Nr. 78 - Frühling 2021
Hauts-de-France: musikalische Waldbäder Loire-Tal: im Reich der Blumenkönigin Burgund: ein essbarer Wald Nouvelle-Aquitaine: der Nabel der Welt Provence: die 27100 Jahre alte Hand eines Künstlers Alexandre Dumas: Wie der Vater, der Sohn Chantals Rezept: Crème catalane Produkt: Le parapluie de Cherbourg
Hauts-de-France: musikalische Waldbäder
Loire-Tal: im Reich der Blumenkönigin
Burgund: ein essbarer Wald
Nouvelle-Aquitaine: der Nabel der Welt
Provence: die 27100 Jahre alte Hand eines Künstlers
Alexandre Dumas: Wie der Vater, der Sohn
Chantals Rezept: Crème catalane
Produkt: Le parapluie de Cherbourg
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Die Grotte Cosquer ist ein versunkener archäologischer Schatz, der mehr als 500 Höhlenmalereien – darunter<br />
zahlreiche Pferde, Bisons und Pinguine – sowie 65 bemerkenswerte Abdrücke von Händen umfasst.<br />
faden, eine zwar dünne, aber unentbehrliche Verbindung<br />
zur Außenwelt. Der Taucher erforschte den einige Jahre<br />
zuvor entdeckten Hohlraum, den er in seinem Buch (siehe<br />
Seite …76) als « unglaublich schön » bezeichnete, obwohl<br />
er genau wusste, dass es im kalkhaltigen Felsgestein der<br />
Calanques zahlreiche solcher Grotten gibt, die im Laufe<br />
der Jahrtausende durch Erosion entstanden sind. Henri<br />
Cosquer glaubte zunächst, eine von vielen anderen entdeckt<br />
zu haben. Dennoch freute er sich darüber. Zumal<br />
ihm seine Intuition immer noch sagte, dass er noch nicht<br />
am Ende seines Abenteuers angekommen war, dass noch<br />
eine Überraschung auf ihn wartete. Er machte also weiter<br />
und nahm die Höhle so gut es ging unter die Lupe. Bis<br />
dann der unglaubliche Augenblick gekommen war, der<br />
ihm bis in alle Ewigkeit im Gedächtnis bleiben wird. Der<br />
Augenblick, als er im Lichtstrahl seiner Lampe verblüfft<br />
eine auf den Fels gemalte Hand entdeckte. Und dann<br />
Pferde, Vögel, Bisons … Ein unglaubliches Bestiarium.<br />
Henri Cosquer wurde schnell klar, dass dies das Werk<br />
von entfernten, ganz entfernten Vorfahren sein musste.<br />
Er hatte viel mehr als « nur » eine Höhle aufgespürt: ein<br />
regelrechtes Heiligtum, ein Juwel der prähistorischen<br />
Kunst, das hier seit Jahrtausenden geschützt war! Angesichts<br />
der Bedeutung dieses Fundes und der Notwendigkeit,<br />
den Ort schnellstmöglich unter Schutz zu stellen,<br />
meldete er am 3. September 1991 seine Entdeckung umgehend<br />
den zuständigen Behörden, wie es im Übrigen das<br />
französische Gesetz verlangt. Sowohl die für maritime<br />
Angelegenheiten als auch die für Unterwasserarchäologie<br />
zuständigen Institutionen äußerten zunächst jedoch große<br />
Zweifel. Und sie waren nicht die Einzigen.<br />
Spott über einen « provenzalischen Pinguin »<br />
Die Entdeckung war derart weitreichend, dass sie in<br />
Fachkreisen sofort von sich reden machte. Doch in der<br />
kleinen Welt der Spezialisten für die Altsteinzeit schätzte<br />
man es nicht sehr, dass ein Autodidakt ihr Leben auf den<br />
Kopf stellen wollte, und zeigte sich daher äußerst skeptisch.<br />
Da man ein sehr guter Taucher sein muss, um in die<br />
Höhle zu gelangen, war logischerweise die Erstellung von<br />
Expertisen vor Ort stark eingeschränkt. Glücklicherweise<br />
fand sich unter den Forschern mit Jean Courtin ein Spezialist<br />
für Unterwasserarchäologie und die prähistorische<br />
Zeit, der zugleich ein erfahrener Taucher war und keine<br />
Angst hatte, durch den Tunnel bis in die Grotte Cosquer<br />
vorzudringen. Was Henri Cosquer ihm von der Höhle<br />
erzählt hatte, genügte, um von der Notwendigkeit – oder<br />
gar der Dringlichkeit – einer Besichtigung überzeugt zu<br />
sein. Dabei spielte es für ihn keine Rolle, dass Cosquer<br />
selbst kein Fachmann auf diesem Gebiet war. Courtin<br />
ahnte intuitiv, dass er es mit einem potenziellen archäologischen<br />
Schatz zu tun hatte, wie man ihn nur selten zu<br />
sehen bekommt. Deshalb wollte er alles daransetzen, diesen<br />
« ans Tageslicht zu bringen ».<br />
Jean Courtin war also der erste Prähistoriker, der die<br />
Unterwasserhöhle besuchte. Als er zurückkam, stand ihm<br />
die Begeisterung im Gesicht geschrieben. Was er gesehen<br />
hatte, überstieg alle seine Vorstellungen. Er sprach sogar<br />
über Darstellungen von Meerestieren, wie Robben und<br />
Pinguinen. Eine Weltpremiere! Insofern bestätigte Courtin<br />
nach diesem ersten Tauchgang sofort die Tragweite von<br />
Cosquers Entdeckung. Doch Courtins illustre Kollegen<br />
Frankreich erleben · <strong>Frühling</strong> <strong>2021</strong> · 71