02.06.2020 Aufrufe

3-20_DER_Mittelstand_web

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>DER</strong> MITTELSTAND. 3 | <strong>20</strong><strong>20</strong><br />

SCHWERPUNKT<br />

37<br />

Foto: © womue von www.stock.adobe.com<br />

Mein Unternehmen, die Westfälische Drahtindustrie GmbH<br />

(WDI), ist der einzige deutsche Freileitungsseilhersteller<br />

für Überlandtrassen. In unserem Unternehmen arbeiten<br />

1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 15 Standorten in ganz<br />

Deutschland. Wir produzieren Drähte für diverse Abnehmerbranchen.<br />

An zwei unserer Standorte stellen wir Freileitungsseile her, mit<br />

denen Strom von A nach B transportiert werden kann.<br />

Die WDI zahlt Gehälter, Sozialabgaben, Steuern und Abgaben aller<br />

Art, die dem Gemeinwohl zugutekommen. Zusätzlich haben wir<br />

in den vergangenen Jahren 17 Millionen Euro EEG-Umlage bezahlt,<br />

trotz Teilbefreiung. Außerdem kaufen wir die verschiedensten Dinge<br />

wie Stahl, Gas, Hilfs- und Betriebsstoffe und Strom zu – um nur einige<br />

zu nennen. In diesem Jahr werden wir eine neue Halle bauen.<br />

Auf das Dach kommt eine Photovoltaikanlage. Diese wird sich jedoch<br />

erst in <strong>20</strong> Jahren amortisiert haben. Wir bauen sie trotzdem, denn<br />

wir möchten Vorbild sein und den Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen.<br />

Wir investieren hier in Deutschland, die Aufträge für den<br />

Hallen-, Anlagen- und Tiefbau gehen an einheimische Unternehmen.<br />

Das heißt, von der WDI leben auch wieder andere Unternehmen, die<br />

ebenfalls Arbeitsplätze sichern, Sozialabgaben und Steuern zahlen<br />

und so weiter. Dieser Kreislauf hält unsere Wirtschaft am Laufen – es<br />

ist ein Geben und Nehmen. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass<br />

wir Aufträge generieren. Gerne natürlich von Unternehmen, die Teil<br />

unseres Wirtschaftskreislaufes sind. Dann sind die Wege kurz. Das<br />

ist nachhaltig, gut für die Umwelt – und die Kaufkraft bleibt dort, wo<br />

sie erarbeitet wird, nämlich vor Ort.<br />

Ein großer europäischer Energieversorger hat nun seinen Zweijahresbedarf<br />

an Freileitungen für den deutschen Markt mit einem großen<br />

Auftragsvolumen ausgeschrieben. Davon gingen vier Prozent an<br />

ein deutsches Unternehmen, die WDI, und drei Prozent an ein polnisches<br />

Unternehmen. Den Zuschlag für die restlichen 93 Prozent erhielten<br />

Unternehmen in Indien und Bahrain. Da fragt man sich, was<br />

dieser Energieversorger unter den Themen Wirtschaftskreislauf,<br />

Umweltschutz und Nachhaltigkeit versteht …<br />

Es werden nun Tausende Tonnen Stahl und Aluminium in Indien und<br />

Bahrain zu Freileitungsseilen verarbeitet. Dass die Herstellungsbedingungen<br />

in diesen Billiglohn-Ländern weder menschen- noch umweltfreundlich<br />

sind, ist hinlänglich bekannt. Strenge Kontrollen wie<br />

im europäischen Markt sind nicht gegeben. CO 2<br />

-Steuer und EEG-<br />

Umlage fallen in diesen Ländern natürlich auch nicht an. Kostenmäßige<br />

Chancengleichheit besteht zwischen Deutschland und Drittländern<br />

also nicht.<br />

Kritisch ist auch der Umgang mit der Energie zu sehen. In Deutschland<br />

setzen wir auf erneuerbare Energien – dazu dient auch die<br />

EEG-Umlage. In Drittländern wird darauf nicht geachtet. Die Energie<br />

stammt nach wie vor von fossilen Brennstoffen oder aus der Kernkraft.<br />

Bei dem Beispiel der Freileitungsseile wird Energie, die zur Produktion<br />

erforderlich ist, bei uns eingespart, aber in einem anderen<br />

Teil der Welt verbraucht. Und zwar unter sehr viel negativeren Bedingungen<br />

und mit einem höheren CO 2<br />

-Ausstoß.<br />

Beim Transport der fertigen Drahtseile stellt sich ebenfalls die Frage<br />

nach dem Umweltschutz. Ist es wirklich umweltfreundlich, tonnenweise<br />

Seile mit dieselbetriebenen Containerschiffen Tausende von<br />

Kilometern von Südasien und dem Nahen Osten nach Nordeuropa zu<br />

verschiffen? Zum Vergleich: Der Anfahrtsweg der WDI-Freileitungsseile<br />

würde mit dem LKW maximal drei- bis vierhundert Kilometer<br />

von der Produktionsstätte bis zur Montage ausmachen.<br />

Ein anderes Thema ist die Abhängigkeit. Gerade in den vergangenen<br />

Monaten haben wir schmerzlich erlebt, wie groß unsere wirtschaftliche<br />

Abhängigkeit von Drittländern bereits ist. Bei aller Faszination<br />

der Globalisierung stellt sich doch die Frage, ob es wirklich Sinn<br />

hat, die Kernkompetenz der europäischen Industrie zu vernachlässigen?<br />

Wenn europäische Unternehmen auf Sicht nicht mehr wettbewerbsfähig<br />

sind, fallen Produkte weg, und die Eigenversorgung ist<br />

nicht mehr gesichert. Kommt es bei der Auftragsvergabe wirklich auf<br />

den letzten Cent an?<br />

Dass die Herstellungsbedingungen<br />

in Billiglohn-Ländern weder<br />

menschen- noch umweltfreundlich<br />

sind, ist hinlänglich bekannt.<br />

Man muss in diesem Zusammenhang immer wieder darauf hinweisen:<br />

Der <strong>Mittelstand</strong> ist gut aufgestellt, vor allem, wenn es sich<br />

um familiengeführte Unternehmen handelt. Sie überbrücken auch<br />

schwierige Zeiten – wie wir sie gerade jetzt erleben. Anders als Investoren<br />

aus Drittländern, handeln mittelständische Unternehmen<br />

im besten Sinne „konservativ“. Das heißt, wir versuchen sehr vieles,<br />

bis wir Arbeitsplätze und Standorte wirklich aufgeben. Deshalb muss<br />

Deutschland wettbewerbsfähig bleiben, denn jeder Standort, der einmal<br />

geschlossen ist, bleibt verloren und das Produkt unter Umständen<br />

gleich mit.<br />

„Wir sind Europa“ ist ein Bekenntnis, mit dem wir in den vergangen<br />

Jahrzehnten gut gefahren sind. Ein geeintes Europa hat uns Wohlstand,<br />

Sicherheit und Frieden ermöglicht. Das sollte man auch in den<br />

Unternehmenszentralen beherzigen – leben und leben lassen.<br />

Gut zu wissen<br />

Mit der EEG-Umlage wird der Ausbau der Erneuerbaren Energien finanziert.<br />

Betreiber von Erneuerbare Energien-Anlagen, die Strom in das Netz<br />

der öffentlichen Versorgung einspeisen, erhalten dafür eine festgelegte<br />

Vergütung. Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) verkaufen den eingespeisten<br />

Strom an der Strombörse. Grundsätzlich müssen alle Stromverbraucher<br />

die EEG-Umlage bezahlen. Sie ist Teil des Strompreises.<br />

Weitere Infos unter https://bvmw.info/bundesnetzagentur-eeg-umlage<br />

Katja Pampus<br />

Geschäftsführerin WDI –<br />

Westfälische Drahtindustrie GmbH<br />

BVMW Vorstand<br />

www.wdi.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!