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Manager Hogan 2014: Etwas kleinlaut im Separee<br />
Dschidda. In den Gesprächen ging es auch<br />
um Air Berlin. Teilnehmer schildern, dass<br />
Spohr erneut darauf bestand, dass die Araber<br />
Air Berlin entschulden, bevor sie weitere<br />
Teile ihrer Flotte bei der Lufthansa einbringen<br />
dürften.<br />
Al Sayegh war dagegen der Meinung,<br />
die Deutschen seien finanziell ohnehin viel<br />
zu gut weggekommen. »Warum übernehmt<br />
ihr nicht den ganzen Laden inklusive<br />
der Schulden für einen symbolischen<br />
Euro?«, soll er laut einem Delegationsmitglied<br />
angeregt haben. Später sollen die<br />
Araber sogar bis zu zwei Milliarden Euro<br />
für ihre Air-Berlin-Anteile gefordert haben.<br />
Dann wiederum hieß es, der Bund<br />
solle sich beteiligen.<br />
Showdown auf der Jacht<br />
In den Wochen und Monaten danach wurde<br />
die Atmosphäre der Gespräche immer<br />
frostiger. Zwischenzeitlich herrschte sogar<br />
komplette Funkstille. Winkelmann ließ<br />
sich dadurch aber nicht beirren: Er suchte<br />
weiter nach Käufern oder Partnern für seine<br />
verbliebenen Flieger und hatte Verhandlungen<br />
bis in den <strong>August</strong> hinein terminiert.<br />
<strong>Der</strong> eigentliche Showdown kündigte<br />
sich dann vergleichsweise harmlos an.<br />
Mitten in die sommerliche Urlaubsruhe<br />
schickte Etihad Ende Juli eine Anfrage<br />
nach Berlin: Wie viel Geld Air Berlin denn<br />
demnächst brauche, wollte der arabische<br />
Großaktionär wissen.<br />
Die Deutschen kündigten einen Finanzbedarf<br />
von 50 Millionen Euro per Ende <strong>August</strong><br />
an. Die Summe sollte aus einer noch<br />
nicht voll beanspruchten Kreditlinie fließen.<br />
Winkelmanns Finanzchef forderte den Betrag<br />
am 9. <strong>August</strong> offiziell an, an einem<br />
Mittwoch. Al Sayegh und seine Berater fingen<br />
daraufhin an zu pokern. Auch die Lufthansa<br />
müsse einen Beitrag leisten, verlangten<br />
sie. Die lehnte das Ansinnen als grundlos<br />
ab. Die Etihad-Emissäre hatten in der<br />
Vergangenheit schon häufiger Druck gemacht,<br />
am Ende aber immer gezahlt. Das<br />
würden sie auch dieses Mal tun, glaubten<br />
Spohr und seine Strategen, schon wegen<br />
des sonst drohenden Gesichtsverlusts.<br />
Sie sollten sich täuschen.<br />
Zwei Tage später kam das Aus – per<br />
Fax. Winkelmann traf sich kurz zuvor mit<br />
einem Vertreter der Pilotenvereinigung<br />
Cockpit im Berliner Café Einstein, um den<br />
Flugzeugführern Gehaltszugeständnisse<br />
abzuringen. Hätte er eine Vorahnung gehabt<br />
oder die Air-Berlin-Pleite, wie behauptet,<br />
zusammen mit Spohr inszeniert,<br />
hätte er sich den Termin sparen können.<br />
Dann setzte er sich gut gelaunt ins Auto,<br />
um eine weitere Verpflichtung am späten<br />
Nachmittag wahrzunehmen. Doch dazu<br />
kam es nicht. Während der Fahrt erreichte<br />
ihn die Nachricht, dass Etihad per Fax die<br />
Zahlung der 50 Millionen verweigert hatte.<br />
Hektisch fuhr Winkelmann ins Büro,<br />
rief den Vorstand zusammen, alarmierte<br />
die Chefjuristen, informierte den Aufsichtsrat<br />
und schaltete die Wirtschaftskanzlei<br />
Freshfields ein. Am Abend telefonierte<br />
er mit dem damaligen Bundesverkehrs -<br />
minister Alexander Dobrindt.<br />
Dann griff er erneut zum Handy und<br />
wählte Spohrs Nummer. Es ist jener Anruf<br />
am Freitagabend, der eines der intensivsten<br />
Wochenenden einläutete, die Spohr je<br />
erlebt haben will.<br />
<strong>Der</strong> Lufthansa-Chef schläft in der darauffolgenden<br />
Nacht etwas unruhig. Am<br />
KRISZTIAN BOCSI / BLOOMBERG / GETTY IMAGES<br />
Morgen bekommt er eine SMS von Al<br />
Sayegh. <strong>Der</strong> schippert gerade mit einer<br />
Jacht im Mittelmeer und kündigt seinen<br />
Anruf an.<br />
Das Gespräch wird eher unangenehm.<br />
»Ihr habt bei dem Flugzeug-Leihdeal zu<br />
gut verhandelt und müsst Geld nachschießen«,<br />
soll der Finanzexperte nach Erzählungen<br />
von Insidern gefordert haben,<br />
»sonst lässt meine Regierung alles platzen.«<br />
Spohr soll gegengehalten haben: »Ihr<br />
müsst Geld geben und die Firma fit machen,<br />
andernfalls gibt es keinen Deal, und<br />
euer Land blamiert sich«, soll er den Vize-<br />
Verwaltungsratschef ermahnt haben. <strong>Der</strong><br />
Lufthansa-Chef wollte sich zu diesen und<br />
anderen Details nicht äußern. Auch Winkelmann,<br />
Hogan und Al Sayegh lehnten<br />
jeglichen Kommentar ab.<br />
Zu einem späteren Zeitpunkt am Wochenende<br />
gibt es noch einen allerletzten<br />
Rettungsversuch – im direkten Kontakt<br />
zwischen den Regierungen in Berlin und<br />
Abu Dhabi. Doch auch er führt zu keiner<br />
Einigung.<br />
Drei Tage danach, am Dienstag, dem<br />
15. <strong>August</strong> 2017, beantragt die Air-Berlin-<br />
Führung beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg<br />
das erste Insolvenzverfahren in<br />
Eigenverwaltung für eine deutsche Airline.<br />
Epilog<br />
Wer hat wirklich von der Air-Berlin-Pleite<br />
profitiert? Die Lufthansa? Die Verbraucher?<br />
Oder Wettbewerber wie Easyjet<br />
oder Ryanair?<br />
<strong>No</strong>ch ist es zu früh für eine Antwort auf<br />
diese Fragen. Fest steht bislang nur eines:<br />
Die Lufthansa-Gruppe hat 77 der ehemals<br />
mehr als 140 Air-Berlin-Jets übernommen,<br />
weniger als erhofft. Und nahezu alle Airlines,<br />
die Teile der einstigen Nummer zwei<br />
im Markt zugesprochen bekamen, haben<br />
den Aufwand für die Bedienung der Strecken<br />
sowie die Ummeldung der Flugzeuge<br />
sträflich unterschätzt.<br />
Lufthansa-Chef Spohr gibt inzwischen<br />
öffentlich zu, dass es für seinen Konzern<br />
finanziell besser gewesen wäre, wenn Air<br />
Berlin eine konventionelle Pleite hingelegt<br />
hätte und die Jets bereits im <strong>August</strong> am<br />
Boden geblieben wären. »In diesem Fall<br />
hätten wir deutlich mehr Start- und Lande -<br />
rechte bekommen«, argumentiert er. Außerdem<br />
hätte die Lufthansa Kosten im dreistelligen<br />
Millionenbereich gespart.<br />
Trotzdem hadert Spohr nicht mit der<br />
Situation. Er sei neben seinem Hauptberuf<br />
als Lufthansa-Chef nun mal auch »Bürger<br />
dieses Landes«, bekennt er. Und als solcher<br />
begrüße er, dass die Bundesregierung<br />
den Flugbetrieb zunächst weiterfinanziert<br />
habe. Da müssten die Interessen der Lufthansa<br />
ausnahmsweise zurückstehen.<br />
Dinah Deckstein, Martin U. Müller<br />
68 DER SPIEGEL Nr. <strong>32</strong> / 4. 8. <strong>2018</strong>