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Der Spiegel Magazin No 32 vom 04. August 2018

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Deutschland<br />

vergeben und nicht mehr nur an Politiker<br />

der EVP und Sozialdemokraten. 2019 stehen<br />

ja viele Personalentscheidungen an,<br />

<strong>vom</strong> Kommissionspräsidenten bis zur<br />

Nachfolge Mario Draghis an der Spitze<br />

der Europäischen Zentralbank.<br />

SPIEGEL: Manfred Weber, der Fraktionschef<br />

der EVP im Europaparlament, hat<br />

sich bereits als Spitzenkandidat der Partei<br />

ins Gespräch gebracht. Hat er Ihre Unterstützung?<br />

Oettinger: Ich halte sein Interesse für mehr<br />

als legitim. Ich traue ihm einen guten Wahlkampf<br />

zu, er würde das Amt hervorragend<br />

ausfüllen.<br />

SPIEGEL: In Brüssel meinen aber nicht wenige,<br />

dass die Deutschen schon viel zu viele<br />

Top-Positionen in Europa besetzen.<br />

Oettinger: Bei Martin Schulz hat das 2014<br />

auch niemand kritisiert. <strong>Der</strong> Spitzenkandidat<br />

muss natürlich kein Deutscher sein;<br />

es darf aber kein Ausschlusskriterium sein.<br />

SPIEGEL: Nach der Europawahl muss der<br />

Posten des deutschen EU-Kommissars<br />

DANIEL AUF DER MAUER / DER SPIEGEL<br />

Oettinger, SPIEGEL-Redakteur*<br />

»Macron ist ein Mitbewerber«<br />

ebenfalls neu besetzt werden, da Sie nicht<br />

mehr zur Verfügung stehen. Wäre da nicht<br />

Martin Schulz, der frühere EU-Parlamentspräsident<br />

und SPD-Chef, ein guter<br />

Kandidat?<br />

Oettinger: Ich schätze Martin Schulz.<br />

Aber in dieser Frage möchte ich im Interesse<br />

meiner Partei Folgendes festhalten:<br />

Die CDU hat viele Jahre keinen Kommissar<br />

gestellt, auch in den Jahren nicht, in<br />

denen es für große Länder noch zwei<br />

Kommissare gab. Zudem ist das Ergebnis<br />

der Bundestagswahl ein klarer Fingerzeig:<br />

CDU und CSU bilden mit großem Vorsprung<br />

die stärkste Fraktion im Bundestag,<br />

auch deswegen wird die SPD sich<br />

schwertun, Ansprüche auf den Posten<br />

des deutschen Kommissars zu erheben.<br />

Zumal die SPD bei der Vergabe der<br />

Ministerposten ja mehr als beachtlich abgeschnitten<br />

hat.<br />

SPIEGEL: Herr Oettinger, wir danken<br />

Ihnen für dieses Gespräch.<br />

* Peter Müller in Friedrichshafen am Bodensee.<br />

Im Zangengriff<br />

Klima Die Autokonzerne wollen den Verbrennungsmotor retten<br />

und kämpfen gegen strengere CO 2 -Grenzwerte von Umweltministerin<br />

Schulze (SPD). Olaf Scholz fällt der Parteifreundin in den Rücken.<br />

G<br />

ute Nachrichten aus Berlin sind das<br />

Letzte, was man dieser Tage in den<br />

Vorstandsetagen deutscher Autokonzerne<br />

erwartet. Die Bosse wissen, dass<br />

die Regierung wegen der Dieselaffäre sauer<br />

auf sie ist. Sogar CSU-Verkehrsminister<br />

Andreas Scheuer, ein Freund der Branche,<br />

reagiert auf die Entdeckung immer neuer<br />

Abgasmanipulationen mittlerweile äußerst<br />

gereizt.<br />

Doch vergangene Woche staunten die<br />

Manager in Wolfsburg, Stuttgart und München<br />

nicht schlecht: Sie bekamen ein Milliardengeschenk<br />

aus Berlin, und das ausgerechnet<br />

<strong>vom</strong> knauserigen Finanzminister<br />

Olaf Scholz (SPD). »Wir konnten unser<br />

Glück kaum fassen«, berichtet der Manager<br />

eines süddeutschen Herstellers.<br />

<strong>Der</strong> Vizekanzler hatte ein Gesetz ins<br />

Kabinett gebracht, mit dem er die pauschale<br />

Steuer auf Dienstwagen halbiert, die mit<br />

Elektromotoren fahren. Ein Gesetz, das<br />

Elektromobilität fördern und damit dem<br />

Klimaschutz dienen soll, zumindest auf<br />

den ersten Blick.<br />

Doch Scholz lässt sein Füllhorn auch<br />

über Fahrzeuge mit sogenanntem Plug-in-<br />

Hybrid-Antrieb ausschütten, die wenig<br />

ökologisch und klimaschonend sind. Denn<br />

vor allem große Geländewagen und Luxus -<br />

karossen schaffen gerade mal zwei Dutzend<br />

Kilometer im Elektrobetrieb. Dann<br />

schalten sie ihren Verbrenner ein und verbrauchen<br />

große Mengen Benzin. Scholz<br />

hätte seine eigenen Fahrer fragen können.<br />

Die hatten sich im vergangenen Jahr über<br />

den Durst ihrer Dienstkarossen mit Hybrid -<br />

motor beschwert.<br />

Die Konzernchefs von BMW oder<br />

Daimler hatten eigentlich erwartet, dass<br />

der Genosse ihnen Auflagen machen würde,<br />

etwa eine Mindestdistanz von 60 oder<br />

80 Kilometern, die der Elektroantrieb der<br />

Hybridwagen durchhalten muss. Doch<br />

Scholz stellte keinerlei Bedingungen.<br />

Künftig können sich nun vor allem Besitzer<br />

großer Dienstwagen noch größere leisten.<br />

Statt eines 5er-BMW einen 7er, statt<br />

einer E-Klasse eine S-Klasse. »Die monatlichen<br />

Kosten für unsere wohlhabenden<br />

Kunden bleiben fast die gleichen«, frohlockt<br />

der Automanager und fügt hinzu:<br />

»Und das möglich gemacht von einem<br />

Sozialdemokraten.«<br />

Für die grüne Opposition eine gute Gelegenheit<br />

zur Kritik: Reine Elektroautos<br />

zu fördern sei richtig, sagt deren Vorsitzen -<br />

de Annalena Baerbock. »Hybrid-Dienstwagen<br />

zu fördern ist jedoch der falsche<br />

Weg. <strong>Der</strong> Klimaschutzeffekt dieser halbelektrischen<br />

Fahrzeuge ist sehr gering.«<br />

Da sei es schon sinnvoller, E-Bikes steuerlich<br />

zu begünstigen.<br />

Einen nicht unwesentlichen Anteil an<br />

dem Geschenk für die Autokonzerne<br />

könnte ein Besuch gehabt haben, den die<br />

Betriebsräte der großen deutschen Autokonzerne<br />

und IG-Metall-Chef Jörg Hofmann<br />

vor drei Wochen der Hauptstadt<br />

abstatteten. Ihr Ziel: die sozialdemokra -<br />

tischen Bundesministerien, bei denen ihr<br />

Wort besonders gehört wird.<br />

Mitte Juli saßen sie bei Bundesumweltministerin<br />

Svenja Schulze, deren Haus eigentlich<br />

Einwände gegen das Dienstwagen-Gesetz<br />

hätte erheben müssen. Auch<br />

bei Olaf Scholz sprachen Arbeitnehmervertreter<br />

vor. Die Mission war nicht nur<br />

wegen des Dienstwagen-Scoops ein voller<br />

Erfolg. Die Herrschaften räumten zugleich<br />

ein Vorhaben ab, das die Restlaufzeit des<br />

Verbrennungsmotors deutlich verkürzt<br />

hätte: scharfe CO 2 -Grenzwerte für Pkw<br />

bis zum Jahr 2030.<br />

Denn was Arbeitnehmervertreter und<br />

Konzernchefs verbindet, das ist der Kampf<br />

für den guten alten Verbrennungsmotor.<br />

Gewerkschaften wie Autounternehmen<br />

stemmen sich gegen den Übergang zur<br />

Elektromobilität, die einen wegen der Milliardengewinne,<br />

die anderen wegen der<br />

vielen Facharbeiter, die treu zahlende Gewerkschaftsmitglieder<br />

sind.<br />

Antriebstechnologien<br />

Anteil an den Neuzulassungen* in der EU<br />

in Prozent<br />

37<br />

rein elektrisch<br />

0,5<br />

97<br />

16<br />

2016<br />

47<br />

hybrid<br />

2,5<br />

reiner<br />

Verbrennungsmotor<br />

Prognose 2030<br />

Quelle: PwC<br />

* Pkw und leichte<br />

Nutzfahrzeuge<br />

34

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