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<strong>DER</strong> MITTELSTAND. 3 | <strong>20</strong><strong>20</strong><br />

3<br />

Den Kahlschlag im<br />

<strong>Mittelstand</strong> abwenden!<br />

Mario Ohoven<br />

Präsident Bundesverband mittelständische<br />

Wirtschaft (BVMW) und Europäischer<br />

<strong>Mittelstand</strong>sdachverband European<br />

Entrepreneurs (CEA-PME), Herausgeber<br />

„<strong>DER</strong> <strong>Mittelstand</strong>.“<br />

Foto: © Thomas Imo<br />

Für den deutschen <strong>Mittelstand</strong> ist es in der Coronakrise buchstäblich<br />

fünf vor Zwölf. Wir wissen aus einer Umfrage unseres<br />

Verbandes, dass die meisten Unternehmen – sofern sie den<br />

Lockdown überhaupt überleben – unter akutem Liquiditätsmangel<br />

leiden. Die bisher ausgezahlten Hilfen helfen nur bedingt. Drei Viertel<br />

der Mittelständler können trotz staatlicher Unterstützung ihren Finanzbedarf<br />

nicht in ausreichendem Maße decken.<br />

Ganze Branchen, wie die Gastronomie, das Tourismusgewerbe oder<br />

der Messebau sehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Im Durchschnitt<br />

aller Branchen befanden sich wochenlang 50 Prozent der Beschäftigten<br />

in Kurzarbeit. Insgesamt wurde für mehr als zehn Millionen<br />

Menschen Kurzarbeit angemeldet. Zugleich sind international<br />

wichtige Lieferketten zusammengebrochen, dadurch fallen Aufträge<br />

seitens der Industrie weg. Gleichzeitig mangelt es an privater Nachfrage.<br />

Die Bürger halten in der Krise ihr Geld zusammen.<br />

Das alles hat fatale Folgen für mittelständische Unternehmer und<br />

Selbstständige. Man muss kein Prophet sein, um eine massive Insolvenzwelle<br />

im zweiten Halbjahr zu prognostizieren. Zumal niemand<br />

weiß, wann sich die (welt)wirtschaftliche Lage insgesamt wieder<br />

bessert. Denn wir müssen von Coronakrisen im Plural sprechen.<br />

Neben der medizinischen Pandemie haben wir es mit einer Rezession<br />

und einer internationalen Staatsschulden- und Währungskrise<br />

zu tun.<br />

In tiefer Sorge um unser Land hat der BVMW einen Brandbrief und<br />

einen Offenen Brief im Nachrichtenmagazin FOCUS veröffentlicht.<br />

Darin appelliert der <strong>Mittelstand</strong> an die Politik, den Lockdown für die<br />

Wirtschaft aufzuheben, „bevor es zu spät ist“. Das mediale Echo im<br />

In- und Ausland war gewaltig. Was aber noch wichtiger ist: Auf diese<br />

Weise haben wir die Bundesregierung zum Handeln bewegt. Viele<br />

Restriktionen des Coronaregimes wurden deutlich früher als geplant<br />

aufgehoben.<br />

Doch das kann nur der Anfang sein. Ist nämlich ein Unternehmen<br />

erst einmal insolvent, kommt jede Hilfe zu spät. Der <strong>Mittelstand</strong><br />

muss deshalb rasch und nachhaltig entlastet werden, um auch international<br />

wettbewerbsfähig zu bleiben. Dafür benötigen wir eine politische<br />

Reformagenda: weniger Steuern und Abgaben, mehr Flexibilität,<br />

zum Beispiel bei der Arbeitszeit.<br />

So gehört der Solidaritätszuschlag sofort und für alle abgeschafft,<br />

und zwar rückwirkend zum 1. Januar <strong>20</strong><strong>20</strong>. Dadurch erhielten die Betriebe<br />

schnell und unbürokratisch frische Liquidität. Zudem sollte der<br />

steuerliche Verlustrücktrag ausgeweitet werden. Das heißt, ein Verlust<br />

sollte nicht mehr nur ein Jahr, sondern – wie dies bis 1999 möglich<br />

war – wieder zwei Jahre zurückgetragen werden dürfen.<br />

Was mit Sicherheit niemand braucht, sind zusätzliche Belastungen<br />

der Unternehmen. Die Wiedereinführung der Vermögensteuer beispielsweise<br />

mag auf den ersten Blick solidarisch scheinen, ist es<br />

aber nicht. Im Gegenteil: Mehr Abgaben bedeutet weniger Investitionen,<br />

und das kostet Arbeitsplätze. Dies sei insbesondere der SPD ins<br />

Stammbuch geschrieben.<br />

Aus falsch verstandener Solidarität stehen auch staatliche Hilfen für<br />

Konzerne in der Kritik. Ich halte nichts von einer Diskussion „Klein<br />

gegen Groß“. Von einer starken Automobilindustrie etwa profitieren<br />

sowohl die mittelständischen Zulieferer als auch ihre Mitarbeiter.<br />

Das gilt gleichermaßen für die Luftfahrt- oder die Reisebranche. Die<br />

Großunternehmen brauchen den <strong>Mittelstand</strong> und umgekehrt.<br />

Nach Brandbrief und Offenem Brief haben viele Spitzenpolitiker das<br />

Gespräch mit unserem Verband gesucht. Ein Ergebnis war die Aufstockung<br />

der staatlichen Haftungsgarantie für KfW-Hilfskredite auf<br />

100 Prozent. Das ist zu begrüßen, reicht aber nicht aus. Der <strong>Mittelstand</strong><br />

muss künftig bei allen wichtigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen<br />

angehört werden. Dafür werden wir uns mit aller Kraft<br />

einsetzen.<br />

Jede Krise ist zugleich eine Chance – für den, der die richtige innere<br />

Einstellung hat. Bildlich gesprochen: wer niemals hinfallen will,<br />

wird sein Leben lang auf dem Bauch kriechen. Wir müssen vom Sollen<br />

zum Wollen kommen. Daher gilt auch und gerade in diesen Zeiten:<br />

Haben Sie keine Angst vor, sondern Freude auf die Herausforderungen!<br />

Dann besteht für Sie die große Chance, als Gewinner aus der<br />

Krise hervorzugehen.<br />

Mario Ohoven

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