3-20_DER_Mittelstand_web
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>DER</strong> MITTELSTAND. 3 | <strong>20</strong><strong>20</strong><br />
SERVICE<br />
89<br />
FINANZTIPP<br />
Gewinne nicht dem Glück überlassen<br />
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“ könnte man mit<br />
Doktor Faust sagen, wenn es um ein Dilemma geht: aktives<br />
oder passives Anlegen? Ich will Sie nicht langweilen mit den<br />
Thesen von nobelpreisgekrönten Wissenschaftlern („passives Investieren“)<br />
und den Werbesprüchen der aktiven Fondsindustrie, sondern<br />
als Mann mit jahrzehntelanger praktischer Börsenerfahrung<br />
sprechen.<br />
Tatsache ist: Aktiv gemanagte Fonds schlagen à la longue nicht<br />
die jeweiligen Börsenindizes, sind im Ergebnis also schlechter als<br />
der Indexdurchschnitt. Das hat viele Gründe. Jeder Fonds muss eine<br />
bestimmte Summe als Cash vorhalten, um eventuelle (größere)<br />
Anteilsrücknahmen direkt bedienen zu können. Wenn die Börsenkurse<br />
regelmäßig steigen, sind beispielsweise nur 90 Prozent am Aufschwung<br />
beteiligt. Die zehnprozentige Bargeldreserve bringt keinen<br />
Gewinn und kostet eventuell sogar Strafzinsen. Dann verschlingt<br />
auch die Fondsverwaltung Geld, direkt und indirekt. Da kommen<br />
schon mal drei Prozent zusammen – pro Jahr. Schließlich kann es<br />
auch noch Pech geben: Das aktive Fondsmanagement kauft Aktien,<br />
die trotz positiver Indexentwicklung partout nicht steigen wollen,<br />
sondern im Kurs fallen.<br />
Privatanleger, die sich gelegentlich Aktien kaufen und damit Gewinne<br />
erzielen, haben einfach nur Glück. Doch Glück auf Dauer lässt sich<br />
nicht abonnieren. Für Privatanleger braucht es schon ein strukturiertes<br />
und krisenresistentes Depot, wie es diverse Börsenpublikationen<br />
veröffentlichen. Doch wenn ein Schwarzer Schwan auftaucht, also<br />
ein zu diesem Zeitpunkt unerwartetes Ereignis, bleiben auch die Ergebnisse<br />
der ansonsten soliden Börseninformationsdienste davon<br />
nicht verschont – die einen mehr, die anderen weniger. Unterm Strich<br />
verlieren die anfänglich gutgläubigen Anleger ihr Erspartes.<br />
Erinnern Sie sich noch an den Kostolany-Spruch „Kaufen Sie Aktien,<br />
nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr<br />
an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“? Die vielen<br />
Jahre können bei einer solchen „Buy-and-hold“-Strategie sehr lange<br />
dauern. Das kann ich aus Erfahrung berichten: Vor zehn Jahren habe<br />
ich zum Test ein solches „Kosto-Depot“ begonnen und nie Umschichtungen<br />
vorgenommen. Ergebnis nach zehn Jahren: bescheidene<br />
neun Prozent inklusive aller in der Zwischenzeit erhaltenen<br />
Dividenden. In der gleichen Zeit habe ich mit meinem gemanagten<br />
Depot, sprich: mit gelegentlichen Umschichtungen, über 51 Prozent<br />
Gewinn erzielt. Also besser, wenn man flexibel investiert und seinen<br />
Aktienbestand je nach Einschätzung umschichtet. Dabei schreibe<br />
ich dies in einem wirklich ungünstigen Augenblick: In der Coronakrise<br />
haben die Börsenkurse um mehr als 30 Prozent nachgegeben.<br />
Passives Investment mit einem speziellen ETF-Depot mache ich<br />
noch nicht lange. Mein Musterdepot aus börsennotierten ETFs habe<br />
ich erst am 07.10.<strong>20</strong>19 begonnen. Kosten- und spesengünstig decke<br />
ich „ganze Märkte“ ab. Nicht nach der Kostolany-Regel, sondern<br />
mit meinen jahrzehntelangen Erfahrungen als aktiver Aktienanleger<br />
– also nicht halten und vergessen, sondern die passiven Investments<br />
managen wie Aktien. Erst die Auswahl: Welche Indizes versprechen<br />
einen höheren Gewinn? Chemie, Computer, Sicherheit, nachhaltige<br />
Geldanlagen? Welche Länder? Zu jedem Thema gibt es mittlerweile<br />
ETFs von mehreren Anbietern. Doch auch hier muss noch weiter<br />
selektiert werden: Will man nur ETFs kaufen, die wirklich die im jeweiligen<br />
Index enthaltenen Aktien besitzen? Oder will man das Risiko<br />
eingehen, auch solche ETFs zu erwerben, welche die Indizes nur<br />
nachbilden, ohne effektiv die Aktien zu kaufen? Das Gegenparteirisiko<br />
wird man erst erfahren, wenn es hier die ersten Pleiten gibt.<br />
Nach der Auswahl der richtigen ETFs beginnt die Arbeit des Börsianers:<br />
Bei welchem Gewinnkurs soll man wieder verkaufen? Bei welchem<br />
Verlust soll man sich verabschieden? Und soll man dann umschichten<br />
oder vorerst Cash halten? Das wird meine Hausaufgabe<br />
sein. Meine bisherigen Erfahrungen ermutigen mich. Trotz des starken<br />
Kursrutsches in der Coronakrise ist mein ETF-Depot aktuell nur<br />
mit 2,78 Prozent im Verlust. Beim nächsten Börsenaufschwung wird<br />
sich zeigen, ob ich mit meinem gemanagten ETF-Depot besser abschneiden<br />
kann als die großen Börsenindizes …<br />
Hans-Peter Holbach<br />
Herausgeber des Informationsdienstes Geld<br />
(erscheint im 47. Jahrgang)<br />
www.geldbrief.com<br />
Chefredakteur beim Vertraulichen<br />
Schweizer Brief<br />
www.vertraulicher.com