau sie das Kind<br />

dabei beschimpfen sollte. »Aber ›Halt den<br />

Mund‹ war nicht von mir vorgegeben.«<br />

Die Frage ist, wie viel Eigeninitiative<br />

sonst noch von Berrin T. ausging.<br />

Christian L. hat vor Gericht den Verdacht<br />

geäußert, er sei womöglich nicht der<br />

Erste gewesen, der das Kind missbrauchte.<br />

»Sie haben auch mal gesagt, sie hätte<br />

selbst Interesse gehabt, das auszuprobieren«,<br />

erkundigt sich die Anwältin des Jungen.<br />

»Halten Sie daran fest?« – »Das hat<br />

sie so gesagt, aber wahrscheinlich nur, um<br />

mir zu imponieren.«<br />

Christian L. zufolge war Berrin T. erst<br />

von 2016 an aktiv am Missbrauch ihres<br />

Kindes beteiligt. Auf ihrem Handy fand<br />

die Polizei ein Video, auf dem der nackte<br />

Unterleib des Kindes zu sehen ist und eine<br />

weibliche Hand in Aktion, mit den Ringen<br />

von Berrin T., Zeitstempel: Mai 2015.<br />

Christian L. wirkt irritiert: »Das Video<br />

kenne ich nicht.«<br />

Wegen eines anderen Videos, das wieder<br />

Berrin T. mit dem Jungen zeigt, bittet<br />

der Vorsitzende Richter einen Ermittler<br />

um seine Einschätzung: »Ich meine <strong>vom</strong><br />

Hören her, dass sie zum Orgasmus kommt<br />

vor dem Kind«, sagt der Richter. <strong>Der</strong> Ermittler<br />

teilt den Eindruck.<br />

Und Christian L.? An seinem Platz auf<br />

der Anklagebank sieht man ihn unwill -<br />

kürlich nicken.<br />

Berrin T. schweigt dazu.<br />

An der Universität Regensburg läuft<br />

noch die Auswertung von Daten aus dem<br />

»Mikado«-Projekt zur Erforschung des sexuellen<br />

Kindesmissbrauchs im Dunkelfeld,<br />

im Zentrum die Frage, wie man solche<br />

Straftaten verhindern kann. Mehr als ein<br />

Dutzend Studien flossen hier bis 2015 zusammen,<br />

beauftragt und gefördert <strong>vom</strong><br />

Bundesfamilienministerium. Keine einzige<br />

davon beschäftigt sich explizit mit Täte-<br />

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