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Der Spiegel Magazin No 32 vom 04. August 2018

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Manager Hogan 2014: Etwas kleinlaut im Separee<br />

Dschidda. In den Gesprächen ging es auch<br />

um Air Berlin. Teilnehmer schildern, dass<br />

Spohr erneut darauf bestand, dass die Araber<br />

Air Berlin entschulden, bevor sie weitere<br />

Teile ihrer Flotte bei der Lufthansa einbringen<br />

dürften.<br />

Al Sayegh war dagegen der Meinung,<br />

die Deutschen seien finanziell ohnehin viel<br />

zu gut weggekommen. »Warum übernehmt<br />

ihr nicht den ganzen Laden inklusive<br />

der Schulden für einen symbolischen<br />

Euro?«, soll er laut einem Delegationsmitglied<br />

angeregt haben. Später sollen die<br />

Araber sogar bis zu zwei Milliarden Euro<br />

für ihre Air-Berlin-Anteile gefordert haben.<br />

Dann wiederum hieß es, der Bund<br />

solle sich beteiligen.<br />

Showdown auf der Jacht<br />

In den Wochen und Monaten danach wurde<br />

die Atmosphäre der Gespräche immer<br />

frostiger. Zwischenzeitlich herrschte sogar<br />

komplette Funkstille. Winkelmann ließ<br />

sich dadurch aber nicht beirren: Er suchte<br />

weiter nach Käufern oder Partnern für seine<br />

verbliebenen Flieger und hatte Verhandlungen<br />

bis in den <strong>August</strong> hinein terminiert.<br />

<strong>Der</strong> eigentliche Showdown kündigte<br />

sich dann vergleichsweise harmlos an.<br />

Mitten in die sommerliche Urlaubsruhe<br />

schickte Etihad Ende Juli eine Anfrage<br />

nach Berlin: Wie viel Geld Air Berlin denn<br />

demnächst brauche, wollte der arabische<br />

Großaktionär wissen.<br />

Die Deutschen kündigten einen Finanzbedarf<br />

von 50 Millionen Euro per Ende <strong>August</strong><br />

an. Die Summe sollte aus einer noch<br />

nicht voll beanspruchten Kreditlinie fließen.<br />

Winkelmanns Finanzchef forderte den Betrag<br />

am 9. <strong>August</strong> offiziell an, an einem<br />

Mittwoch. Al Sayegh und seine Berater fingen<br />

daraufhin an zu pokern. Auch die Lufthansa<br />

müsse einen Beitrag leisten, verlangten<br />

sie. Die lehnte das Ansinnen als grundlos<br />

ab. Die Etihad-Emissäre hatten in der<br />

Vergangenheit schon häufiger Druck gemacht,<br />

am Ende aber immer gezahlt. Das<br />

würden sie auch dieses Mal tun, glaubten<br />

Spohr und seine Strategen, schon wegen<br />

des sonst drohenden Gesichtsverlusts.<br />

Sie sollten sich täuschen.<br />

Zwei Tage später kam das Aus – per<br />

Fax. Winkelmann traf sich kurz zuvor mit<br />

einem Vertreter der Pilotenvereinigung<br />

Cockpit im Berliner Café Einstein, um den<br />

Flugzeugführern Gehaltszugeständnisse<br />

abzuringen. Hätte er eine Vorahnung gehabt<br />

oder die Air-Berlin-Pleite, wie behauptet,<br />

zusammen mit Spohr inszeniert,<br />

hätte er sich den Termin sparen können.<br />

Dann setzte er sich gut gelaunt ins Auto,<br />

um eine weitere Verpflichtung am späten<br />

Nachmittag wahrzunehmen. Doch dazu<br />

kam es nicht. Während der Fahrt erreichte<br />

ihn die Nachricht, dass Etihad per Fax die<br />

Zahlung der 50 Millionen verweigert hatte.<br />

Hektisch fuhr Winkelmann ins Büro,<br />

rief den Vorstand zusammen, alarmierte<br />

die Chefjuristen, informierte den Aufsichtsrat<br />

und schaltete die Wirtschaftskanzlei<br />

Freshfields ein. Am Abend telefonierte<br />

er mit dem damaligen Bundesverkehrs -<br />

minister Alexander Dobrindt.<br />

Dann griff er erneut zum Handy und<br />

wählte Spohrs Nummer. Es ist jener Anruf<br />

am Freitagabend, der eines der intensivsten<br />

Wochenenden einläutete, die Spohr je<br />

erlebt haben will.<br />

<strong>Der</strong> Lufthansa-Chef schläft in der darauffolgenden<br />

Nacht etwas unruhig. Am<br />

KRISZTIAN BOCSI / BLOOMBERG / GETTY IMAGES<br />

Morgen bekommt er eine SMS von Al<br />

Sayegh. <strong>Der</strong> schippert gerade mit einer<br />

Jacht im Mittelmeer und kündigt seinen<br />

Anruf an.<br />

Das Gespräch wird eher unangenehm.<br />

»Ihr habt bei dem Flugzeug-Leihdeal zu<br />

gut verhandelt und müsst Geld nachschießen«,<br />

soll der Finanzexperte nach Erzählungen<br />

von Insidern gefordert haben,<br />

»sonst lässt meine Regierung alles platzen.«<br />

Spohr soll gegengehalten haben: »Ihr<br />

müsst Geld geben und die Firma fit machen,<br />

andernfalls gibt es keinen Deal, und<br />

euer Land blamiert sich«, soll er den Vize-<br />

Verwaltungsratschef ermahnt haben. <strong>Der</strong><br />

Lufthansa-Chef wollte sich zu diesen und<br />

anderen Details nicht äußern. Auch Winkelmann,<br />

Hogan und Al Sayegh lehnten<br />

jeglichen Kommentar ab.<br />

Zu einem späteren Zeitpunkt am Wochenende<br />

gibt es noch einen allerletzten<br />

Rettungsversuch – im direkten Kontakt<br />

zwischen den Regierungen in Berlin und<br />

Abu Dhabi. Doch auch er führt zu keiner<br />

Einigung.<br />

Drei Tage danach, am Dienstag, dem<br />

15. <strong>August</strong> 2017, beantragt die Air-Berlin-<br />

Führung beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg<br />

das erste Insolvenzverfahren in<br />

Eigenverwaltung für eine deutsche Airline.<br />

Epilog<br />

Wer hat wirklich von der Air-Berlin-Pleite<br />

profitiert? Die Lufthansa? Die Verbraucher?<br />

Oder Wettbewerber wie Easyjet<br />

oder Ryanair?<br />

<strong>No</strong>ch ist es zu früh für eine Antwort auf<br />

diese Fragen. Fest steht bislang nur eines:<br />

Die Lufthansa-Gruppe hat 77 der ehemals<br />

mehr als 140 Air-Berlin-Jets übernommen,<br />

weniger als erhofft. Und nahezu alle Airlines,<br />

die Teile der einstigen Nummer zwei<br />

im Markt zugesprochen bekamen, haben<br />

den Aufwand für die Bedienung der Strecken<br />

sowie die Ummeldung der Flugzeuge<br />

sträflich unterschätzt.<br />

Lufthansa-Chef Spohr gibt inzwischen<br />

öffentlich zu, dass es für seinen Konzern<br />

finanziell besser gewesen wäre, wenn Air<br />

Berlin eine konventionelle Pleite hingelegt<br />

hätte und die Jets bereits im <strong>August</strong> am<br />

Boden geblieben wären. »In diesem Fall<br />

hätten wir deutlich mehr Start- und Lande -<br />

rechte bekommen«, argumentiert er. Außerdem<br />

hätte die Lufthansa Kosten im dreistelligen<br />

Millionenbereich gespart.<br />

Trotzdem hadert Spohr nicht mit der<br />

Situation. Er sei neben seinem Hauptberuf<br />

als Lufthansa-Chef nun mal auch »Bürger<br />

dieses Landes«, bekennt er. Und als solcher<br />

begrüße er, dass die Bundesregierung<br />

den Flugbetrieb zunächst weiterfinanziert<br />

habe. Da müssten die Interessen der Lufthansa<br />

ausnahmsweise zurückstehen.<br />

Dinah Deckstein, Martin U. Müller<br />

68 DER SPIEGEL Nr. <strong>32</strong> / 4. 8. <strong>2018</strong>

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