3-20_DER_Mittelstand_web
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<strong>DER</strong> MITTELSTAND. 3 | <strong>20</strong><strong>20</strong><br />
SCHWERPUNKT<br />
39<br />
Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft<br />
macht uns unabhängiger von<br />
Rohstoffimporten und den damit<br />
verbundenen wirtschaftlichen und<br />
politischen Risiken.<br />
Ressourcenverbrauchs von ökonomischer Aktivität ist deshalb unerlässlich.<br />
Ein entscheidender Schlüssel dafür liegt in einer Kreislaufwirtschaft.<br />
Eine Kreislaufwirtschaft im Wortsinn betrifft alle Wirtschaftsbranchen<br />
auf allen Stufen der Wertschöpfung: Produktentwicklung, Design,<br />
Finanzierung, Produktion, IT, Nutzung, Reparatur, Wiederverwendung<br />
und erst ganz am Ende das Recycling. Entscheidende<br />
Parameter sind die Vermeidung von Abfällen, das Design langlebiger,<br />
reparierbarer und recyclingfreundlicher Produkte und die Transparenz<br />
über verwendete Materialien. Eine Kreislaufwirtschaft erfordert<br />
deshalb auch einen neuen verlässlichen Rechtsrahmen – Stichworte<br />
sind Mindeststandards für Produkte, die auf den europäischen Markt<br />
gelangen, digitale Materialpässe und ein ambitioniertes Gewährleistungsrecht.<br />
Das bringt gerade für den deutschen<br />
<strong>Mittelstand</strong> mit seiner großen Innovationskraft<br />
und seiner Stärke im Anlagenbau<br />
zahlreiche Chancen.<br />
Nutzen statt besitzen<br />
In einer Kreislaufwirtschaft haben hochwertige<br />
Güter Vorrang vor Einwegschrott –<br />
ein echter Wettbewerbsvorteil für den deutschen<br />
<strong>Mittelstand</strong>, der den Anspruch hat,<br />
auf hochwertige Produkte zu setzen. Außerdem<br />
bietet eine Kreislaufwirtschaft die<br />
Chance, innovative Geschäftsmodelle nach<br />
dem Motto „nutzen statt besitzen“ zu entwickeln.<br />
Unternehmen können den Kund*innen<br />
das verkaufen, was diese eigentlich<br />
wollen: Statt eines Leuchtmittels oder eines<br />
Autos werden dann die Dienstleistungen<br />
Leuchtstunden oder Fahrkilometer verkauft.<br />
In solchen Geschäftsbeziehungen<br />
können die Hersteller Produkte passgenau,<br />
langlebig, wiederverwendbar und reparierbar<br />
gestalten. Zusätzlich entsteht auch eine<br />
dauerhafte Kundenbeziehung.<br />
Deutschland hat von Natur aus nur wenige<br />
natürliche Rohstoffvorkommen. Der Ausbau<br />
der Kreislaufwirtschaft macht uns unabhängiger<br />
von Rohstoffimporten und den<br />
damit verbundenen wirtschaftlichen und politischen<br />
Risiken. Statt in immer neuen Minen<br />
und Steinbrüchen in fernen Ländern Raubbau<br />
an unserer Natur zu betreiben, erschließen<br />
wir künftig die riesigen anthropogenen<br />
Rohstofflager durch Urban Mining: Smart-<br />
phones, Autos, Verpackungen und Gebäude werden von Anfang an<br />
so designt und produziert, dass sie aus trennbaren bekannten Materialien<br />
bestehen.<br />
Eine Studie der Europäischen Kommission prognostiziert bis zu zwei<br />
Millionen zusätzliche Jobs durch die Implementierung ambitionierter<br />
Maßnahmen zur Steigerung der Ressourcenproduktivität. Dies<br />
liegt unter anderem daran, dass die Wiederaufbereitung von Produkten<br />
und Materialien nicht nur verhältnismäßig arbeitsintensiv, sondern<br />
häufig auch lokaler gebunden und somit vor Globalisierungsfolgen<br />
relativ geschützt ist.<br />
Schließlich gilt in einer Kreislaufwirtschaft erst recht, was heute<br />
schon gelten sollte: Giftige Chemikalien haben keinen Platz mehr.<br />
Ansonsten besteht immer das Risiko, dass eine gefahrlose Weiternutzung<br />
von Produkten nicht möglich ist und sich Gifte in den Materialströmen<br />
anreichern. Einige Unternehmen haben bereits den Praxistest<br />
gemacht und festgestellt, dass ein Verzicht auf schädliche<br />
Materialien ein echter Kostensenker ist. Sie konnten beispielsweise<br />
auf teure Maßnahmen für den Arbeitsschutz und die Wasserreinigung<br />
verzichten.<br />
Fazit: Der Umbau unserer linearen Wirtschaft zu einer konsequenten<br />
Kreislaufwirtschaft ist nicht der einzige, aber definitiv ein wichtiger<br />
Baustein, um das Ziel einer nachhaltigen, krisensicheren Wirtschaft<br />
und Gesellschaft zu erreichen. Von innovativen Produktdesignern<br />
bis hin zu technisch versierten Maschinen- und Anlagenbauer*innen<br />
gibt es in Deutschland zahlreiche Menschen, die diese Transformation<br />
mitgestalten wollen. Kommende Konjunktur- und Investitionsprogramme<br />
sollten deshalb die Förderung einer Kreislaufwirtschaft<br />
beinhalten.<br />
Gut zu wissen<br />
n Eine Kreislaufwirtschaft kann zu mehr regionalen Arbeitsplätzen<br />
führen. Denn die Wiederaufbereitung von Produkten und Materialien<br />
ist nicht nur verhältnismäßig arbeitsintensiv, sondern auch häufig<br />
lokaler gebunden und somit vor Globalisierungsfolgen relativ geschützt.<br />
n Die EU-Kommission hat in ihrer ersten Kommunikation zum Green<br />
Deal die Mobilisierung der Industrie für eine saubere und kreislauforientierte<br />
Wirtschaft sowie das Ziel einer giftfreien Umwelt als zentrale<br />
Bausteine des Konzepts benannt und eine Roadmap für einen New<br />
Circular Economy Action Plan angekündigt. Darin soll auch ein Vorschlag<br />
zu einer nachhaltigen Produktpolitik enthalten sein.<br />
Dr. Bettina Hoffmann MdB<br />
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
Sprecherin für Umweltpolitik<br />
Sprecherin für Umweltgesundheit<br />
Obfrau im Parlamentarischen Beirat<br />
für nachhaltige Entwicklung<br />
www.bettina-hoffmann.info