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CRESCENDO 6/18 Oktober-November 2018

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Teodor Currentzis, Evgeny Kissin, Adele Neuhauser, Danil Trifonov und Robin Ticciati.

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H O P E T R I F F T<br />

Daniel-Hope-Kolumne<br />

„DU MUSST BESESSEN SEIN“<br />

Daniel Hope spielte mit Vadim Repin in Istanbul die Premiere von<br />

Shadow Walker, einem Konzert für zwei Geigen von Mark-Anthony Turnage.<br />

Ein Gespräch über Kompromisslosigkeit, Offenheit, Kontrapunkt und – Fußball.<br />

Daniel Hope: Mark, was war die Herausforderung,<br />

für zwei Violinen zu schreiben?<br />

Mark-Anthony Turnage: Ich fand es in<br />

gewisser Weise gar nicht so herausfordernd,<br />

weil mir die Vorstellung, dass zwei Persönlichkeiten<br />

sich gegenseitig ausspielen,<br />

ziemlich gefallen hat. Ich mag diese Idee mit<br />

zwei Solisten. Die eigentliche Challenge war,<br />

dass es nicht viele Konzerte für zwei<br />

Solisten gibt. Eines davon ist ein absolutes<br />

Meisterwerk: das Bach-Doppelkonzert. Das<br />

hat mich etwas eingeschüchtert.<br />

War das türkische Orchester eine Hürde?<br />

Ich wollte die Instrumente kennenlernen,<br />

die westlichen Orchestern nicht vertraut<br />

sind. Und noch bevor man Lauten,<br />

orientalische oder türkische Instrumente<br />

wahrnimmt, hört man hauptsächlich<br />

Schlagzeug. Deshalb habe ich recherchiert.<br />

Das Problem dabei war, dass es künftige<br />

Auftritte aufgrund der ungewöhnlichen<br />

Instrumentation einschränken könnte.<br />

Also habe ich nach Alternativen gesucht.<br />

Gleichzeitig ist es wunderbar, eine türkische<br />

Klangwelt zu haben. Ich kannte das<br />

Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra,<br />

denn ich habe es – mit dir als Solist – im<br />

Radio bei den BBC Proms gehört. Sascha<br />

Goetzel dirigierte.<br />

Kurios ist, dass ich gerade in Luxemburg<br />

war und mit Vadim Repin und Sascha<br />

Goetzel zu Abend aß. Wir meinten, wie<br />

wunderbar es wäre, mal ein Stück für zwei<br />

Violinen zusammen zu spielen und sagten<br />

aus Spaß: Lasst uns versuchen, Mark zu<br />

erreichen! Es hat geklappt!<br />

Das hat mich alles fasziniert. Und natürlich<br />

hat mich Istanbul gereizt! Ich war Mitte der<br />

80er-Jahre dort – und habe es geliebt. Das<br />

ganze Paket, das du dir ausgedacht hast, war<br />

sehr attraktiv. Vadim Repin – ich kannte ihn<br />

Vadim Repin, Sascha Goetzel, Mark-Anthony<br />

Turnage und Daniel Hope (v. l. n. r.)<br />

von einer Aufnahme des Violinkonzerts von<br />

Brahms. Mir waren alle bekannt, was ein<br />

schöner Anfang für das ganze Stück war.<br />

2006, als ich im Beaux Arts Trio spielte,<br />

bekamst du von uns den Auftrag für A Slow<br />

Pavane. Für Menahem Pressler, Gründer<br />

des Beaux Art Trios – er war damals schon<br />

fast 80 –, war das eine völlig neue Musiksprache.<br />

Er war bei den Proben so in<br />

seinem Element! Ist es für dich ein<br />

Unterschied, ob ein Interpret deine Ideen<br />

umsetzt oder ob er auch sein eigenes Ding<br />

durchzieht?<br />

Das Tolle an der Arbeit mit verschiedenen<br />

Spielern – deshalb arbeite ich auch gern mit<br />

Jazzmusikern – ist dieser einzigartige<br />

Sound. Ich mag die Teamarbeit. Und ich<br />

mochte die Erfahrung mit den Beaux Arts<br />

sehr. Meine einzige Chance, wirklich Teil<br />

von etwas zu sein, ist, mit Musikern<br />

zusammenzuarbeiten. Ich erinnere mich,<br />

dass du mich mehrmals gebeten hast, nichts<br />

zu ändern. Aber ihr habt einen Satz neu<br />

interpretiert. Ich mag das. Es regt mich an.<br />

Deine Oper Greek feiert 30-jähriges<br />

Bestehen. Greek hat die Oper verändert.<br />

Welchen Anteil hat Hans Werner Henze<br />

an deinem Weg?<br />

Henze hat gewissermaßen meine internationale<br />

Karriere bereits vor meiner ersten<br />

Zusammenarbeit mit Simon Rattle angeschoben.<br />

Ich war mit Henze in Tanglewood<br />

und traf ihn auch durch meinen großartigen<br />

Lehrer Oliver Knussen, der leider kürzlich<br />

verstorben ist. Henze hat an mich geglaubt.<br />

Er sagte immer, ich sei ein dramatischer<br />

Komponist und würde gut für das Theater<br />

schreiben. Er hat etwas gewagt mit mir. Ich<br />

war ja gerade mal 26, als Greek in Auftrag<br />

gegeben wurde. Er machte mich mit dem<br />

Dramatiker Steven Berkoff und dem<br />

Regisseur Jonathan Moore bekannt. Hinter<br />

fast jeder Idee steckte Henze.<br />

Wenn heute ein junger Komponist nach<br />

Ratschlägen fragt, was antwortest du ihm?<br />

(Lacht) Nun, du musst komplett von Musik<br />

besessen sein. Als junger Komponist musst<br />

du alles wissen, musst dir alles anhören. Als<br />

ich 15 oder 16 war, habe ich einfach alles<br />

aufgesogen. Wenn man anfängt, dann<br />

braucht man die Technik, man muss<br />

wirklich lernen. Ich würde sagen, du<br />

brauchst Obsession, aber auch: Kontrapunkt.<br />

Lerne den Kontrapunkt – er ist eine<br />

Schwäche vieler Komponisten. Ich bin froh,<br />

dass ich einen Lehrer hatte, der darauf<br />

bestand. Ich wurde in gewisser Weise auf<br />

eine deutsche Art erzogen, weil es die Musik<br />

war, von der ich besessen war. Wenn ich<br />

heute vor Studenten stehe, die keine<br />

Obsession haben, macht mir das Sorgen.<br />

Letzte Frage: Wir sind beide Fans von<br />

Arsenal London. Wie wird die Saison?<br />

Wir werden wieder Fünfter oder Sechster?<br />

Es ist erbärmlich. Weil es keine Entwicklung<br />

gibt. Mag falsch sein. Als pessimistischer<br />

Fan aber sage ich jedem: Wir werden 3:0<br />

verlieren. Und hoffe, dass es<br />

besser wird! <br />

n<br />

Mark-Anthony Turnage: Shadow Walker,<br />

Daniel Hope, Vadim Repin (Onyx)<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

FOTO: PRIVAT<br />

82 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Oktober</strong> – <strong>November</strong> 20<strong>18</strong>

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