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Der Spiegel Magazin No 32 vom 04. August 2018

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Sport<br />

C<br />

ristiano Ronaldo liebt die große<br />

Show: Vorigen Sonntag landete er<br />

im Privatflieger in Turin, sieben<br />

Jeeps warteten auf ihn, Dutzende Fotografen<br />

hielten jeden seiner Schritte fest.<br />

Die Fans schrien seinen Namen, baten<br />

um Fotos, Autogramme – ein Ausnahmezustand.<br />

Das Juve-Trikot mit dem Namen<br />

des fünfmaligen Champions-League-Siegers<br />

war nach kürzester Zeit ausverkauft.<br />

Es wirkt, als habe Turin nur auf den neuen<br />

Messias gewartet.<br />

Für Ronaldo, 33, ist der Wechsel ein Befreiungsschlag.<br />

Er entzieht sich damit dem<br />

Land, das ihn in den vergangenen Monaten<br />

massiv unter Druck gesetzt hat. Mehr als<br />

anderthalb Jahre wehrte er sich gegen den<br />

Vorwurf, Steuern hinterzogen zu haben.<br />

Nachdem der SPIEGEL und das Recherchenetzwerk<br />

European Investigative Collaborations<br />

im Dezember 2016 im Rahmen<br />

der Football-Leaks-Enthüllungen seine<br />

Steuerbetrügereien über Briefkastenfirmen<br />

und Offshore-Länder öffentlich gemacht<br />

hatten, hatte ihn die spanische Staatsanwaltschaft<br />

wegen des Verdachts der schweren<br />

Steuerhinterziehung angeklagt.<br />

Es ist ein spektakulärer Fall, der Ronaldo<br />

zum Gesicht eines flächendeckenden<br />

Betrugs machte. Durch die Football-Leaks-<br />

Veröffentlichungen wurde deutlich, dass<br />

es im europäischen Spitzenfußball eine Art<br />

Wettbewerb beim Verstecken von Werbeeinnahmen<br />

und Beraterprovisionen gibt.<br />

Je komplizierter die Konstrukte, um das<br />

Geld auf Konten in Übersee verschwinden<br />

zu lassen, desto mehr Nettoertrag erhalten<br />

die Spieler. Und Netto hat im Profifußball<br />

offenbar eine ähnlich hohe Bedeutung wie<br />

ein Champions-League-Titel.<br />

Die Steueraffäre Ronaldo ist auch deshalb<br />

so brisant, weil sich hinter dem Stürmer<br />

eine Riege an Beratern schart, die seine<br />

geheimen Geldflüsse konzipiert hat.<br />

Und die für ihn am Ende nahezu alle Probleme<br />

aus der Welt räumt. Genau diese<br />

Beraterriege bleibt nun jedoch von der spanischen<br />

Justiz verschont. Und das, obwohl<br />

sie an den dubiosen Geldgeschäften zahlreicher<br />

Profifußballer beteiligt ist. Die Fälle<br />

zeigen, welche Sonderstellung der Fußball<br />

auch vor dem Gesetz hat. Und wie<br />

sorglos, nahezu unverantwortlich das EU-<br />

Land Spanien mit Steuerbetrügereien Superreicher<br />

umgeht.<br />

Vergangene Woche hat die zuständige<br />

Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte<br />

Freigekauft<br />

Football Leaks Mit einem Deal in seinem Steuerverfahren entgeht<br />

Cristiano Ronaldo einer Haftstrafe, seine Berater bleiben unbehelligt.<br />

Die spanische Justiz knickt ein im Kampf gegen den Betrug im Fußball.<br />

in Madrid den Fall Ronaldo beendet. <strong>Der</strong><br />

Portugiese hatte schließlich doch zugegeben,<br />

5,7 Millionen Euro Steuern hinterzogen<br />

und den spanischen Fiskus von 2011<br />

bis 2014 betrogen zu haben. Er einigte sich<br />

daraufhin mit der Steuerbehörde auf weitere<br />

Straf- und Nachzahlungen in Höhe<br />

von 13,1 Millionen Euro. Insgesamt muss<br />

der fünffache Weltfußballer nun also 18,8<br />

Millionen Euro überweisen. Zudem erhält<br />

Ronaldo eine Haftstrafe von 24 Monaten,<br />

die er allerdings nach spanischem Recht<br />

als Ersttäter nicht antreten muss.<br />

Die Vereinigung der Steuerexperten des<br />

spanischen Finanzministeriums kritisiert<br />

den Deal als viel zu milde und nachlässig.<br />

Die Fachleute hatten im Zuge der Anklage<br />

vorgerechnet, dass für solch ein Vergehen<br />

Ronaldos Einflüsterer<br />

entwarfen immer neue<br />

Märchen, die sie den<br />

Behörden auftischten.<br />

eine Haftstrafe von sieben Jahren angemessen<br />

wäre. Caridad Gómez, Leiterin<br />

der Abteilung für Betrug bei der Steuerbehörde,<br />

sagte, dass in Spanien Menschen<br />

auch schon wegen 125 000 Euro hinter -<br />

zogener Steuern ins Gefängnis wandern<br />

mussten.<br />

Nur wenige Tage nach Ronaldos Präsentation<br />

in Turin ist John an einen See in<br />

Osteuropa gereist. <strong>Der</strong> Whistleblower von<br />

Football Leaks, der durch das Weiterreichen<br />

seiner Dokumente an den SPIEGEL<br />

das Steuerversteck Ronaldos offenlegte,<br />

sitzt mit freiem Oberkörper in einem<br />

Strandkorb, auf seinen Füßen tanzt ein<br />

Fußball. John, der vor fast drei Jahren die<br />

Enthüllungsplattform Football Leaks gegründet<br />

hat und seitdem die Fußballwelt<br />

immer wieder mit seinen Dokumenten<br />

aufschreckt, möchte weiterhin anonym<br />

bleiben. Er weiß, dass er viele mächtige<br />

Feinde im Fußballgeschäft hat. Schweigen<br />

will er trotzdem nicht: »<strong>Der</strong> Deal ist ein<br />

totaler Witz, lächerlich«, poltert er. »Wie<br />

kann es sein, dass Ronaldos Berater, die<br />

so viele Spieler in die Scheiße geritten haben,<br />

vollkommen unbeschadet aus dem<br />

Verfahren rauskommen?«<br />

Ronaldos Einflüsterer gehören zu einem<br />

Kreis hochkarätiger Anwälte und Getreuer<br />

seines Mentors Jorge Mendes. Viele von<br />

ihnen arbeiten auch für Firmen, an denen<br />

der Agent Mendes beteiligt ist. Sie verschwiegen<br />

die wahren wirtschaftlich Berechtigten<br />

hinter den Briefkastenfirmen,<br />

manipulierten Dokumente, entwarfen immer<br />

neue Märchen, die sie den Steuerbehörden<br />

auftischten. Ronaldos Helfer waren<br />

nie bereit, ernsthaft mit den Behörden<br />

zu kooperieren. Stattdessen stimmten sie<br />

sich intern ab, wer was und wie viel sagen<br />

durfte.<br />

»Jemand wird dafür verantwortlich sein<br />

müssen, wenn drei von vier Kunden … wegen<br />

Steuerdelikten angeklagt werden«,<br />

schrieb etwa Julio Senn, Ronaldos spanischer<br />

Steueranwalt, in einer Mail. Er meinte<br />

damit die zahlreichen Prominenten von<br />

Mendes’ Beraterfirma Gestifute, von denen<br />

viele ähnliche Probleme mit den Steuerbehörden<br />

bekamen wie Ronaldo. Darunter<br />

waren auch Startrainer José Mourinho,<br />

der AS-Monaco-Stürmer Radamel<br />

Falcao, der argentinische Dribbler Ángel<br />

Di María von Paris Saint-Germain, die portugiesischen<br />

Abwehrspieler Pepe und Fábio<br />

Coentrão. Sie alle einigten sich mit den<br />

Behörden auf hohe Nachzahlungen. Die<br />

meisten von ihnen erklärten, die Berater<br />

um Mendes seien für ihre Steuerkonstruktionen<br />

verantwortlich. Die Einflüsterer bestreiten<br />

bis heute, jemals etwas Illegales<br />

getan zu haben.<br />

Dabei sind die Winkelzüge der Beratergilde<br />

durchaus bekannt.<br />

Im Anschluss an das Verfahren gegen<br />

Lionel Messi und seinen Vater – der Spieler<br />

war 2016 wegen Steuerhinterziehung<br />

verurteilt worden, der Vater wegen Bei -<br />

hilfe – kritisierte der Oberste Spanische<br />

Gerichtshof, dass im Prozess die Rolle der<br />

Hintermänner rund um die Betrügereien<br />

der Messis zu wenig untersucht worden<br />

war. Im Fall von Cristiano Ronaldo waren<br />

die Berater zwar zwischenzeitlich als Verdächtige<br />

geführt worden, sie konnten aber<br />

später im Zuge des Ronaldo-Deals erreichen,<br />

dass alle Vorwürfe gegen sie fallengelassen<br />

wurden. Aus spanischen Justizkreisen<br />

ist zu hören, dass man keinem der<br />

Helfer strafbare Handlungen habe nachweisen<br />

können. Als ein Hauptproblem führen<br />

die Ermittler die unkooperativen Steueroasen<br />

in Übersee an, die den Fahndern<br />

keine Dokumente aushändigen, ihnen<br />

nicht helfen würden, die Strukturen zu<br />

durchschauen.<br />

Die spanische Justiz hat bereits mehr<br />

als 150 Spieler zur Rechenschaft gezogen<br />

und ihnen teilweise erhebliche Straf- und<br />

Nachzahlungen für ihre Steuerpraktiken<br />

aufgebrummt. Aber das System, das all<br />

diesen Fällen zugrunde liegt, haben die<br />

Strafverfolger bis heute nicht aufgedeckt.<br />

Dabei hätte es durchaus Möglichkeiten<br />

gegeben, um an belastbare, beweiskräftige<br />

Unterlagen zu gelangen.<br />

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