Nr. 78 - Frühling 2021

Luftbild des Waldgartens, den Fabrice Desjours ganz alleine gepflanzt hat.
Dinge zu unternehmen. Im Gegensatz zum Schulsystem
weckte diese Natur eine Kreativität in mir, dazu musste
ich sie nur beobachten. Mir war schnell klar, dass sie mir
nicht nur Raum für Freiheit bot, sondern dass sie am Ende
mein Arbeitsplatz werden würde …
Die ländliche Gegend in Burgund hat Sie zwar sofort fasziniert,
auf der anderen Seite war Ihnen aber auch schnell klar,
dass diese Landschaft in gewisser Weise « dominiert » wird …
Ja, die Landschaft ist zwar in der Tat sehr schön,
aber, wie fast überall, ist die Handschrift des Menschen
allgegenwärtig. Man sieht Felder, Weinberge, Wälder …
alles ist sehr schön. Aber alles ist auch sehr strukturiert,
vermutlich zu strukturiert. Der kleinste Raum wird vom
Menschen beherrscht, und dahinter stehen vor allem
kommerzielle Ziele. Als mir das klar wurde, war es wie
ein Schock für mich. Probieren Sie es aus, betrachten Sie
eine Landschaft: Meistens reicht ein einziger Blick, um zu
erfassen, in welchem Maße der Mensch sie bändigt, sie
beherrscht. In Frankreich sind echte « freie » natürliche
Zonen heutzutage quasi inexistent, da ist Burgund keine
Ausnahme. Und da in Frankreich die Kinder im Rahmen
ihrer Erziehung nicht dazu ermutigt werden, sich mit der
Natur auseinanderzusetzen, sich ihr anzunähern, wird das
Bewusstsein dafür nicht gerade gefördert. Dabei sind sie
es, die den Landschaftsraum von morgen gestalten …
Die Erziehung spielt also für die Zukunft des Landschaftsbildes
eine wichtige Rolle?
Davon bin ich überzeugt. Frankreich hat in dieser
Beziehung Aufholbedarf, denn innerhalb von Europa
gibt es große Unterschiede. Nehmen Sie beispielsweise
die Kindergärten in Deutschland. Sie sind Aktivitäten in
der Natur gegenüber viel offener als in Frankreich. Man
fordert die Kinder auf, in den Garten zu gehen, draußen
zu spielen, Erde anzufassen, an ihr zu riechen, etwas zu
pflanzen. Es gibt sogar Waldkindergärten. In Frankreich
ist so etwas noch sehr selten.
Frankreich erleben · Frühling 2021 · 63