Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Wirtschaft<br />
Blindlings in die Rohstoff-Falle<br />
Analyse Bodenschätze wie Kupfer oder Kobalt sind essenziell für Zukunftstechnologien, etwa<br />
Elektroautos. <strong>Der</strong> deutschen Wirtschaft fehlt der Zugang. Muss der Staat den Nachschub sichern?<br />
D<br />
as Batteriesystem eines Elektroautos gleicht einem<br />
gut sortierten Metalllager: Darin befinden sich<br />
ungefähr 60 Kilogramm Kupfer, rund 40 Kilo Lithium,<br />
35 Kilo Grafit sowie jeweils 12 Kilo Nickel, Kobalt<br />
und Mangan. Mal mehr, mal weniger, je nach Modell<br />
und Zelltyp.<br />
Solche Industriemetalle machen rund ein Siebtel des<br />
Wertes eines Elektroautos aus, das sind bei einem BMW i3<br />
mindestens 5000 Euro. Auch im Smartphone verbergen sich<br />
wahre Schätze, es enthält mehr als 60 verschiedene Rohstoffe.<br />
Und in Windkraftanlagen verleihen sogenannte Seltene<br />
Erden den Generatoren die Leistungskraft. Solche Metalle<br />
sind essenziell für jedes Hightechgerät.<br />
Die deutsche Industrie tut freilich<br />
so, als spielten sie für ihr Geschäft<br />
keine besondere Rolle, als seien Kupfer EIGENVERSORGUNG<br />
oder Kobalt, Neodym oder Dysprosium<br />
beliebig austauschbar und stets verfügbar,<br />
einfache »Commodities« eben.<br />
Mrd. €<br />
10<br />
Mit dieser Haltung laufen die Unterneh -<br />
aus Recycling<br />
men blindlings in die Rohstofffalle.<br />
Schließlich gehören sie zu den größten<br />
Konsumenten von Bodenschätzen<br />
12<br />
weltweit, sie sind auf Einfuhren aus<br />
Mrd. €<br />
dem Ausland angewiesen. Doch sie haben<br />
es versäumt, sich eigene Zugänge<br />
aus<br />
zu sichern. Die Firmen haben sich abhängig<br />
gemacht und damit verwundbar.<br />
heimischer Rohstoffproduktion<br />
Das war früher anders. Da besaßen<br />
die deutschen Industriekonzerne Thyssen<br />
oder Krupp direkten Zugriff auf Eisenerzvorkommen.<br />
Mit der Metallgesellschaft oder Preussag existierten relevante<br />
Konzerne, die die Volkswirtschaft mit Rohstoffen versorgten.<br />
Mancher sehnt sich heute nach diesen Zeiten zurück.<br />
Inzwischen nämlich ist kaum ein deutsches Unternehmen<br />
noch im Bergbau aktiv. Die Manager richten ihre Aufmerksamkeit<br />
lieber darauf, ein hochwertiges Produkt herzustellen,<br />
statt auch die anderen Glieder der Wertschöpfungskette zu<br />
kontrollieren, bis zurück zur Mine, aus der Rohstoff gefördert<br />
wird. Wozu sollten sie sich auch die Hände schmutzig machen?<br />
Unternehmen müssen nicht alles können.<br />
Allerdings ist fraglich, ob sie sich eine derartige Fokussierung<br />
noch leisten können. Die Kunden wollen heute wissen, woher<br />
die Rohstoffe stammen, beispielsweise das Kobalt in der Elektroautobatterie.<br />
Mehr als die Hälfte des Weltbedarfs liefern<br />
Unternehmen aus der Demokratischen Republik Kongo, einem<br />
Unrechtsstaat. Ob das Kobalt nur aus Minen stammt, in denen<br />
ordentlich gearbeitet wird, lässt sich kaum ermitteln. Die Lieferkette<br />
ist lang und intransparent.<br />
Dazu kommt: Die deutschen Unternehmen müssen froh<br />
sein, wenn die Rohstoffproduzenten sie überhaupt bedienen,<br />
ihre Marktposition ist geschwächt. »Bergbaukonzerne und<br />
Förderländer können sich ihre Kunden aussuchen und nicht<br />
umgekehrt«, beschrieb Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes<br />
der Deutschen Industrie, beim Rohstoffkongress<br />
seines Hauses Anfang Juli das neue Kräfteverhältnis. Bezeichnenderweise<br />
hielt es keiner der Topplayer wie BHP Billiton,<br />
Rohstoffe für die deutsche Wirtschaft, 2016<br />
davon<br />
Metalle<br />
46,3%<br />
Rio Tinto oder Glencore für nötig, einen Vertreter zu der Tagung<br />
nach Berlin zu schicken.<br />
Es ist deshalb leichtfertig, wenn sich deutsche Unternehmen<br />
darauf verlassen, dass der Nachschub gesichert ist und<br />
dass die Preise berechenbar bleiben. Mit Sorge beobachtet<br />
die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, wie<br />
volatil die <strong>No</strong>tierungen gegenwärtig sind. Für solche Schwankungen<br />
sind sogenannte Gewürzmetalle besonders anfällig,<br />
sie werden weltweit nur an wenigen Orten gefördert.<br />
Seltene Erden gehören etwa dazu – und deren Beispiel<br />
zeigt, wie verwundbar deutsche Unternehmen sind: Vor acht<br />
Jahren drosselte der Hauptexporteur China plötzlich seinen<br />
Verkauf, darauf verteuerten sie sich<br />
IMPORTE<br />
137<br />
Mrd. €<br />
Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe<br />
Nichtmetalle<br />
2,2 %<br />
Energierohstoffe<br />
51,5 %<br />
sprunghaft. So etwas kann sich jederzeit<br />
wiederholen, zumal das Welthandelsklima<br />
derzeit besonders trübe ist.<br />
<strong>Der</strong> China-Schock trug seinerzeit<br />
dazu bei, dass Konzerne wie Bosch,<br />
BMW, Thyssenkrupp oder Volks -<br />
wagen 2012 die »Deutsche Rohstoff -<br />
allianz« gründeten. Gemeinsam wollte<br />
man sich an Minen beteiligen und die<br />
Versorgung mit Rohstoffen sichern, so<br />
das Kalkül. Drei Jahre später löste sich<br />
die Initiative klammheimlich wieder<br />
auf, gescheitert an unterschiedlichen<br />
Erwartungen, kartellrechtlichen Problemen<br />
und daran, dass der Leidensdruck<br />
nachgelassen hatte: Die Preise<br />
waren wieder gefallen.<br />
Mit dem Beginn des elektromobilen Zeitalters kommt<br />
Rohstoffen jedoch eine Schlüsselrolle für Hochtechnologien<br />
zu, deshalb stellt sich die Beschaffungsfrage neu. Wenn die<br />
Industrie keine Lösung findet, bliebe die Möglichkeit, dass<br />
der Staat die Aufgabe übernimmt, die Rohstoffbasis zu<br />
sichern. Immerhin hat Acatech, die Deutsche Akademie der<br />
Technikwissenschaften, bereits für die Gründung eines<br />
staatlich geförderten Bergbau- oder Rohstoffunternehmens<br />
plädiert.<br />
Dieses Vorgehen mag befremdlich klingen, ein wenig nach<br />
Staatsdirigismus. Aber die Rohstoffversorgung war immer<br />
schon eine politische Frage. Mit der bisherigen Strategie des<br />
Bundes, den Kooperationen mit Förderländern wie Chile<br />
oder Peru, ist es nicht getan. Andere Staaten verfolgen eine<br />
weitaus aktivere Rohstoffpolitik. In Japan, Südkorea oder<br />
China erschließen Staatsunternehmen eigene Quellen in aller<br />
Welt oder beteiligen sich an Minen.<br />
Ein solcher Ansatz wäre neu für die Bundesrepublik. Vor<br />
einem halben Jahrhundert formte die damalige Bundesregierung<br />
einen nationalen Champion namens Deminex, er sollte<br />
das Land mit Öl versorgen. Das Konstrukt erwies sich bald<br />
als zu klein, um wirklich eine Rolle zu spielen, die Deminex<br />
endete als milliardenteurer Flop.<br />
Entscheidet sich die Politik jedoch für ein solches Vorgehen,<br />
dann sollte sie Geduld beweisen. Sie muss daran festhalten,<br />
selbst wenn Rohstoffe demnächst wieder entbehrlich scheinen.<br />
Auf lange Sicht sind sie es mit Sicherheit nicht. Alexander Jung<br />
69