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Deutschland<br />
vergeben und nicht mehr nur an Politiker<br />
der EVP und Sozialdemokraten. 2019 stehen<br />
ja viele Personalentscheidungen an,<br />
<strong>vom</strong> Kommissionspräsidenten bis zur<br />
Nachfolge Mario Draghis an der Spitze<br />
der Europäischen Zentralbank.<br />
SPIEGEL: Manfred Weber, der Fraktionschef<br />
der EVP im Europaparlament, hat<br />
sich bereits als Spitzenkandidat der Partei<br />
ins Gespräch gebracht. Hat er Ihre Unterstützung?<br />
Oettinger: Ich halte sein Interesse für mehr<br />
als legitim. Ich traue ihm einen guten Wahlkampf<br />
zu, er würde das Amt hervorragend<br />
ausfüllen.<br />
SPIEGEL: In Brüssel meinen aber nicht wenige,<br />
dass die Deutschen schon viel zu viele<br />
Top-Positionen in Europa besetzen.<br />
Oettinger: Bei Martin Schulz hat das 2014<br />
auch niemand kritisiert. <strong>Der</strong> Spitzenkandidat<br />
muss natürlich kein Deutscher sein;<br />
es darf aber kein Ausschlusskriterium sein.<br />
SPIEGEL: Nach der Europawahl muss der<br />
Posten des deutschen EU-Kommissars<br />
DANIEL AUF DER MAUER / DER SPIEGEL<br />
Oettinger, SPIEGEL-Redakteur*<br />
»Macron ist ein Mitbewerber«<br />
ebenfalls neu besetzt werden, da Sie nicht<br />
mehr zur Verfügung stehen. Wäre da nicht<br />
Martin Schulz, der frühere EU-Parlamentspräsident<br />
und SPD-Chef, ein guter<br />
Kandidat?<br />
Oettinger: Ich schätze Martin Schulz.<br />
Aber in dieser Frage möchte ich im Interesse<br />
meiner Partei Folgendes festhalten:<br />
Die CDU hat viele Jahre keinen Kommissar<br />
gestellt, auch in den Jahren nicht, in<br />
denen es für große Länder noch zwei<br />
Kommissare gab. Zudem ist das Ergebnis<br />
der Bundestagswahl ein klarer Fingerzeig:<br />
CDU und CSU bilden mit großem Vorsprung<br />
die stärkste Fraktion im Bundestag,<br />
auch deswegen wird die SPD sich<br />
schwertun, Ansprüche auf den Posten<br />
des deutschen Kommissars zu erheben.<br />
Zumal die SPD bei der Vergabe der<br />
Ministerposten ja mehr als beachtlich abgeschnitten<br />
hat.<br />
SPIEGEL: Herr Oettinger, wir danken<br />
Ihnen für dieses Gespräch.<br />
* Peter Müller in Friedrichshafen am Bodensee.<br />
Im Zangengriff<br />
Klima Die Autokonzerne wollen den Verbrennungsmotor retten<br />
und kämpfen gegen strengere CO 2 -Grenzwerte von Umweltministerin<br />
Schulze (SPD). Olaf Scholz fällt der Parteifreundin in den Rücken.<br />
G<br />
ute Nachrichten aus Berlin sind das<br />
Letzte, was man dieser Tage in den<br />
Vorstandsetagen deutscher Autokonzerne<br />
erwartet. Die Bosse wissen, dass<br />
die Regierung wegen der Dieselaffäre sauer<br />
auf sie ist. Sogar CSU-Verkehrsminister<br />
Andreas Scheuer, ein Freund der Branche,<br />
reagiert auf die Entdeckung immer neuer<br />
Abgasmanipulationen mittlerweile äußerst<br />
gereizt.<br />
Doch vergangene Woche staunten die<br />
Manager in Wolfsburg, Stuttgart und München<br />
nicht schlecht: Sie bekamen ein Milliardengeschenk<br />
aus Berlin, und das ausgerechnet<br />
<strong>vom</strong> knauserigen Finanzminister<br />
Olaf Scholz (SPD). »Wir konnten unser<br />
Glück kaum fassen«, berichtet der Manager<br />
eines süddeutschen Herstellers.<br />
<strong>Der</strong> Vizekanzler hatte ein Gesetz ins<br />
Kabinett gebracht, mit dem er die pauschale<br />
Steuer auf Dienstwagen halbiert, die mit<br />
Elektromotoren fahren. Ein Gesetz, das<br />
Elektromobilität fördern und damit dem<br />
Klimaschutz dienen soll, zumindest auf<br />
den ersten Blick.<br />
Doch Scholz lässt sein Füllhorn auch<br />
über Fahrzeuge mit sogenanntem Plug-in-<br />
Hybrid-Antrieb ausschütten, die wenig<br />
ökologisch und klimaschonend sind. Denn<br />
vor allem große Geländewagen und Luxus -<br />
karossen schaffen gerade mal zwei Dutzend<br />
Kilometer im Elektrobetrieb. Dann<br />
schalten sie ihren Verbrenner ein und verbrauchen<br />
große Mengen Benzin. Scholz<br />
hätte seine eigenen Fahrer fragen können.<br />
Die hatten sich im vergangenen Jahr über<br />
den Durst ihrer Dienstkarossen mit Hybrid -<br />
motor beschwert.<br />
Die Konzernchefs von BMW oder<br />
Daimler hatten eigentlich erwartet, dass<br />
der Genosse ihnen Auflagen machen würde,<br />
etwa eine Mindestdistanz von 60 oder<br />
80 Kilometern, die der Elektroantrieb der<br />
Hybridwagen durchhalten muss. Doch<br />
Scholz stellte keinerlei Bedingungen.<br />
Künftig können sich nun vor allem Besitzer<br />
großer Dienstwagen noch größere leisten.<br />
Statt eines 5er-BMW einen 7er, statt<br />
einer E-Klasse eine S-Klasse. »Die monatlichen<br />
Kosten für unsere wohlhabenden<br />
Kunden bleiben fast die gleichen«, frohlockt<br />
der Automanager und fügt hinzu:<br />
»Und das möglich gemacht von einem<br />
Sozialdemokraten.«<br />
Für die grüne Opposition eine gute Gelegenheit<br />
zur Kritik: Reine Elektroautos<br />
zu fördern sei richtig, sagt deren Vorsitzen -<br />
de Annalena Baerbock. »Hybrid-Dienstwagen<br />
zu fördern ist jedoch der falsche<br />
Weg. <strong>Der</strong> Klimaschutzeffekt dieser halbelektrischen<br />
Fahrzeuge ist sehr gering.«<br />
Da sei es schon sinnvoller, E-Bikes steuerlich<br />
zu begünstigen.<br />
Einen nicht unwesentlichen Anteil an<br />
dem Geschenk für die Autokonzerne<br />
könnte ein Besuch gehabt haben, den die<br />
Betriebsräte der großen deutschen Autokonzerne<br />
und IG-Metall-Chef Jörg Hofmann<br />
vor drei Wochen der Hauptstadt<br />
abstatteten. Ihr Ziel: die sozialdemokra -<br />
tischen Bundesministerien, bei denen ihr<br />
Wort besonders gehört wird.<br />
Mitte Juli saßen sie bei Bundesumweltministerin<br />
Svenja Schulze, deren Haus eigentlich<br />
Einwände gegen das Dienstwagen-Gesetz<br />
hätte erheben müssen. Auch<br />
bei Olaf Scholz sprachen Arbeitnehmervertreter<br />
vor. Die Mission war nicht nur<br />
wegen des Dienstwagen-Scoops ein voller<br />
Erfolg. Die Herrschaften räumten zugleich<br />
ein Vorhaben ab, das die Restlaufzeit des<br />
Verbrennungsmotors deutlich verkürzt<br />
hätte: scharfe CO 2 -Grenzwerte für Pkw<br />
bis zum Jahr 2030.<br />
Denn was Arbeitnehmervertreter und<br />
Konzernchefs verbindet, das ist der Kampf<br />
für den guten alten Verbrennungsmotor.<br />
Gewerkschaften wie Autounternehmen<br />
stemmen sich gegen den Übergang zur<br />
Elektromobilität, die einen wegen der Milliardengewinne,<br />
die anderen wegen der<br />
vielen Facharbeiter, die treu zahlende Gewerkschaftsmitglieder<br />
sind.<br />
Antriebstechnologien<br />
Anteil an den Neuzulassungen* in der EU<br />
in Prozent<br />
37<br />
rein elektrisch<br />
0,5<br />
97<br />
16<br />
2016<br />
47<br />
hybrid<br />
2,5<br />
reiner<br />
Verbrennungsmotor<br />
Prognose 2030<br />
Quelle: PwC<br />
* Pkw und leichte<br />
Nutzfahrzeuge<br />
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