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Sport<br />
C<br />
ristiano Ronaldo liebt die große<br />
Show: Vorigen Sonntag landete er<br />
im Privatflieger in Turin, sieben<br />
Jeeps warteten auf ihn, Dutzende Fotografen<br />
hielten jeden seiner Schritte fest.<br />
Die Fans schrien seinen Namen, baten<br />
um Fotos, Autogramme – ein Ausnahmezustand.<br />
Das Juve-Trikot mit dem Namen<br />
des fünfmaligen Champions-League-Siegers<br />
war nach kürzester Zeit ausverkauft.<br />
Es wirkt, als habe Turin nur auf den neuen<br />
Messias gewartet.<br />
Für Ronaldo, 33, ist der Wechsel ein Befreiungsschlag.<br />
Er entzieht sich damit dem<br />
Land, das ihn in den vergangenen Monaten<br />
massiv unter Druck gesetzt hat. Mehr als<br />
anderthalb Jahre wehrte er sich gegen den<br />
Vorwurf, Steuern hinterzogen zu haben.<br />
Nachdem der SPIEGEL und das Recherchenetzwerk<br />
European Investigative Collaborations<br />
im Dezember 2016 im Rahmen<br />
der Football-Leaks-Enthüllungen seine<br />
Steuerbetrügereien über Briefkastenfirmen<br />
und Offshore-Länder öffentlich gemacht<br />
hatten, hatte ihn die spanische Staatsanwaltschaft<br />
wegen des Verdachts der schweren<br />
Steuerhinterziehung angeklagt.<br />
Es ist ein spektakulärer Fall, der Ronaldo<br />
zum Gesicht eines flächendeckenden<br />
Betrugs machte. Durch die Football-Leaks-<br />
Veröffentlichungen wurde deutlich, dass<br />
es im europäischen Spitzenfußball eine Art<br />
Wettbewerb beim Verstecken von Werbeeinnahmen<br />
und Beraterprovisionen gibt.<br />
Je komplizierter die Konstrukte, um das<br />
Geld auf Konten in Übersee verschwinden<br />
zu lassen, desto mehr Nettoertrag erhalten<br />
die Spieler. Und Netto hat im Profifußball<br />
offenbar eine ähnlich hohe Bedeutung wie<br />
ein Champions-League-Titel.<br />
Die Steueraffäre Ronaldo ist auch deshalb<br />
so brisant, weil sich hinter dem Stürmer<br />
eine Riege an Beratern schart, die seine<br />
geheimen Geldflüsse konzipiert hat.<br />
Und die für ihn am Ende nahezu alle Probleme<br />
aus der Welt räumt. Genau diese<br />
Beraterriege bleibt nun jedoch von der spanischen<br />
Justiz verschont. Und das, obwohl<br />
sie an den dubiosen Geldgeschäften zahlreicher<br />
Profifußballer beteiligt ist. Die Fälle<br />
zeigen, welche Sonderstellung der Fußball<br />
auch vor dem Gesetz hat. Und wie<br />
sorglos, nahezu unverantwortlich das EU-<br />
Land Spanien mit Steuerbetrügereien Superreicher<br />
umgeht.<br />
Vergangene Woche hat die zuständige<br />
Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte<br />
Freigekauft<br />
Football Leaks Mit einem Deal in seinem Steuerverfahren entgeht<br />
Cristiano Ronaldo einer Haftstrafe, seine Berater bleiben unbehelligt.<br />
Die spanische Justiz knickt ein im Kampf gegen den Betrug im Fußball.<br />
in Madrid den Fall Ronaldo beendet. <strong>Der</strong><br />
Portugiese hatte schließlich doch zugegeben,<br />
5,7 Millionen Euro Steuern hinterzogen<br />
und den spanischen Fiskus von 2011<br />
bis 2014 betrogen zu haben. Er einigte sich<br />
daraufhin mit der Steuerbehörde auf weitere<br />
Straf- und Nachzahlungen in Höhe<br />
von 13,1 Millionen Euro. Insgesamt muss<br />
der fünffache Weltfußballer nun also 18,8<br />
Millionen Euro überweisen. Zudem erhält<br />
Ronaldo eine Haftstrafe von 24 Monaten,<br />
die er allerdings nach spanischem Recht<br />
als Ersttäter nicht antreten muss.<br />
Die Vereinigung der Steuerexperten des<br />
spanischen Finanzministeriums kritisiert<br />
den Deal als viel zu milde und nachlässig.<br />
Die Fachleute hatten im Zuge der Anklage<br />
vorgerechnet, dass für solch ein Vergehen<br />
Ronaldos Einflüsterer<br />
entwarfen immer neue<br />
Märchen, die sie den<br />
Behörden auftischten.<br />
eine Haftstrafe von sieben Jahren angemessen<br />
wäre. Caridad Gómez, Leiterin<br />
der Abteilung für Betrug bei der Steuerbehörde,<br />
sagte, dass in Spanien Menschen<br />
auch schon wegen 125 000 Euro hinter -<br />
zogener Steuern ins Gefängnis wandern<br />
mussten.<br />
Nur wenige Tage nach Ronaldos Präsentation<br />
in Turin ist John an einen See in<br />
Osteuropa gereist. <strong>Der</strong> Whistleblower von<br />
Football Leaks, der durch das Weiterreichen<br />
seiner Dokumente an den SPIEGEL<br />
das Steuerversteck Ronaldos offenlegte,<br />
sitzt mit freiem Oberkörper in einem<br />
Strandkorb, auf seinen Füßen tanzt ein<br />
Fußball. John, der vor fast drei Jahren die<br />
Enthüllungsplattform Football Leaks gegründet<br />
hat und seitdem die Fußballwelt<br />
immer wieder mit seinen Dokumenten<br />
aufschreckt, möchte weiterhin anonym<br />
bleiben. Er weiß, dass er viele mächtige<br />
Feinde im Fußballgeschäft hat. Schweigen<br />
will er trotzdem nicht: »<strong>Der</strong> Deal ist ein<br />
totaler Witz, lächerlich«, poltert er. »Wie<br />
kann es sein, dass Ronaldos Berater, die<br />
so viele Spieler in die Scheiße geritten haben,<br />
vollkommen unbeschadet aus dem<br />
Verfahren rauskommen?«<br />
Ronaldos Einflüsterer gehören zu einem<br />
Kreis hochkarätiger Anwälte und Getreuer<br />
seines Mentors Jorge Mendes. Viele von<br />
ihnen arbeiten auch für Firmen, an denen<br />
der Agent Mendes beteiligt ist. Sie verschwiegen<br />
die wahren wirtschaftlich Berechtigten<br />
hinter den Briefkastenfirmen,<br />
manipulierten Dokumente, entwarfen immer<br />
neue Märchen, die sie den Steuerbehörden<br />
auftischten. Ronaldos Helfer waren<br />
nie bereit, ernsthaft mit den Behörden<br />
zu kooperieren. Stattdessen stimmten sie<br />
sich intern ab, wer was und wie viel sagen<br />
durfte.<br />
»Jemand wird dafür verantwortlich sein<br />
müssen, wenn drei von vier Kunden … wegen<br />
Steuerdelikten angeklagt werden«,<br />
schrieb etwa Julio Senn, Ronaldos spanischer<br />
Steueranwalt, in einer Mail. Er meinte<br />
damit die zahlreichen Prominenten von<br />
Mendes’ Beraterfirma Gestifute, von denen<br />
viele ähnliche Probleme mit den Steuerbehörden<br />
bekamen wie Ronaldo. Darunter<br />
waren auch Startrainer José Mourinho,<br />
der AS-Monaco-Stürmer Radamel<br />
Falcao, der argentinische Dribbler Ángel<br />
Di María von Paris Saint-Germain, die portugiesischen<br />
Abwehrspieler Pepe und Fábio<br />
Coentrão. Sie alle einigten sich mit den<br />
Behörden auf hohe Nachzahlungen. Die<br />
meisten von ihnen erklärten, die Berater<br />
um Mendes seien für ihre Steuerkonstruktionen<br />
verantwortlich. Die Einflüsterer bestreiten<br />
bis heute, jemals etwas Illegales<br />
getan zu haben.<br />
Dabei sind die Winkelzüge der Beratergilde<br />
durchaus bekannt.<br />
Im Anschluss an das Verfahren gegen<br />
Lionel Messi und seinen Vater – der Spieler<br />
war 2016 wegen Steuerhinterziehung<br />
verurteilt worden, der Vater wegen Bei -<br />
hilfe – kritisierte der Oberste Spanische<br />
Gerichtshof, dass im Prozess die Rolle der<br />
Hintermänner rund um die Betrügereien<br />
der Messis zu wenig untersucht worden<br />
war. Im Fall von Cristiano Ronaldo waren<br />
die Berater zwar zwischenzeitlich als Verdächtige<br />
geführt worden, sie konnten aber<br />
später im Zuge des Ronaldo-Deals erreichen,<br />
dass alle Vorwürfe gegen sie fallengelassen<br />
wurden. Aus spanischen Justizkreisen<br />
ist zu hören, dass man keinem der<br />
Helfer strafbare Handlungen habe nachweisen<br />
können. Als ein Hauptproblem führen<br />
die Ermittler die unkooperativen Steueroasen<br />
in Übersee an, die den Fahndern<br />
keine Dokumente aushändigen, ihnen<br />
nicht helfen würden, die Strukturen zu<br />
durchschauen.<br />
Die spanische Justiz hat bereits mehr<br />
als 150 Spieler zur Rechenschaft gezogen<br />
und ihnen teilweise erhebliche Straf- und<br />
Nachzahlungen für ihre Steuerpraktiken<br />
aufgebrummt. Aber das System, das all<br />
diesen Fällen zugrunde liegt, haben die<br />
Strafverfolger bis heute nicht aufgedeckt.<br />
Dabei hätte es durchaus Möglichkeiten<br />
gegeben, um an belastbare, beweiskräftige<br />
Unterlagen zu gelangen.<br />
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