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Der Spiegel Magazin No 32 vom 04. August 2018

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Wirtschaft<br />

Blindlings in die Rohstoff-Falle<br />

Analyse Bodenschätze wie Kupfer oder Kobalt sind essenziell für Zukunftstechnologien, etwa<br />

Elektroautos. <strong>Der</strong> deutschen Wirtschaft fehlt der Zugang. Muss der Staat den Nachschub sichern?<br />

D<br />

as Batteriesystem eines Elektroautos gleicht einem<br />

gut sortierten Metalllager: Darin befinden sich<br />

ungefähr 60 Kilogramm Kupfer, rund 40 Kilo Lithium,<br />

35 Kilo Grafit sowie jeweils 12 Kilo Nickel, Kobalt<br />

und Mangan. Mal mehr, mal weniger, je nach Modell<br />

und Zelltyp.<br />

Solche Industriemetalle machen rund ein Siebtel des<br />

Wertes eines Elektroautos aus, das sind bei einem BMW i3<br />

mindestens 5000 Euro. Auch im Smartphone verbergen sich<br />

wahre Schätze, es enthält mehr als 60 verschiedene Rohstoffe.<br />

Und in Windkraftanlagen verleihen sogenannte Seltene<br />

Erden den Generatoren die Leistungskraft. Solche Metalle<br />

sind essenziell für jedes Hightechgerät.<br />

Die deutsche Industrie tut freilich<br />

so, als spielten sie für ihr Geschäft<br />

keine besondere Rolle, als seien Kupfer EIGENVERSORGUNG<br />

oder Kobalt, Neodym oder Dysprosium<br />

beliebig austauschbar und stets verfügbar,<br />

einfache »Commodities« eben.<br />

Mrd. €<br />

10<br />

Mit dieser Haltung laufen die Unterneh -<br />

aus Recycling<br />

men blindlings in die Rohstofffalle.<br />

Schließlich gehören sie zu den größten<br />

Konsumenten von Bodenschätzen<br />

12<br />

weltweit, sie sind auf Einfuhren aus<br />

Mrd. €<br />

dem Ausland angewiesen. Doch sie haben<br />

es versäumt, sich eigene Zugänge<br />

aus<br />

zu sichern. Die Firmen haben sich abhängig<br />

gemacht und damit verwundbar.<br />

heimischer Rohstoffproduktion<br />

Das war früher anders. Da besaßen<br />

die deutschen Industriekonzerne Thyssen<br />

oder Krupp direkten Zugriff auf Eisenerzvorkommen.<br />

Mit der Metallgesellschaft oder Preussag existierten relevante<br />

Konzerne, die die Volkswirtschaft mit Rohstoffen versorgten.<br />

Mancher sehnt sich heute nach diesen Zeiten zurück.<br />

Inzwischen nämlich ist kaum ein deutsches Unternehmen<br />

noch im Bergbau aktiv. Die Manager richten ihre Aufmerksamkeit<br />

lieber darauf, ein hochwertiges Produkt herzustellen,<br />

statt auch die anderen Glieder der Wertschöpfungskette zu<br />

kontrollieren, bis zurück zur Mine, aus der Rohstoff gefördert<br />

wird. Wozu sollten sie sich auch die Hände schmutzig machen?<br />

Unternehmen müssen nicht alles können.<br />

Allerdings ist fraglich, ob sie sich eine derartige Fokussierung<br />

noch leisten können. Die Kunden wollen heute wissen, woher<br />

die Rohstoffe stammen, beispielsweise das Kobalt in der Elektroautobatterie.<br />

Mehr als die Hälfte des Weltbedarfs liefern<br />

Unternehmen aus der Demokratischen Republik Kongo, einem<br />

Unrechtsstaat. Ob das Kobalt nur aus Minen stammt, in denen<br />

ordentlich gearbeitet wird, lässt sich kaum ermitteln. Die Lieferkette<br />

ist lang und intransparent.<br />

Dazu kommt: Die deutschen Unternehmen müssen froh<br />

sein, wenn die Rohstoffproduzenten sie überhaupt bedienen,<br />

ihre Marktposition ist geschwächt. »Bergbaukonzerne und<br />

Förderländer können sich ihre Kunden aussuchen und nicht<br />

umgekehrt«, beschrieb Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes<br />

der Deutschen Industrie, beim Rohstoffkongress<br />

seines Hauses Anfang Juli das neue Kräfteverhältnis. Bezeichnenderweise<br />

hielt es keiner der Topplayer wie BHP Billiton,<br />

Rohstoffe für die deutsche Wirtschaft, 2016<br />

davon<br />

Metalle<br />

46,3%<br />

Rio Tinto oder Glencore für nötig, einen Vertreter zu der Tagung<br />

nach Berlin zu schicken.<br />

Es ist deshalb leichtfertig, wenn sich deutsche Unternehmen<br />

darauf verlassen, dass der Nachschub gesichert ist und<br />

dass die Preise berechenbar bleiben. Mit Sorge beobachtet<br />

die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, wie<br />

volatil die <strong>No</strong>tierungen gegenwärtig sind. Für solche Schwankungen<br />

sind sogenannte Gewürzmetalle besonders anfällig,<br />

sie werden weltweit nur an wenigen Orten gefördert.<br />

Seltene Erden gehören etwa dazu – und deren Beispiel<br />

zeigt, wie verwundbar deutsche Unternehmen sind: Vor acht<br />

Jahren drosselte der Hauptexporteur China plötzlich seinen<br />

Verkauf, darauf verteuerten sie sich<br />

IMPORTE<br />

137<br />

Mrd. €<br />

Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe<br />

Nichtmetalle<br />

2,2 %<br />

Energierohstoffe<br />

51,5 %<br />

sprunghaft. So etwas kann sich jederzeit<br />

wiederholen, zumal das Welthandelsklima<br />

derzeit besonders trübe ist.<br />

<strong>Der</strong> China-Schock trug seinerzeit<br />

dazu bei, dass Konzerne wie Bosch,<br />

BMW, Thyssenkrupp oder Volks -<br />

wagen 2012 die »Deutsche Rohstoff -<br />

allianz« gründeten. Gemeinsam wollte<br />

man sich an Minen beteiligen und die<br />

Versorgung mit Rohstoffen sichern, so<br />

das Kalkül. Drei Jahre später löste sich<br />

die Initiative klammheimlich wieder<br />

auf, gescheitert an unterschiedlichen<br />

Erwartungen, kartellrechtlichen Problemen<br />

und daran, dass der Leidensdruck<br />

nachgelassen hatte: Die Preise<br />

waren wieder gefallen.<br />

Mit dem Beginn des elektromobilen Zeitalters kommt<br />

Rohstoffen jedoch eine Schlüsselrolle für Hochtechnologien<br />

zu, deshalb stellt sich die Beschaffungsfrage neu. Wenn die<br />

Industrie keine Lösung findet, bliebe die Möglichkeit, dass<br />

der Staat die Aufgabe übernimmt, die Rohstoffbasis zu<br />

sichern. Immerhin hat Acatech, die Deutsche Akademie der<br />

Technikwissenschaften, bereits für die Gründung eines<br />

staatlich geförderten Bergbau- oder Rohstoffunternehmens<br />

plädiert.<br />

Dieses Vorgehen mag befremdlich klingen, ein wenig nach<br />

Staatsdirigismus. Aber die Rohstoffversorgung war immer<br />

schon eine politische Frage. Mit der bisherigen Strategie des<br />

Bundes, den Kooperationen mit Förderländern wie Chile<br />

oder Peru, ist es nicht getan. Andere Staaten verfolgen eine<br />

weitaus aktivere Rohstoffpolitik. In Japan, Südkorea oder<br />

China erschließen Staatsunternehmen eigene Quellen in aller<br />

Welt oder beteiligen sich an Minen.<br />

Ein solcher Ansatz wäre neu für die Bundesrepublik. Vor<br />

einem halben Jahrhundert formte die damalige Bundesregierung<br />

einen nationalen Champion namens Deminex, er sollte<br />

das Land mit Öl versorgen. Das Konstrukt erwies sich bald<br />

als zu klein, um wirklich eine Rolle zu spielen, die Deminex<br />

endete als milliardenteurer Flop.<br />

Entscheidet sich die Politik jedoch für ein solches Vorgehen,<br />

dann sollte sie Geduld beweisen. Sie muss daran festhalten,<br />

selbst wenn Rohstoffe demnächst wieder entbehrlich scheinen.<br />

Auf lange Sicht sind sie es mit Sicherheit nicht. Alexander Jung<br />

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