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52 SCHWERPUNKT<br />
<strong>DER</strong> MITTELSTAND. 3 | <strong>20</strong><strong>20</strong><br />
Green Deal: Chance für<br />
Wirtschaft und Gesellschaft<br />
Die Europäische Union soll unter EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen zum Vorreiter im<br />
Kampf gegen den Klimawandel werden. Deshalb wurde der Green Deal als Politikstrategie auf<br />
den Weg gebracht. Ein Überblick über das Thema und die Folgen für den <strong>Mittelstand</strong>.<br />
Ende <strong>20</strong>19 hat die EU-Kommission den Green Deal in Brüssel<br />
vorgestellt. In diesem sind zwei große Ziele verankert: nachhaltiger<br />
Klimaschutz und wirtschaftlicher Wohlstand. Dabei haben<br />
sich die Staats- und Regierungschefs auf folgenden Kompromiss<br />
verständigt: Bis <strong>20</strong>50 soll der Kontinent klimaneutral werden,<br />
ein neues Gesetz soll dazu in Kürze verabschiedet werden. Nur Polen<br />
ist mit einer Sonderregelung ausgenommen. Die Ziele sehen konkret<br />
vor, dass die EU bis <strong>20</strong>30 ihre Treibhausgas-Emissionen um mindestens<br />
40 Prozent unter den Wert von 1990 senken soll. Innerhalb der<br />
nächsten 30 Jahre sollen insbesondere die Bereiche Energieversorgung,<br />
Industrieproduktion, Verkehr und Landwirtschaft klimafreundlicher<br />
werden.<br />
Insgesamt besteht der Green Deal aus Maßnahmen in den folgenden<br />
Bereichen:<br />
n Energie<br />
Der konsequente Ausbau von Erneuerbaren Energien mit einem<br />
Schwerpunkt auf Offshore-Windenergie soll verstärkt werden.<br />
Der Gassektor soll dekarbonisiert und die nationalen Energieund<br />
Klimapläne bei der nächsten fälligen Überarbeitung <strong>20</strong>23 an<br />
die neuen Klimaziele angepasst werden. Außerdem soll die Energiearmut<br />
bekämpft und die für eine klimaneutrale Energieversorgung<br />
notwendige Energieinfrastruktur weiterentwickelt werden.<br />
n Industrie und Kreislaufwirtschaft<br />
In der vorgestellten Industriestrategie geht es um die Transformation<br />
der Industrie hin zu mehr Ökologie, Kreislauffähigkeit und Digitalisierung.<br />
Die Kommission betont dabei auch explizit die Unterstützung<br />
der KMU. Auf das kreislauforientierte Design aller<br />
Produkte wird besonders geachtet.<br />
n Gebäude<br />
Bei der Umsetzung der Gebäuderichtlinien richtet sich der Blick<br />
auf Energieeffizienz als essenziellen Beitrag zum Klimaschutz.<br />
Außerdem soll bei der energetischen Sanierung von Gebäuden<br />
die Verwendung von klimafreundlichen Baumaterialen besser gefördert<br />
werden.<br />
n Verkehr<br />
Im Mobilitätsektor muss ein wahrer Kraftakt erfolgen. Laut Pariser<br />
Klimaschutzzielen müssen die Emissionen bis <strong>20</strong>50 drastisch<br />
gesenkt werden. Hierzu sollen folgende Hebel umgelegt<br />
werden: Verkehrsverlagerung sowie Verkehrsvermeidung und Effizienzsteigerung.<br />
Im laufenden Jahr <strong>20</strong><strong>20</strong> soll dazu eine Strategie<br />
entwickelt werden, um eine nachhaltige und smarte Mobilität<br />
europaweit zu ermöglichen. Auch der Schienenverkehr und der<br />
Transportsektor sollen reformiert werden. Bis <strong>20</strong>21 entscheidet<br />
sich, wie Schienen und Wasserwege ausgebaut werden können.<br />
n Landwirtschaft<br />
Die geplante Strategie „Vom Hof zu Tisch“ sollte im Frühjahr <strong>20</strong><strong>20</strong><br />
vorgestellt werden. In dieser sollen insbesondere der Verlust der<br />
Biodiversität und die Lebensmittelverschwendung thematisiert<br />
werden. Außerdem ist geplant, 40 Prozent des gemeinsamen<br />
Budgets der europäischen Agrarpolitik sowie 30 Prozent des Fischerei-<br />
und Meeresfonds für den Klimaschutz zu verwenden.<br />
n Finanzierung<br />
Schätzungsweise werden allein bis <strong>20</strong>30 260 Milliarden Euro pro<br />
Jahr an zusätzlichen Investitionen nötig sein. Knapp 40 Prozent<br />
werden aus dem EU-Haushalt stammen. Hinzu zählt die Kommission<br />
115 Milliarden Euro, die die Mitgliedstaaten an Kofinanzierung<br />
bereitstellen müssen, um bestimmte EU-Mittel überhaupt<br />
abrufen zu können. 280 Milliarden Euro sollen zudem aus dem Invest-EU-Fonds<br />
kommen, mit dem die EU und die Europäische Investitionsbank<br />
private Investitionen anstoßen wollen. Vorgänger<br />
und Vorbild ist der „Europäische Fonds für strategische Investitionen“,<br />
der mit wenig öffentlichen Mitteln Investitionen von privater<br />
Seite in zigfacher Höhe gesammelt hat.<br />
n CO 2<br />
-Bepreisung<br />
Bisher wird angedacht, die Energiebesteuerungsrichtlinie zu überarbeiten.<br />
Ziel soll es sein, richtige Anreize für die Investition in<br />
nachhaltige Projekte, sowohl bei Unternehmen als auch Verbrauchern,<br />
zu setzen. Geplant ist zudem eine Art CO 2<br />
-Zoll, welcher in<br />
ausgewählten Sektoren dafür sorgen soll, dass klimaschädliche<br />
Waren und Güter nicht einfach importiert werden. Aber in Zeiten<br />
von Handelskriegen und unilateralen Zöllen ist es wahrscheinlich,<br />
dass die von der CO 2<br />
-Grenzsteuer betroffenen Länder Vergeltungsmaßnahmen<br />
ergreifen werden. Die EU wird sich fragen<br />
müssen, ob sie die Vergeltungsmaßnahmen ihrer Handelspartner<br />
(USA, China, Indien, Saudi-Arabien und Brasilien, um nur einige zu<br />
nennen) in Kauf nimmt.<br />
Der Green Deal stellt eine Chance für Wirtschaft und Gesellschaft dar.<br />
Der <strong>Mittelstand</strong> benötigt für Zukunftsinvestitionen vor allem Planungssicherheit<br />
und Verlässlichkeit des Gesetzgebers. Dabei ist es<br />
wichtig, dass der geplante Green Deal und seine Maßnahmen nicht<br />
zu einer Verbotspolitik verkommen. Nur durch konkret ausgestaltete<br />
Politik kann eine Verunsicherung der Wirtschaft verhindert werden<br />
und eine langfristige Planung erfolgen.<br />
Kilian Harbauer<br />
BVMW Referent für Energie, Nachhaltigkeit,<br />
Mobilität und Logistik<br />
kilian.harbauer@bvmw.de<br />
Foto: © Vadim Sazhniev von www.shutterstock.com